Beschluss vom 27.05.2009 -
BVerwG 1 WB 47.08ECLI:DE:BVerwG:2009:270509B1WB47.08.0

Leitsätze:

-

1.  Zur Beurteilungszuständigkeit bei vorgezogenen Beurteilungen wegen Versetzung des zu beurteilenden Soldaten.

  • Rechtsquellen
    SLV § 2
    ZDv 20/6 Nr. 203, 301 und 906

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.05.2009 - 1 WB 47.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:270509B1WB47.08.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 47.08

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Reiner und
den ehrenamtlichen Richter Major Holz
am 27. Mai 2009 beschlossen:

  1. Die Stellungnahme des Stellvertretenden Befehlshabers und Chefs des Stabes des Kommandos ... vom 11. Oktober 2007 zu der planmäßigen Beurteilung des Antragstellers vom 9. August 2007 wird in vollem Umfang, die Beschwerdebescheide des Befehlshabers des Kommandos ... vom 8. Januar 2008 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 24. April 2008 werden insoweit aufgehoben, als sie die vorgenannte Stellungnahme des Stellvertretenden Befehlshabers und Chefs des Stabes des Kommandos ... betreffen.
  2. Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis wird verpflichtet, eine Neufassung der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu der planmäßigen Beurteilung des Antragstellers vom 9. August 2007 zu veranlassen.
  3. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
  4. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine planmäßige Beurteilung und die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu dieser Beurteilung.

2 Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 31. August 2018 enden wird. Er wurde am 11. November 2004 zum Oberstleutnant ernannt und mit Wirkung vom 1. September 2004 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 eingewiesen. Zum 1. Februar 2006 mit Dienstantritt am 6. März 2006 wurde er auf den Dienstposten Nachschubstabsoffizier und Gefahrgutbeauftragter zum Stab des Kommandos ... in U. versetzt. Zum 1. Januar 2007 mit Dienstantritt am 17. April 2007 wurde er zum Stab Division ... in V. versetzt. Dort nimmt er den Dienstposten des Dezernatsleiters ... in der Abteilung G 4 wahr.

3 In den planmäßigen Beurteilungen zum 30. September 2003 und zum 30. September 2005 erhielt der Antragsteller jeweils - von den nächsthöheren Vorgesetzten bestätigte - Verwendungsvorschläge auch für Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15.

4 Am 9. August 2007 erstellte der Abteilungsleiter J 4 im Stab des Kommandos ... für den Antragsteller eine planmäßige Beurteilung, die er im Beurteilungsvordruck unter Nr. 1.1 mit dem Zusatz „Nr. 203 a zum 30.09.2007“ versah. Im Abschnitt 5 (Verwendung) bezeichnete er den Antragsteller unter anderem für Stabsverwendungen im ...kommando als besonders gut geeignet und für Verwendungen mit besonderer Spezialisierung als außergewöhnlich gut geeignet. Als Folgeverwendung schlug der beurteilende Vorgesetzte „G 4 StOffz auf Divisionsebene (bereits verfügt)“ und als Verwendung auf weitere Sicht „Dezernatsleiter ...kommando (A 15)“ vor. Diese Beurteilung wurde dem Antragsteller am 9. August 2007 unter Aushändigung einer Ausfertigung eröffnet.

5 Zu der Beurteilung nahm der Stellvertretende Befehlshaber und Chef des Stabes des Kommandos ... als nächsthöherer Vorgesetzter am 11. Oktober 2007 Stellung. Im Abschnitt 8.2 (zu den Abschnitten 3. bis 5. sowie ggf. 7. und beigefügten Beurteilungsbeiträgen) führte er aus:
„Oberstleutnant X ist ein Fachmann auf dem Gebiet der Erarbeitung logistischer Konzepte im nationalen wie internationalen Bereich. Er verfügt über breite praktische Erfahrungen, hohe fachliche Kompetenz und versteht es geschickt, eigenständig zu arbeiten und dabei seine Vorgesetzten über alle relevanten Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Zuverlässigkeit, sauberer Vortrag und Weitblick sind Kennzeichen seiner Arbeit. Seine Einsatzfreude und sein Gestaltungswille sind hervorzuheben.“

6 Im Abschnitt 8.3 bestätigte der Stellvertretende Befehlshaber den aus dem Beurteilungsabschnitt 3.1 ermittelten Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 5,80.

