Beschluss vom 27.10.2005 -
BVerwG 3 B 36.05ECLI:DE:BVerwG:2005:271005B3B36.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.10.2005 - 3 B 36.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:271005B3B36.05.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 36.05

  • VGH Baden-Württemberg - 01.10.2004 - AZ: VGH 5 S 1012/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Oktober 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k , Dr. D e t t e und L i e b l e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 und 3, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte durch Ausübung eines "Vorpachtrechts" wirksam in den zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 geschlossenen Werbenutzungsvertrag eingetreten ist. Die Vorinstanzen haben dies auf die entsprechende Feststellungsklage der Klägerin hin verneint.

2 Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

3 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4 1.1 Die Klägerin sieht in erster Linie die Frage als klärungsbedürftig an, ob das Koppelungsverbot des § 56 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG oder ob § 58 Abs. 1 LVwVfG der inhaltlichen Verbindung eines Sondernutzungsvertrages mit einem Vertrag über die Lieferung von Stadtmobiliar eines namentlich benannten Herstellers entgegensteht, wenn gerade durch diese Koppelung die Ausübung des ansonsten bestehenden Vorpachtrechts in Bezug auf den abzuschließenden Sondernutzungsvertrag (Werbenutzungsvertrag) ausgeschlossen wird. Diese Frage rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich zum einen in einem Revisionsverfahren so nicht stellen würde und weil zum anderen die Antwort auf der Hand liegt und nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf.

5 Die Fragestellung der Beklagten verändert den nach dem Urteil des Berufungsberichts relevanten Sachverhalt insofern, als das Berufungsgericht entscheidungserheblich auf die Verpflichtung zur Lieferung von Stadtmobiliar in einer bestimmten Produkt- und Designlinie und nicht auf die Verpflichtung zur Lieferung von Produkten eines bestimmten Herstellers abgestellt hat. Nur mit diesem Inhalt könnte die Frage daher auch Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein.

6 Es liegt aber auf der Hand, dass die Zusammenfassung der Vereinbarung über die Erteilung von Sondernutzungsgenehmigungen für Werbeanlagen im Straßenraum mit der Verpflichtung, bei dieser Werbung Stadtmobiliar einer bestimmten Produkt- und Designlinie einzusetzen, nicht gegen das Koppelungsverbot verstößt. Dieses beinhaltet nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG, dass bei einem öffentlich-rechtlichen Austauschvertrag die Gegenleistung im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen muss. Dieser sachliche Zusammenhang ergibt sich vorliegend aus § 16 des Straßengesetzes für Baden-Württemberg (StrG). Das Berufungsgericht hat entschieden, dass die zuständige Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis im Rahmen des ihr nach § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG eingeräumten Ermessens insbesondere auch stadtgestalterische Gesichtspunkte zur Geltung bringen kann. Diese Auslegung bindet nach § 137 Abs. 1 VwGO das Revisionsgericht, da es sich um nicht revisibles Landesrecht handelt. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Gestaltung des Werbemobiliars (u.a. Fahrgastunterstände, Litfaßsäulen, Plakatständer, WC-Häuschen) von erheblicher Bedeutung für das Stadtbild ist. Auch diese Feststellung ist, weil den Tatsachenbereich betreffend, für das Revisionsgericht bindend. Ihre Richtigkeit ist im Übrigen offenkundig. Auf dieser Grundlage steht außer Zweifel, dass nach der maßgeblichen landesrechtlichen Regelung ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Sondernutzungserlaubnis für Werbemobiliar im Straßenraum und der gestalterischen Einflussnahme der Erlaubnisbehörde auf dieses Werbemobiliar besteht.

7 Welche Rolle in diesem Zusammenhang das "Vorpachtrecht" der Beklagten aus ihrem ausgelaufenen früheren Werbenutzungsvertrag mit der Beigeladenen zu 1 haben soll, ist schlechterdings nicht erkennbar. Die nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG erforderliche Feststellung, ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen der behördlichen Leistung und der versprochenen Gegenleistung besteht, hat mit dem Bestehen eines etwaigen Eintrittsrechts eines Dritten in den Vertrag nichts zu tun.

8 Ebenso wenig ist die Auffassung der Beklagten nachvollziehbar, der Werbenutzungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 sei wegen fehlender Zustimmung der Beklagten nach § 58 Abs. 1 LVwVfG unwirksam. Nach dieser Bestimmung wird ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 greift nicht in Rechte der Beklagten ein. Insbesondere beseitigt er nicht das Eintrittsrecht der Beklagten, wie diese meint. Das Eintrittsrecht aus dem früheren Werbenutzungsvertrag war vielmehr von vornherein dahin beschränkt, dass es nicht für Verträge galt, deren Erfüllung der Beklagten unmöglich sein würde. Liegt diese Voraussetzung vor, so entfaltet das Eintrittsrecht keine Wirkung. Es wird aber nicht durch den Abschluss des für den Eintrittsberechtigten unerfüllbaren Vertrages beseitigt.

