Urteil vom 27.11.2002 -
BVerwG 1 D 10.02ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U1D10.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 27.11.2002 - 1 D 10.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:271102U1D10.02.0]

Urteil

BVerwG 1 D 10.02

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 27. November 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht
H e e r e n ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Postbetriebsinspektorin
Rita B a u m e i s t e r
und
Postbetriebsassistent
Kurt E n g e l b r e c h t
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektor ...
für den Bundesdisziplinaranwalt,
Rechtsanwalt Walter ..., als Verteidiger,
Justizangestellte ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Berufung des Postobersekretärs ... gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer V – ... -, vom 8. Januar 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

I


1. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 8. Januar 2002 entschieden, dass der Beamte unter Bewilligung eines zwölfmonatigen Unterhaltsbeitrags in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts aus dem Dienst entfernt wird. Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts ... vom 30. August 2001 war gegen den Beamten wegen jeweils in Tateinheit mit Betrug begangener Untreue in zwei Fällen auf eine neunmonatige Gesamtfreiheitsstrafe erkannt und deren Vollstreckung unter Auferlegung einer Geldbuße zur Bewährung ausgesetzt worden. Hinsichtlich des der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts ging die Vorinstanz von folgenden, gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BDO bindenden tatsächlichen Feststellungen aus:
"Der Angeklagte (das ist der Beamte, erg.) ist seit dem 1. September 1984 bei der Deutschen Post AG als Beamter beschäftigt. Z. Zt. ist er Postobersekretär und arbeitet in der Postfiliale ... als Finanzdienstleister.
1. Im August 1999 kam die 68 Jahre alte Geschädigte S. zur Postfiliale ... und ließ sich vom Angeklagten beraten, wie sie einen Betrag von 50.000,- DM bei der Postbank sicher anlegen könne. Die Geschädigte S. vereinbarte dann auch mit dem Angeklagten, der die Geschädigte bereits als Ehefrau eines Arbeitskollegen kannte, tatsächlich die Anlage des Betrages in Höhe von 50.000,- DM.
Entsprechend seiner vorgefassten Absicht legte der Angeklagte die 50.000,- DM, die sich auf dem Sparbuch mit der Konto-Nr.: ... befanden, für die Zeugin S. nicht bei der Postbank an, sondern hob einen Betrag von 48.700,- DM in bar vom Sparbuch der Zeugin S. ab und bezahlte hiervon plangemäß noch am selben Tage einen Betrag von 17.000,- DM auf sein eigenes Konto bei der Sparkasse ... ein, um seine dortigen Schulden zu tilgen. Vom verbliebenen Restbetrag überwies der Angeklagte einzelne Beträge auf Konten verschiedener Gläubiger und verbrauchte ca. 5.000,- DM für seinen Lebensbedarf.
Die Geschädigte S. ging davon aus, dass ihr Geld fest angelegt sei und hat sich auf die Beratung des Angeklagten verlassen. Sie wusste nichts davon, dass der Angeklagte vorhatte, das Geld zur Tilgung eigener Schulden zu verwenden. Sie hätte dem Angeklagten niemals privat Geld geliehen oder für irgendeine private Anlageform gegeben. Sie wollte vielmehr, dass ihr Geld bei der Postbank angelegt ist.
Der Angeklagte bezahlte in der Folgezeit 6-mal 923,- DM, insgesamt also 5.538,- DM, an die Geschädigte S. für Zinsen und Tilgung des Darlehens bis einschließlich Mai 2000.
Der Angeklagte verschwieg der Geschädigten S., dass es von Anfang an seine Absicht war, den Betrag in Höhe von 48.700,- DM für sich zu verwenden. Hätte die Geschädigte S. dies gewusst, hätte sie dem Angeklagten keine Vollmacht erteilt, Abhebungen von ihrem Sparbuch vorzunehmen.