7 Im Abschnitt 8.4 (Aussagen zum Potenzial, Begründung der Entwicklungsprognose) legte er dar:
„Oberstleutnant X hat sich bereits nach kurzer Zeit in der für ihn neuen Umgebung eines teilstreitkraftübergreifenden und multinationalen Stabes zurechtgefunden und sich in die Arbeitsprozesse eines operativen Hauptquartiers integrieren können.
Sein Aus- und Weiterbildungsbestreben war klar erkennbar und wurde von mir geschätzt. Ich unterstütze die sehr weitreichenden Verwendungsvorschläge in seiner Beurteilung, weise jedoch darauf hin, dass eine Verwendung auf der A 15-Ebene noch der Bestätigung in seiner neuen Verwendung als Dezernatsleiter ... in der G 4-Abteilung der Division ... bedarf“.

8 Im Abschnitt 8.5 (Entwicklungsprognose) kreuzte der Stellvertretende Befehlshaber das Feld „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ an. Die Stellungnahme wurde dem Antragsteller am 19. November 2007 eröffnet.

9 Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29. November 2007 legte der Antragsteller gegen die Beurteilung und gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten Beschwerde ein. Er machte insbesondere geltend, die Aussagen der Beurteilung zu seiner Verwendung in der Besoldungsgruppe A 15 seien widersprüchlich und nicht aufgrund eigener Feststellungen der Beurteilenden getroffen worden. In seinen planmäßigen Beurteilungen 2003 und 2005 habe er jeweils den Perspektivvorschlag für die Besoldungsgruppe A 15 erhalten. Dies sei ihm auch am 9. August 2007 durch seinen beurteilenden Vorgesetzten bestätigt worden. In den Erörterungsgesprächen zu der angefochtenen Beurteilung und Stellungnahme hätten ihm die beurteilenden Vorgesetzten mitgeteilt, über den Hinweis auf den Vorbehalt einer Bestätigung seiner Förderungstendenz in der neuen Verwendung im Stab der Division ... könne nicht hinausgegangen werden. Das gehe auf eine Anweisung des Befehlshabers des Kommandos ... zurück. Er, der Antragsteller, habe bereits im Erörterungsgespräch darauf hingewiesen, dass er diesen Satz für änderungsbedürftig halte, weil er im Widerspruch zu seiner Leistung stehe. Dem sei jedoch nicht entsprochen worden. Stattdessen habe man ihm mitgeteilt, im Vorfeld habe der Befehlshaber festgelegt, welche Stabsoffiziere des Kommandos durch ihn eine positive weitere Bestätigung oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive erhalten würden und welche nicht. An diese Vorgaben hätten sich die Erstbeurteiler sowie der Stellvertretende Befehlshaber halten müssen. Wenn - wie hier - die beurteilenden Vorgesetzten keine eigenen Einschätzungen abgäben, folge daraus ein Verstoß gegen die Vorschriften in Nr. 401 ff. ZDv 20/6. Denn nach Nr. 404 ZDv 20/6 hätten die Beurteilenden eigene Feststellungen zu treffen. Darüber hinaus sei die Beurteilung in sich widersprüchlich und verstoße auch damit gegen Nr. 401 ZDv 20/6. Denn der stellungnehmende Vorgesetzte habe in Abschnitt 8.5 lediglich die individuelle Laufbahnperspektive als erreicht bezeichnet, in Abschnitt 8.4 aber in der Begründung der Entwicklungsperspektive weiterreichende Verwendungsvorschläge unterstützt.

10 Der Befehlshaber des Kommandos ... wies die Beschwerde mit Beschwerdebescheid vom 8. Januar 2008 zurück. Die dagegen eingelegte weitere Beschwerde des Antragstellers vom 25. Januar 2008 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Beschwerdebescheid vom 24. April 2008 zurück.

