Beschluss vom 27.08.2003 -
BVerwG 7 B 53.03ECLI:DE:BVerwG:2003:270803B7B53.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.08.2003 - 7 B 53.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:270803B7B53.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 53.03

  • VG Berlin - 25.02.2003 - AZ: VG 9 A 266/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 338 577 € festgesetzt.

Die Klägerinnen begehren aus abgetretenem Recht die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks, das im Jahre 1976 nach § 10 des Verteidigungsgesetzes DDR in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt worden ist. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Inanspruchnahme des Grundstücks keine unlautere Machenschaft dargestellt habe: Das Grundstück sei für Unterbringungszwecke in Anspruch genommen worden; eine Inanspruchnahme hierfür sei von der Rechtsgrundlage § 10 Verteidigungsgesetz gedeckt gewesen. Der angegebene Zweck der Inanspruchnahme sei nicht nur vorgeschoben worden. Das enteignete Grundstück sei tatsächlich für Unterbringungszwecke genutzt worden. Es sei zunächst von der Witwe des Generalmajors ... bewohnt, später als Gästehaus genutzt worden. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerinnen ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Für klärungsbedürftig halten die Klägerinnen die Frage,
ob die auf § 10 Verteidigungsgesetz DDR gestützte Enteignung eines Grundstücks machtmissbräuchlich im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG war, wenn
a) ein konkreter Enteignungszweck im Zeitpunkt der Inanspruchnahme nicht vorgelegen hat,
b) das Grundstück zu dem Zweck enteignet wurde,
(1) eine Privatperson weiterhin unterzubringen, die im Zeitpunkt der Inanspruchnahme aufgrund eines Mietvertrages zur unbefristeten Nutzung des Grundstücks berechtigt war,
(2) und beabsichtigt war, das Grundstück "irgendwann" (nach dem Tode der Mieterin) für die Unterbringung von "Gästen" zu nutzen.
Die Frage ist in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie setzt einen Sachverhalt voraus, den das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts lag im Zeitpunkt der Inanspruchnahme ein konkreter Enteignungszweck vor, der nicht nur vorgeschoben war und der von der herangezogenen Rechtsgrundlage gedeckt war. Das Grundstück ist nach der tatsächlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts allgemein für Unterbringungszwecke in Anspruch genommen worden; darunter hat das Verwaltungsgericht sowohl die Versorgung von Angehörigen der NVA und ihrer Hinterbliebenen mit Wohnraum als auch eine Nutzung als Gästehaus verstanden.
Das Verwaltungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass das Grundstück nicht beschränkt auf eine konkrete Belegung des Gebäudes in Anspruch genommen wurde. Der Enteignung lagen nach dem Verständnis des Verwaltungsgerichts nicht zwei verschiedene und zeitlich nacheinander verwirklichte Zwecke zugrunde. Für das Verwaltungsgericht stellte sich deshalb nicht die Frage, ob sich die Inanspruchnahme mit Blick auf die spätere Nutzung als Gästehaus als Enteignung auf Vorrat darstellt. Die Nutzung als Wohnung für Angehörige der NVA und ihre Hinterbliebenen sowie die Nutzung als Gästehaus waren in seiner Sicht nur zwei Erscheinungsformen des einen Enteignungszwecks "Unterbringung".
Die Angriffe der Klägerinnen richten sich in Wirklichkeit gegen die tatsächliche Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass mit der Inanspruchnahme des Grundstücks dieser weit gefasste Enteignungszweck verfolgt wurde, und die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das Verteidigungsgesetz DDR eine Inanspruchnahme zu einem so weit gefassten Zweck zugelassen habe. Das vor oder mit dem Beitritt ausgelaufene Recht der DDR, und damit auch die Vorschrift des § 10 Verteidigungsgesetz, gehört aber nicht zum revisiblen Recht. Die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen ist wie bei ausländischem Recht revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung zu behandeln. Sie ist deshalb den Tatsachengerichten vorbehalten (Urteil vom 9. März 1999 - BVerwG 3 C 21.98 - Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 21). Dass weiterer rechtlicher Klärungsbedarf mit Blick auf die revisible Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG besteht, zeigen die Klägerinnen nicht auf.
2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat nicht seine Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO). Es hatte keinen Anlass, der Frage weiter nachzugehen, ob die in dem enteigneten Objekt wohnende ... die Witwe des Generalmajors ... und damit Hinterbliebene eines Angehörigen der NVA war. Das Verwaltungsgericht ist aufgrund der Angaben des Beigeladenen zu 2 in dessen Schriftsatz vom 6. Februar 2002 und in der mündlichen Verhandlung davon ausgegangen, dass es sich bei dem aktenkundigen Mieter ... um einen früheren Generalmajor der NVA gehandelt hat. Die Klägerinnen legen nicht dar, aus welchem Grund sich dem Verwaltungsgericht Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben und damit die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen aufdrängen musste und welche Ermittlungen hierfür in Betracht gekommen wären.
Ebenso wenig ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerinnen, dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang den Grundsatz der freien Beweiswürdigung in einer Weise verletzt hat, die einen Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ergibt. Dass das Verwaltungsgericht die Angaben des Beigeladenen für seine Überzeugungsbildung für ausreichend und in der Sache zutreffend gehalten hat, betrifft die mit der Verfahrensrüge nicht angreifbare Beweiswürdigung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.