2. Am 12.09.2000 ging die 83-jährige Geschädigte M. zur Postbank ... und wollte sich vom Angeklagten hinsichtlich einer Geldanlage in Höhe von 25.000,- DM beraten lassen. Die Zeugin M. unterhielt bei der Deutschen Postbank in ... ein US-Dollar-Depot, von dem der Angeklagte, ohne Wissen der Zeugin M., am
13.09.2000 einen Betrag von 25.000,- DM auf seine Konto-Nr. ... bei der Postbank ... überwies. Diesen Betrag behielt der Angeklagte entsprechend seiner vorgefassten Absicht für sich.
Der Angeklagte verschwieg gegenüber der Geschädigten M., dass er den Betrag von 25.000,- DM für sich behalten wollte. Die Zeugin M. wollte dem Angeklagten keinen Privatkredit geben und auch keinen sonstigen Vertrag mit dem Angeklagten schließen. Auch ihr US-Dollar-Depot wollte sie nicht veräußern. Vielmehr wollte sie, dass ihr Geld auch weiterhin bei der Postbank angelegt bleibt.
Der Angeklagte überwies der Geschädigten M. auf deren Sparbuch insgesamt 480 DM zur Tilgung des Kredits.
Hätte die Geschädigte M. gewusst, dass der Angeklagte planmäßig die 25.000,- DM für sich behalten wollte, hätte sie einen entsprechenden Auftrag gegenüber dem Angeklagten nicht erteilt ..."
Ergänzend hat das Bundesdisziplinargericht festgestellt:
Der Beamte hatte mit den vom Konto der Zeugin S. abgehobenen 48 700 DM neben Forderungen der Sparkasse ... auch Schulden, u.a. bei ... Versandhäusern ..., sowie Verbindlichkeiten aus einer Zwischenfinanzierung der Postbank getilgt. Die monatlichen Zahlungen von 923 DM an die Zeugin S., die als "Zins und Tilgung" ausgegeben worden waren, wurden wegen Zahlungsschwierigkeiten ab Juni 2000 eingestellt. Der von der Deutschen Post AG an die Zeugin bezahlte Schadenersatz betrug 42 438,82 DM. Im Falle M., von deren bei der Deutschen Post Bank International, ..., geführtem Investmentkonto der Beamte zu Unrecht 97,445 Anteile des auf US-Dollar lautenden Fonds "Postbankrendite" verkauft hatte, musste die Deutsche Postbank AG zur Schadensregulierung 26 007,10 DM aufwenden.
Nach den weiteren Feststellungen der Vorinstanz hat sich der Beamte, der sein Fehlverhalten eingeräumt habe, dahin eingelassen, er habe den geschädigten Kundinnen erklärt, dass es sich um private Schuldverschreibungen handele, die mit der Post selbst nichts zu tun hätten. Allerdings habe er ihnen nicht gesagt, dass es private Darlehen an ihn selbst seien. Mit dem Ausdruck "private Schuldverschreibung" habe er letztendlich darauf hingewiesen, dass das Geld nicht bei der Post angelegt werde, was die Geschädigten aber wohl nicht begriffen hätten. Die Zeugin M. hätte aus dem ihr ausgehändigten Serviceblatt auch erkennen können, dass es sich um eine Überweisung an ihn selbst gehandelt habe; denn dort seien seine Kontonummer und sein Name angegeben gewesen. Nach allem habe er nicht mit direktem Vorsatz gehandelt. Das Strafurteil habe auch keinen besonders schweren Fall i.S. von § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB angenommen, sondern in seinem Tun und in seiner Person außergewöhnliche Umstände gesehen, die das Unrecht und die Schuld zu seinen Gunsten deutlich vom Regelfall hätten abheben lassen. Seine Sozialprognose sei günstig. Es sei nicht zu erwarten, dass er sich in strafrechtlicher Hinsicht noch einmal etwas zu schulden kommen lassen werde. Er habe sich damals in einer außergewöhnlichen Lebenssituation befunden.