11 Gegen diese ihm am 28. April 2008 eröffnete Entscheidung richtet sich der Antrag des Antragstellers auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2008. Diesen Antrag hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 9. Juni 2008 dem Senat vorgelegt.

12 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
In der angefochtenen Beurteilung habe er erstmals nicht den Perspektivvorschlag A 15 erhalten. Angesichts seiner vorangegangenen Beurteilungen sehe er darin einen Widerspruch; die Beurteilung zeichne kein objektives Bild seiner dienstlichen Leistung und Eignung. Die Äußerungen des Stellvertretenden Befehlshabers in den Abschnitten 8.4 und 8.5 seien in sich widersprüchlich. Ein Beurteilungsgespräch habe nicht stattgefunden. Aus der vorgelegten Liste der Personalführung über die Leistungseinschätzung sämtlicher Oberstleutnante A 14 und Majore des Kommandos ... ergebe sich im Übrigen, dass kein objektiv nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen Leistungsbewertung und Perspektivvorschlag bestehe. Wenn die Eignungs- und Leistungsbewertung bei den Perspektivkonferenzen und Verwendungsauswahlverfahren nicht maßgeblich berücksichtigt würden, sei das Ziel von Beurteilungen verfehlt.

13 Der Antragsteller beantragt,
die dienstliche Beurteilung vom 9. August 2007 sowie die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 11. Oktober 2007 zu dieser Beurteilung aufzuheben und den Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, erneut beurteilen zu lassen.

14 Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

15 Hinsichtlich der Beurteilung vom 9. August 2007 sei der Antrag unbegründet, weil der Antragsteller gegen diese Maßnahme nicht rechtzeitig Beschwerde eingelegt habe. Die Beurteilung sei damit bestandskräftig geworden. Zu Unrecht rüge der Antragsteller, dass der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten kein eigenes Werturteil zugrunde liege. Gute Leistungen für sich allein begründeten keine Aussagen über eine mögliche Förderung des beurteilten Soldaten; dies ergebe sich erst aus dem Vergleich mit anderen Beurteilten. Der Stellvertretende Befehlshaber und Chef des Stabes sei als nächsthöherer Vorgesetzter gehalten gewesen, seine Stellungnahme nur aufgrund einer vergleichenden Betrachtung abzufassen, die nach der gültigen Beurteilungsvorschrift vor der Erstellung der Beurteilung in der Dienststelle abzustimmen gewesen sei. Darin liege keine bloße Umsetzung einer Vorgabe höherer Vorgesetzter ohne eigenes Werturteil. Wenn der nächsthöhere Vorgesetzte im Rahmen des Abstimmungsprozesses zu der Erkenntnis gelange, dass der Antragsteller derzeit nicht über eine Eignung für A 15-Verwendungen verfüge, stelle dies gerade sein Werturteil dar. Zu Unrecht behaupte der Antragsteller Widersprüche zwischen der Bewertung der Eignung für eine A 15-Verwendung und den Bemerkungen im Abschnitt 8.4 der Stellungnahme. Mit seiner Formulierung, dass er die Verwendungsvorschläge stütze, dies aber nur mit der einschränkenden Maßgabe, „dass eine Verwendung auf der A 15-Ebene noch der Bestätigung in seiner neuen Verwendung als Dezernatsleiter ... in der G 4-Abteilung der Division ... bedarf“, habe der stellungnehmende Vorgesetzte deutlich gemacht, dass er den Antragsteller derzeit nicht als Kandidaten für die Besoldungsgruppe A 15 ansehe. Deshalb sei das Ankreuzen des Kästchens „Allgemeine (gemeint: Individuelle) Laufbahnperspektive erreicht“ folgerichtig und nicht widersprüchlich. Der Hinweis auf erkennbare Ansätze für eine mögliche Eignung des Antragstellers für eine A 15-Verwendung zu einem späteren Zeitpunkt habe sowohl dem Antragsteller als auch künftigen Vorgesetzten zur Information dienen sollen und sei vor dem Hintergrund sachgerecht, dass eine Beurteilung lediglich eine Momentaufnahme darstelle. Einen Anspruch auf Fortschreibung bestimmte Wertungen aus früheren Beurteilungen habe der Antragsteller nicht.