9 1.2 Grundsätzliche Bedeutung erhält die Rechtssache auch nicht durch die von der Beklagten weiter aufgeworfene Frage, ob eine Verletzung des Transparenzgebotes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt, wenn wesentliche Entscheidungskriterien (hier: einheitliches Gestaltungskonzept für Stadtmöblierung) aus den Ausschreibungsunterlagen nicht ersichtlich sind und auf ihrer Grundlage später einem Konkurrenten der Zuschlag erteilt wird. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, wie weit die von der Beklagten benannten Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung bei einer Entscheidung wie der hier streitigen über den Abschluss eines Werbenutzungsvertrages überhaupt rechtlich relevant sind. Darauf kommt es nicht an, weil eine Verletzung der genannten Grundsätze hier offenkundig ausscheidet. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beigeladene zu 1 schon in der Aufforderung zur Einreichung von Angeboten deutlich gemacht, dass stadtgestalterische Gesichtspunkte bei der Auswahl des Vertragspartners eine erhebliche Bedeutung haben sollten und dass der wirtschaftliche Ertrag für die Stadt nicht entscheidend sei. Diese Zielsetzung stand unverkennbar auch hinter der Aufforderung an drei verbliebene Bewerber - darunter die Klägerin und die Beklagte - ihre Werbeeinrichtungen zu Demonstrationszwecken an einem Tag auf dem Marktplatz aufzubauen. Der im Berufungsurteil wiedergegebene Entscheidungsprozess der Stadt belegt, dass in erster Linie diese Demonstrationsveranstaltung zum Vertragsabschluss mit der Klägerin geführt hat und dass dabei die von der Klägerin angebotene einheitliche Produkt- und Designlinie sämtlicher Werbemöbel von erheblichem Gewicht war. Dieser Gesichtspunkt war folglich eine Erkenntnis, die erst aus dem Auswahlverfahren erwachsen ist und keine von vornherein bestehende, den Bewerbern aber nicht bekannt gegebene Zuschlagsvoraussetzung. Es war der Beigeladenen zu 1 gar nicht möglich, eine entsprechende Forderung schon in den Ausschreibungsunterlagen zu benennen. Das verbietet es, im Unterbleiben eines entsprechenden Hinweises eine Verletzung des Transparenzgebotes oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu sehen.

10 1.3 Ohne grundsätzliche Bedeutung ist schließlich die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob ein berechtigtes Feststellungsinteresse oder ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage besteht, mit der der Kläger die Feststellung begehrt, dass durch die Ausübung eines Vorpachtrechts anstelle des zwischen ihm und einem Dritten geschlossenen Vertrags kein Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Dritten zustande gekommen sei, wenn bereits der Vertrag zwischen dem Kläger und dem Dritten, den sich der Kläger erhalten möchte, unwirksam ist. Diese Frage bedarf schon deshalb nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie von einer nicht gegebenen Voraussetzung ausgeht. Da die Einwände der Beklagten gegen die Wirksamkeit des Vertrages zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1, wie vorstehend dargelegt, nicht durchgreifen, fehlt es an der in der Frage vorausgesetzten Nichtigkeit dieses Vertrages.

11 2. Die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen gehen ebenfalls fehl.

12 2.1 Einen Verfahrensfehler sieht die Beklagte in der mangelnden Aufklärung des Schutzumfangs bestehender Geschmacksmusterrechte. Damit dringt sie jedoch aus zwei Gründen nicht durch. Zum einen richtet sich die Rüge nicht gegen eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung und damit gegen eine Verletzung des § 86 VwGO; vielmehr zielt sie darauf, dass das Berufungsgericht den Schutzbereich von Geschmacksmusterrechten nicht kritisch in den Blick genommen habe. Damit beanstandet die Beklagte eine fehlerhafte - weil unvollständige - Rechtsanwendung. Dies ist aber kein Verfahrensfehler. Zum anderen geht die Rüge auch deshalb fehl, weil der Umfang des Geschmacksmusterschutzes für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich war. Entscheidungserheblich war vielmehr, dass die Beklagte jedenfalls die zwischen Klägerin und Beigeladener zu 1 vereinbarte Produktlinie "Helios" nicht liefern konnte.

13 2.2 Auch der Vorwurf, das Berufungsgericht hätte klären müssen, ob die Beklagte einen Anspruch gegen die Klägerin auf Belieferung mit Einrichtungen der Produktlinie "Helios" hätte, führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Auch insoweit richtet sich die Rüge auf eine unrichtige - weil unvollständige - Rechtsanwendung. Dies ist kein Verfahrensfehler. Im Übrigen stellt das Berufungsgericht fest, es sei unstreitig, dass die Beklagte die vertraglich festgelegten Werbeeinrichtungen nicht bereitstellen könne. Selbst wenn die Rüge der mangelnden Aufklärung eine Tatsachenfrage zum Gegenstand hätte, wäre bei dieser Konstellation ein Aufklärungsmangel zu verneinen. In einer zwischen den Beteiligten unstreitigen Frage brauchte sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit weiterer Aufklärungen nicht aufzudrängen.

14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.