Das Bundesdisziplinargericht hat die festgestellte Handlungsweise des Beamten als vorsätzliche Verstöße gegen seine Dienstpflichten zu uneigennütziger Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG), zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten innerhalb des Dienstes (§ 54 Satz 3 BBG) und zur Beachtung der einschlägigen Dienstvorschriften (§ 55 Satz 2 BBG) gewertet. Das Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG), das nicht als Zugriffsdelikt, sondern nach den Bemessungsgrundsätzen des Betrugs und der Untreue gegenüber Postbenutzern zu bewerten sei, wiege so schwer, dass die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt werden müsse. Durchgreifende Milderungsgründe lägen nicht vor.
2. Hiergegen hat der Beamte durch seinen Verteidiger rechtzeitig Berufung eingelegt mit dem Antrag, auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Bis auf den Umstand, dass er der Geschädigten M. von Oktober 2000 bis Januar 2001 viermal 240 DM = 960 DM zurückgezahlt habe, seien die erstinstanzlichen Feststellungen zutreffend. Die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme sei jedoch unangemessen. Er habe sich zur Tatzeit aus seiner Sicht in einer ausweglosen wirtschaftlichen Notlage befunden. Seine Ehefrau, die mit Geld nicht habe umgehen können, habe Schulden in Höhe von ca. 25 000 DM mit in die Ehe eingebracht. Sein Anwesen in T. sei mit ca. 160 000 bis 170 000 DM belastet. Ein entsprechendes Darlehen der Postbank sei durch Grundpfandrechte, auch am Grundstück der Eltern, sowie durch eine Bürgschaft der Eltern abgesichert.
Im August 1999 (Fall S.) habe er ca. 10 000 DM aus einem fälligen Hauskredit nicht an die Postbank zurückzahlen können; ferner sei er mit zwei laufenden Monatsraten in Höhe von je 1 167,93 DM in Zahlungsverzug gewesen. Eine Kreditkündigung durch die Bank hätte zur Vollstreckung auch in das elterliche Anwesen führen können. Seiner am Apert-Syndrom leidenden Tochter ... habe eine erneute Operation bevorgestanden. Da noch ca. 16 000 DM Kosten der vorangegangenen Operation offen gestanden hätten - der Erstattungsbetrag der Postbeamtenkrankenkasse sei wegen Kontoüberziehungen der Ehefrau nicht mehr verfügbar gewesen - und deshalb bereits ein Vollstreckungsverfahren gegen ihn anhängig gewesen sei, habe er befürchten müssen, dass im Falle der Nichtzahlung sein Kind nicht mehr operiert werden würde. Ein weiteres Girokonto bei der Kreis- und Stadtsparkasse ... sei mit ca. 16 000 DM überzogen gewesen. Somit habe er, der Beamte, damals außer für diverse weitere Verbindlichkeiten aus Sammelbestellungen seiner Ehefrau bei Versandhäusern (...) etwa 44 000 DM benötigt. Bis Mai
2000 habe er an Frau S. monatlich 923 DM zurückgezahlt, was zu einer Gesamtzahlung von 5 538 DM ("Zins und Tilgung") geführt habe.
Im Mai 2000 habe sich seine Ehefrau von ihm endgültig getrennt und - während seiner Abwesenheit - den gesamten Hausrat mitgenommen. Nicht einmal sein Bett sei ihm verblieben. Er habe so für eine komplette Ersatzbeschaffung sorgen müssen. Außerdem hätten Schulden bei der Energieversorgung ... in Höhe von ca. 2 000 DM sowie diverse weitere Verbindlichkeiten bestanden. Aus diesem Grunde habe er die Zahlungen an Frau S. einstellen müssen und sei es schließlich zur Schädigung der Zeugin M. gekommen.
Seine wirtschaftliche Situation sei damals ausweglos gewesen. Er habe sich psychisch nicht mehr im Stande gesehen, sich um eine legale Schuldenrückführung zu bemühen. Auch habe er keine andere Möglichkeit gehabt, als zu versuchen, irgendwie an Geld zu kommen, um seine persönliche Existenz zu retten. Diese außergewöhnlichen Umstände rechtfertigten es, von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen. Ein solcher Ausspruch komme auch nicht aus generalpräventiven Gründen in Betracht - wie das Bundesdisziplinargericht meint -, da sonst seine besondere Situation zur Tatzeit unberücksichtigt bliebe. Im Übrigen habe er versucht, den entstandenen Schaden wieder gutzumachen.