16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis - Fü S/RB 25-05-11 8.08 und 36.08 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

17 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.

18 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellen sowohl eine dienstliche Beurteilung als auch die Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten zu der Beurteilung eines Soldaten jeweils selbstständig anfechtbare Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1 WBO dar (vgl. u.a. Beschlüsse vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 23.05 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 7 >, vom 20. September 2006 - BVerwG 1 WB 12.06 -, vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 10> und vom 15. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 70.08 -). Der Verpflichtungsantrag ist im Hinblick auf Nr. 1202 Buchst. a ZDv 20/6 ebenfalls zulässig.

19 1. Soweit der Antragsteller die Aufhebung der dienstlichen Beurteilung vom 9. August 2007 begehrt, ist der Antrag unbegründet.

20 Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Aufhebung und Neufassung dieser Beurteilung, weil er es versäumt hat, rechtzeitig gegen sie Beschwerde einzulegen. Die Beurteilung ist damit unanfechtbar geworden. Das wird in den angefochtenen Beschwerdebescheiden vom 8. Januar 2008 und vom 24. April 2008 zutreffend festgestellt.

21 Für Beurteilungen sowie für die Stellungnahmen der nächsthöheren Vorgesetzten, gegebenenfalls weiterer höherer Vorgesetzter, laufen getrennte Beschwerdefristen nach der jeweiligen Eröffnung (stRspr, z.B. Beschlüsse vom 2. April 1996 - BVerwG 1 WB 108.94 - Buchholz 311 § 6 WBO Nr. 1, vom 12. Mai 2005 - BVerwG 1 WB 11.05 - und vom 20. September 2006 - BVerwG 1 WB 12.06 - jeweils m.w.N.). Nach Ablauf der gesetzlichen Beschwerdefrist werden die Beurteilungen und die Stellungnahmen unanfechtbar (vgl. auch Nr. 1103 Buchst. a ZDv 20/6).

22 Entsprechend den Vorgaben in § 2 Abs. 1 Satz 2 SLV und § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 701 ZDv 20/6 wurde dem Antragsteller die Beurteilung vom 9. August 2007 ausweislich seiner persönlichen Bestätigung am selben Tag eröffnet. Damit endete die Beschwerdefrist nach der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 23. August 2007. Die auf den 29. November 2007 datierte und am 4. Dezember 2007 beim Befehlshaber des Kommandos ... eingegangene Beschwerde des Antragstellers hält die maßgebliche Beschwerdefrist nicht ein.

23 Es ist nicht ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht, dass dieser an der Einhaltung der Frist im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO durch militärischen Dienst, Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert war. Es liegt auch kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Die Beurteilung bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme keiner Rechtsbehelfsbelehrung (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB 90.00 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 12 und vom 14. Juli 2005 - BVerwG 1 WB 49.04 - m.w.N.). Eine derartige Belehrungspflicht gilt nur bei Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung, gegen die allein der Antrag auf gerichtliche Entscheidung statthaft ist (stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 20. Januar 2009 - BVerwG 1 WB 38.08 - m.w.N.).

24 2. Hinsichtlich der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom 11. Oktober 2007 ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hingegen begründet. Diese Stellungnahme und die angefochtenen Beschwerdebescheide, soweit sie die Stellungnahme betreffen, sind rechtswidrig und verletzen den Antragsteller in seinen Rechten.

25 Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers beurteilt sich nach den „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“ (ZDv 20/6) in der Fassung vom 17. Januar 2007, denn maßgeblich ist insoweit, welche Beurteilungsvorschriften am Beurteilungsstichtag (hier 30. September 2007) gelten (stRspr, Beschluss vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 10.03 - BVerwGE 118, 197 = Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr. 2 m.w.N.).

26 Dienstliche Beurteilungen und hierzu abgegebene Stellungnahmen sind gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar, weil den beurteilenden Vorgesetzten bei ihrem Werturteil über die Eignung, Befähigung und Leistung des zu beurteilenden Soldaten ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Beurteilende bzw. der stellungnehmende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Wenn das Bundesministerium der Verteidigung auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV ermessenslenkende Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, kann das Gericht bei gegebenem Anlass ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und mit den gesetzlichen Regelungen, speziell mit denen der Soldatenlaufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und mit sonstigen (höherrangigen) Rechtsvorschriften im Einklang stehen (stRspr, Beschlüsse vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 15 und vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 2.04 - ZBR 2005, 313).

27 Zwar bestehen gegen die angegriffene Stellungnahme insofern keine formellen Bedenken, als sie (noch) durch den Stellvertretenden Befehlshaber und Chef des Stabes des Kommandos ... und nicht durch den nächsthöheren Vorgesetzten des Antragstellers bei der Division ... abgefasst worden ist.

28 Nach Nr. 301 Buchst. b ZDv 20/6 sind Stellungnahmen zu Beurteilungen grundsätzlich durch die zum Vorlagetermin zuständigen nächsthöheren Vorgesetzten zu erstellen. Dies sind im Regelfall die nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten, im Falle des Antragstellers dessen nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter bei der Division ... Nr. 301 Buchst. c ZDv 20/6 bestimmt jedoch, dass die Zuständigkeit bei dem bisherigen Vorgesetzten bleibt, wenn die Beurteilung entsprechend der Nr. 203 Buchst. d bis Buchst. g vorzuziehen ist bzw. vorzuziehen gewesen wäre. Nach Nr. 203 Buchst. d letzter Satz ZDv 20/6 bleibt es in den Fällen einer vorzuziehenden Beurteilung bei den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Zuständigkeiten auch für die Stellungnahmen.

29 Die Beurteilung des Antragstellers vom 9. August 2007 bezeichnet sich in Abschnitt 1.1 als planmäßige Beurteilung nach „ZDv 20/6 Nr. 203a zum 30.09.2007“. Bei dieser Bezeichnung handelt es sich ersichtlich um ein Versehen, denn planmäßige Beurteilungen, die weder vorgezogen noch aufgeschoben, sondern zeitgerecht zu den Vorlageterminen nach Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 erstellt werden, erhalten außer dem Hinweis auf den maßgeblichen Vorlagetermin grundsätzlich keinen weiteren Zusatz im Abschnitt 1.1 des Beurteilungsvordrucks. Gemeint ist hier offensichtlich, dass der beurteilende Vorgesetzte die planmäßige Beurteilung des Antragstellers im Hinblick auf dessen Versetzung zum Stab der Division ... gemäß Nr. 203 Buchst. d ZDv 20/6 vorziehen wollte. Hiernach ist die Beurteilung (mit der angegriffenen Stellungnahme) als vorgezogene Beurteilung zu qualifizieren.

30 Sie erfüllt die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Nr. 203 Buchst. d ZDv 20/6 für das Vorziehen ohne eine Entscheidung der personalbearbeitenden Stelle. Danach ist eine Beurteilung (unter anderem) vorzuziehen, wenn die beurteilungspflichtigen Vorgesetzten oder die zu Beurteilenden innerhalb von sechs Monaten vor dem Vorlagetermin einer planmäßigen Beurteilung versetzt werden. In einem solchen Fall ist die Beurteilung nicht erst zum Vorlagetermin von dem dann zuständigen (neuen) Vorgesetzten zu erstellen, sondern die Erstellung und Eröffnung ist auf den Termin der Versetzung von dem bis dahin zuständigen Vorgesetzten vorzuziehen. Damit soll erreicht werden, dass der weitaus umfassendere Teil des Beurteilungszeitraums von zwei Jahren zwischen der letzten und der spätestens in sechs Monaten vorzulegenden planmäßigen Beurteilung noch von dem bisherigen Vorgesetzten mit einer Beurteilung abgedeckt werden kann (ebenso schon Beschluss vom 20. Mai 1992 - BVerwG 1 WB 115.91 - NZWehrr 1994, 248).