II


Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. nach den Verfahrensregeln und –grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 -).
Die Berufung ist auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt. Der Beamte zieht den angeschuldigten, straf- und disziplinargerichtlich festgestellten Sachverhalt nicht in Zweifel - die Rüge zur Sachverhaltsfeststellung bezieht sich nur auf die Wiedergutmachungshandlung, d.h. mögliche Milderungsgründe - und trägt lediglich Umstände vor, die für die Bemessung der Maßnahme von Bedeutung sein können. Der Senat ist daher an die Tat- und Schuldfeststellungen des Bundesdisziplinargerichts sowie an die disziplinarrechtliche Würdigung als innerdienstliches Dienstvergehen gebunden. Er hat nur noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
1. Die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme durch die Vorinstanz ist nicht zu beanstanden.
a) Das Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Sätze 2 und 3, § 55 Satz 2 BBG) wiegt schwer. Das Bundesdisziplinargericht hat die Handlungsweise des Beamten zutreffend als ein Fehlverhalten gekennzeichnet, das grundsätzlich die Verhängung der Höchstmaßnahme zur Folge hat. Dies folgt hier allerdings - entgegen der Auffassung der Vorinstanz, die die Bemessungsregeln des Betrugs und der Untreue gegenüber Postbenutzern zugrunde gelegt hat - aus der Anwendung der disziplinarrechtlichen Grundsätze, nach denen ein eigennütziger Zugriff auf dienstlich anvertrautes oder dienstlich zugängliches Geld zu ahnden ist.
Die veruntreuten Geldbeträge befanden sich im Gewahrsam der Postbank. Sie wurden dort im Rahmen eines Postbanksparkontos (Fall S.) sowie im Rahmen eines Postbankinvestmentkontos (Fall M.) für die Zeuginnen verwaltet. Die Kundengelder waren auch zur Tatzeit noch im Gewahrsam der Postbank. Dies ergibt sich aus den bindenden Feststellungen des Bundesdisziplinargerichts. Als Gläubigerinnen der Postbank waren die Zeu-
ginnen nicht an einer Auszahlung der angesparten Gelder, sondern an einer weiteren, gewinnbringenden Anlegung dieser Gelder bei dem Geldinstitut interessiert. Dementsprechend fand eine schuldbefreiende Verfügung seitens der Postbank nicht statt.
Über diese im dienstlichen Gewahrsam der Postbank befindlichen Gelder hat der Beamte als Postbankmitarbeiter zu privaten Zwecken unrechtmäßig verfügt:
Im Fall S. nahm der Beamte unmittelbar 48 700 DM Bargeld aus der von ihm verwalteten Postbankkasse, buchte den Betrag widerrechtlich vom Postbanksparkonto der Zeugin ab und verwendete das Geld für sich. Im Fall M. nahm der Beamte kein Bargeld aus der ihm anvertrauten Kasse, sondern zweigte widerrechtlich buchmäßig 25 000 DM von dem Postbank-Investmentkonto der Zeugin, über das ihm im Zusammenhang mit den dienstlich übertragenen Aufgaben Verfügungsmacht eingeräumt war, zur eigenen Verwendung ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats macht es für das berufserforderliche Vertrauen und dessen Beeinträchtigung letztlich keinen Unterschied, ob sich ein Beamter durch unmittelbaren Zugriff auf dienstliche Gelder unrechtmäßig bereichert oder ob er sich - mittelbar - unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten unter Missbrauch ihm dienstlich zugänglicher Zahlungsbelege buchmäßig Geld seines Dienstherrn - hier der Postbank - verschafft, über das er nach Gutschrift auf sein Konto dann frei verfügen kann. In einem solchen Fall hat sich ein Beamter gleichermaßen unredlich erwiesen und im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten schwer versagt. Er kann das Vertrauen seines Dienstherrn nicht mehr beanspruchen. Ein solches pflichtwidriges und strafbares Fehlverhalten führt, wie der damit vergleichbare unmittelbare Zugriff auf dienstlich anvertrautes oder dienstlich zugängliches Geld, regelmäßig zur Entfernung aus dem Dienst (vgl. z.B. Urteil vom 9. April 2002 - BVerwG 1 D 14.01 -; Urteil vom 14. Mai 1997 - BVerwG 1 D 51.96 -; Urteil vom 8. Oktober 1996 - BVerwG 1 D 102.95 -; vgl. auch Urteil vom 7. Juni 1994 - BVerwG 1 D 16.93 -; dazu näher Weiß, in: GKÖD II J 975 Rn. 14, jeweils m.w.N.).