31 Der Begriff der Versetzung in Nr. 203 Buchst. d 1. Spiegelstrich ZDv 20/6 bestimmt sich im systematischen Kontext zu der Vorschrift in Nr. 301 ZDv 20/6 und in Verbindung mit der Regelung in Nr. 12 Abs. 1 ZDv 14/5 Teil B 171 nicht nach dem in der Versetzungsverfügung genannten Versetzungsstichtag, sondern nach dem Termin des Dienstantritts. Denn nach Nr. 12 Abs. 1 ZDv 14/5 Teil B 171 (in der Fassung vom 1. Januar 2007) werden angeordnete Versetzungen mit dem Tag des tatsächlichen Dienstantritts für die Rechtsstellung eines Soldaten oder einer Soldatin wirksam. Auch im Bereich der Beurteilungen ist für die Rechtsstellung eines versetzten Soldaten der Tag des Dienstantritts maßgeblich, denn erst an diesem Tag wechselt das Unterstellungsverhältnis, das entscheidend für die Bestimmung des Vorgesetzten ist, der die Beurteilung oder die Stellungnahme zu verfassen hat. Diese Anknüpfung an das Unterstellungsverhältnis prägt auch die Bestimmung in Nr. 203 Buchst. d 6. Spiegelstrich ZDv 20/6.

32 Der Dienstantrittstermin des Antragstellers beim Stab der Division ... am 17. April 2007 liegt innerhalb von sechs Monaten vor dem Vorlagetermin 30. September 2007. Damit blieb die Zuständigkeit der bisherigen Vorgesetzten des Antragstellers im Kommando ... für die Erstellung der Beurteilung und der Stellungnahme erhalten.

33 Diese Beurteilungszuständigkeit hat sich nicht durch den Umstand verändert, dass die vorgezogene Erstellung der Beurteilung hier unterblieben ist und die Beurteilung erst am 9. August 2007 gefertigt wurde. Für den Fall, dass die vorgezogene Beurteilungserstellung versäumt wurde, ordnet Nr. 203 Buchst. f ZDv 20/6 die Fortgeltung der bisherigen Beurteilungszuständigkeit an. Diese Vorschrift wird nach Auskunft des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 12. Mai 2009 in ständiger Verwaltungspraxis nicht nur auf den (nach dem Wortlaut geregelten) Fall der Versetzung des beurteilungspflichtigen Vorgesetzten, sondern in gleicher Weise auf den Fall der Versetzung des zu beurteilenden Soldaten angewandt. Dem ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. In seinem Beurteilungsverfahren hat man diese ständige Verwaltungspraxis ebenfalls eingehalten. Sie korrespondiert im Übrigen inhaltlich mit der Vorschrift in Nr. 301 Buchst. c ZDv 20/6, die ausdrücklich die Beurteilungszuständigkeit des bisherigen Vorgesetzten auch dann aufrecht erhält, wenn die Beurteilung nach Nr. 203 Buchst. d bis Buchst. g ZDv 20/6 „vorzuziehen gewesen wäre“; mit dieser erweiterten Formulierung erfasst der Geltungsbereich der Nr. 301 Buchst. c ZDv 20/6 den Fall der Versäumung der vorgezogenen Beurteilungserstellung und bestimmt zugleich mit der inkorporierten Regelung der Nr. 203 Buchst. d letzter Satz ZDv 20/6, dass bei dieser Sachlage auch die Zuständigkeit der bisherigen Vorgesetzten für die Stellungnahme weiter besteht.

34 Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, der nächsthöhere Vorgesetzte habe vom Stab der Division ... einen Beurteilungsbeitrag für die Zeit vom 17. April bis zum 9. August 2007 anfordern müssen. Insoweit beruht die angefochtene Stellungnahme nicht auf einem unvollständig erfassten Sachverhalt, denn diese Zeitspanne liegt außerhalb des verpflichtend zu berücksichtigenden Beurteilungszeitraums.

35 Grundsätzlich wird die Beurteilung des Leistungs- und Persönlichkeitsbildes eines Soldaten in zeitlicher Hinsicht durch den Beurteilungszeitraum bestimmt und begrenzt (Nr. 406 Buchst. a Satz 1 ZDv 20/6). Der Beurteilungszeitraum ist in Nr. 406 Buchst. a Satz 2 ZDv 20/6 generell so definiert, dass er - mit Ausnahme von nachträglich zu erstellenden Beurteilungen und Laufbahnbeurteilungen - mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem die vorherige Beurteilung von der oder von dem zuständigen Vorgesetzten unterschrieben wurde, und mit der Unterschrift der oder des beurteilenden Vorgesetzten in der anstehenden Beurteilung endet. Zwar sind die nächsthöheren Vorgesetzten nach Nr. 905 Buchst. a ZDv 20/6 grundsätzlich berechtigt, in ihren Stellungnahmen zu Beurteilungen auch Erkenntnisse zu verwerten, die sich nicht nur auf den Beurteilungszeitraum (Nr. 406 Buchst. a), sondern weitergehend auch auf den Zeitraum bis zu ihrer eigenen Unterschrift beziehen. Für den besonderen Fall einer Verwendungsänderung vor dem Vorlagetermin und der Versäumung der vorgezogenen Beurteilungserstellung bestimmt aber Nr. 406 Buchst. a Satz 3 und 4 ZDv 20/6, dass bei den nach Nr. 203 Buchst. f nachträglich erstellten Beurteilungen der Beurteilungszeitraum mit dem Zeitpunkt der Versetzung des zu beurteilenden Soldaten oder des beurteilenden Vorgesetzten endet und zu diesem Termin der Beurteilungszeitraum für die nachfolgende Beurteilung beginnt. Maßgeblich ist dafür der Termin des tatsächlichen Dienstantritts (Fußnote 1 zu Nr. 406 Buchst. a ZDv 20/6).

36 Diese Regelung steht mit § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV im Einklang. Aus der normativen Anordnung über die regelmäßige Beurteilung für Soldatinnen und Soldaten hat der Senat in ständiger Rechtsprechung hergeleitet, dass die (planmäßigen) Beurteilungen einen lückenlosen Spiegel des militärischen Werdegangs eines Soldaten gewährleisten sollen; deshalb darf eine Lücke in der Abfolge von Beurteilungen und Beurteilungszeiträumen in der Regel nicht eintreten (Beschluss vom 1. September 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 13.08 - m.w.N.). Dieses „Prinzip der Lückenlosigkeit“ prägt nicht nur die generelle Bestimmung „von Unterschrift zu Unterschrift“ in Nr. 406 Buchst. a Satz 2 ZDv 20/6; ihm tragen auch die speziellen Vorschriften in Nr. 406 Buchst. a Satz 3 und 4 ZDv 20/6 Rechnung, wonach der Stichtag der Verwendungsänderung für den Wechsel vom bisherigen zum neuen Beurteilungszeitraum maßgeblich ist. Hiernach war der nächsthöhere Vorgesetzte nur verpflichtet, den Beurteilungszeitraum bis zum Dienstantritt des Antragstellers bei der Division ... (17. April 2007) zu berücksichtigen. Dieser Termin ist als Abschluss des Beurteilungszeitraums auch in den Abschnitten 2 und 12 der Beurteilung (am Ende) dokumentiert. Für die anschließende Zeitspanne bis zum Tag der Beurteilung bzw. der Stellungnahme war kein Beurteilungsbeitrag der neuen Vorgesetzten des Antragstellers anzufordern.

37 Die angefochtene Stellungnahme verstößt aber in den Abschnitten 8.4 und 8.5 der Beurteilung gegen den allgemeingültigen Wertmaßstab und den in Nr. 401 ZDv 20/6 festgelegten Bewertungsgrundsatz, dass Beurteilungen und Stellungnahmen keine Widersprüche enthalten dürfen. Anderenfalls hat die Beurteilung oder die Stellungnahme keine hinreichende Aussagekraft und kann ihre Funktion nicht erfüllen (vgl. Beschlüsse vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 2.04 - ZBR 2005, 313 und vom 24. März 2009 - BVerwG 1 WB 33.08 - <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>).