b) Die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses kann in einem derartigen Fall nur in Betracht kommen, wenn ein in der Rechtsprechung anerkannter Milderungsgrund die Annahme rechtfertigt, der Beamte habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Vorgesetzten und der Allgemeinheit nicht endgültig verloren. Im Ergebnis liegt jedoch keiner der in der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe vor.
aa) Dies gilt zunächst für den Milderungsgrund des Handelns zur Milderung oder Abwendung einer unverschuldeten, ausweglosen wirtschaftlichen Notlage. Der Milderungsgrund kann einen Beamten u.a. nur dann zugebilligt werden, wenn der Zugriff insgesamt zu dem Zweck erfolgt ist, eine existenzbedrohende Notlage zu mildern oder abzuwenden. Die Verwendung veruntreuten Geldes zur Begleichung privater Schuldverbindlichkeiten - wie hier - erfüllt nur dann die Voraussetzungen des Milderungsgrundes, wenn es sich um solche Verbindlichkeiten handelt, deren Nichterfüllung den Beamten von den für den notwendigen Lebensbedarf erforderlichen Leistungen abgeschnitten hätte (stRspr, z.B. Urteil vom 28. September 1999 - BVerwG 1 D 42.98 - m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Nach eigenen Angaben hob der Beamte ca. 48 700 DM vom "Sparbuch" S. ab und beglich damit allgemeine Verbindlichkeiten, u.a. ca. 13 000 DM für eine Girokontoauflösung bei der Sparkasse ... Außerdem bezahlte der Beamte mit dem Geld verschiedene Rechnungen (z.B. 7 000 DM an die Firma Q.). 5 000 DM behielt er bar für sich. Auch im Fall M. benutzte der Beamte die 25 000 DM umgehend zur Begleichung fälliger Schulden und
zur Ersatzbeschaffung von Hausrat sowie 5 000 DM zum Kauf eines Gebrauchtwagens.
bb) Auch der Milderungsgrund der Offenbarung des Schadens vor Tatentdeckung kommt dem Beamten nicht zugute. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann die freiwillige, nicht durch Furcht vor Entdeckung bestimmte vollständige und vorbehaltlose Offenbarung des der Postbank zugefügten materiellen Schadens vor Entdeckung der Tat ausnahmsweise die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses des bisher unbescholtenen Beamten zulassen. Voraussetzung für die Annahme des Milderungsgrundes ist aber, dass der Beamte "aus freien Stücken und eigenem Antrieb" gehandelt und damit Persönlichkeitselemente gezeigt hat, die noch ein Restvertrauen in ihn rechtfertigen. Wer die Entdeckung seines Fehlverhaltens konkret befürchten muss, handelt nicht mehr aus eigenem Antrieb (z.B. Urteil vom 27. Juni 2001 - BVerwG 1 D 40.00 - m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Aufgrund betriebsinterner Ermittlungen war am 20. Oktober 2000 der Fall M. bekannt geworden. Am 23. Oktober 2000 hat der Beamte auf Befragen den Fall eingeräumt und auf Nachfrage zugegeben, auch im Fall S. die Postbankkundin in ähnlicher Form betrogen zu haben. Unter diesen Voraussetzungen erfolgte die Offenbarung der Tat nicht mehr freiwillig. Aus seiner Sicht musste der Beamte seine Überführung konkret auch im Falle S. befürchten. Lediglich die bloß abstrakte Möglichkeit, die Tat werde alsbald dem Dienstherrn offenbar werden, reicht nicht aus, den Entschluss zur Offenbarung der Tat als unfreiwillig erscheinen zu lassen (vgl. Urteil vom 5. Oktober 1995 - BVerwG 1 D 31.94 - BVerwGE 103, 177 = DÖV 1995, 288). Zudem wäre eine mildere Disziplinarmaßnahme nur dann gerechtfertigt, wenn der Milderungsgrund für beide Zugriffsakte zur Anwendung käme. Hieran fehlt es, da zum Zeitpunkt der ersten Anhörung des Beamten der Fall M. bereits entdeckt war. Insoweit scheidet deshalb eine Offenbarung als Milderungsgrund von vornherein aus.
cc) Der Beamte kann sich im Hinblick auf den Umstand, dass ihn seine Ehefrau unter Mitnahme des gesamten Hausrats im Mai 2000 unerwartet verlassen hatte, auch nicht mit Erfolg auf den Milderungsgrund des Handels in einer schockartig ausgelösten psychischen Ausnahmesituation stützen. Eine solche Situation wird in aller Regel hervorgerufen durch den plötzlichen, unvorhergesehenen Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der seinerseits - schockbedingt - zur Begehung des Dienstvergehens führt (stRspr, z.B. Urteil vom 11. Juni 2002 - BVerwG 1 D 18.01 - m.w.N.). Der Senat will zwar nicht ausschließen, dass sich der Beamte angesichts des Vorfalls im Mai 2000 bei der Veruntreuung im September 2000 (Fall M.) noch in einem solchen, gegebenenfalls mehrere Monate anhaltenden (vgl. dazu Urteil vom 13. Mai 1997 - BVerwG 1 D 44.96 - m.w.N.) Schockzustand befand. Das angeschuldigte Dienstvergehen ist aber als Einheit zu sehen und kann nicht in einzelne Tatabschnitte zergliedert werden. Die seelische Ausnahmesituation des Beamten bei der zweiten Veruntreuungshandlung wirkt daher nicht auf die davorliegende Unterschlagung im August 1999 (Fall S.) zurück und ergreift diese nicht (vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2002, a.a.O.).
c) Dem Beamten stehen auch keine anderen Umstände maßnahmemildernd zur Seite.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass bei Kernpflichtverletzungen der hier in Rede stehenden Art weder eine lange und im Übrigen unbeanstandete Dienstzeit mit guten dienstlichen Beurteilungen noch die bisherige Unbescholtenheit oder eine nachträgliche Teil-Schadenswiedergutmachung, zu der der Beamte ohnehin zivil- und beamtenrechtlich verpflichtet
ist, ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen können (vgl. Urteil vom 9. April 2002, a.a.O., m.w.N.).
2. Nach alledem muss es bei der vom Bundesdisziplinargericht ausgesprochenen Verhängung der Höchstmaßnahme bleiben. Die Entfernung des Beamten aus dem Dienst ist Folge der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum Dienstherrn. Diese Disziplinarmaßnahme wird hier nicht - wie der Rechtsmittelführer im Hinblick auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung meint - allein aus generalpräventiven Erwägungen ausgesprochen, wenngleich die Maßnahme über ihren (engeren) Zweck hinaus anerkannter Maßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Postbeamtenschaft im Allgemeinen hat (vgl. Urteile vom 17. März 1967 - BVerwG 2 D 5.67 - BVerwGE 33, 9 <10> und vom 29. August 1978 - BVerwG 1 D 98.77 - BVerwGE 63, 120 <122>). Durch die Entfernung des Beamten aus dem Dienst soll seiner Umgebung nachhaltig die Schwere der Verfehlung vor Augen geführt werden.
3. Mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag hat es sein Bewenden. Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern. Diesem Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte in ausreichendem Maße um die Wiederaufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine Art der Sicherung seiner finanziellen Grundlagen bemüht. Der Nachweis dieser Bemühungen ist auch Voraussetzung einer etwaigen Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO (vgl. zur Rechtslage nach dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetz: Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - DÖD 2002, 97 = ZBR 2002, 436).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.