38 Der stellungnehmende Vorgesetzte hat nach Nr. 906 Buchst. a ZDv 20/6 die Pflicht zur Stellungnahme zu den Wertungen und Aussagen zur Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, zum Persönlichkeitsprofil, zu den Verwendungsmöglichkeiten und Verwendungsvorschlägen sowie zu den Vorstellungen des Beurteilten zum weiteren Werdegang (Abschnitte 3, 4, 5 und 7 der Beurteilung). Außerdem erstreckt sich die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten nach Nr. 906 Buchst. b und Nr. 910 Buchst. a ZDv 20/6 auch darauf, auf der Grundlage der Aussagen und Wertungen in der Beurteilung abschließend das Potenzial des Beurteilten zu beschreiben und zusätzlich eine prognostische Einschätzung der künftigen Entwicklung abzugeben. Das besondere Kennzeichen dieser beiden Aussagen ist ihr Charakter als nicht vergangenheitsbezogene Betrachtung; sie stellen vielmehr in die Zukunft orientierte Einschätzungen dar. Aus diesem Aspekt zieht Nr. 102 Buchst. c ZDv 20/6 die ermessensbindende Schlussfolgerung, dass die prognostischen Teile der Beurteilung nicht allein aus den Aussagen und Wertungen zur Aufgabenerfüllung abzuleiten sind und demnach inhaltlich von diesen abweichen können. Nicht zuletzt deshalb ordnet das Bundesministerium der Verteidigung in Anlage 1/6 zur ZDv 20/6 (Vordruck A) an, dass vor allem die Entwicklungsprognose besonders begründet werden muss.

39 Mit diesen neuen Vorschriften hat das Bundesministerium der Verteidigung als Erlassgeber bewusst Abstand genommen von den früheren Regelungen über die „Förderungswürdigkeit“ des Beurteilten in Nr. 905 Buchst. b und Nr. 906 Buchst. a ZDv 20/6 a.F. Für das Kriterium der Förderungswürdigkeit hatten der beschließende Senat sowie der 2. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts - unter Berücksichtigung des seinerzeit vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen Leitfadens „Das neue Beurteilungssystem“ vom 11. Mai 1998 - ausgesprochen, dass sich die Beurteilung der Förderungswürdigkeit aus der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zur Leistungs- und Eignungsbeurteilung des Soldaten entwickeln sowie Leistungsstand und Eignungsgrad des Beurteilten widerspiegeln müsse (Beschluss vom 18. August 2004 a.a.O. und Urteil vom 17. Dezember 2003 - BVerwG 2 A 2.03 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 33). Mit der Neuregelung der Potenzialabschätzung und der Entwicklungsprognose in Gestalt eines eigenständigen Werturteils des stellungnehmenden Vorgesetzten hat der Erlassgeber eine stärkere Betonung der prognostischen Elemente in der Eignungsbewertung vorgenommen. Auch der Begriff der Eignung in Art. 33 Abs. 2 GG sowie in § 3 Abs. 1 SG und § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG wird maßgeblich durch eine prognostische Einschätzung der künftigen charakterlichen, geistigen und fachlichen Entwicklung des Soldaten bestimmt (vgl. Walz/Eichen/Sohm, SG, 2006, § 3 Rn. 14, § 37 Rn. 32).

40 Der stellungnehmende Vorgesetzte ist deshalb bei der prognostischen Einschätzung der künftigen Entwicklung und bei der Potenzialabschätzung nicht nur frei, ob er die Aussagen und Wertungen zur Aufgabenerfüllung bestätigt oder sich von diesen löst; er ist insbesondere auch nicht an frühere Beurteilungen gebunden. Einer derartigen Bindung steht entgegen, dass die inhaltliche Bewertung des Persönlichkeits- und Leistungsbildes eines Soldaten in den Kernbereich des gerichtlich nicht nachprüfbaren subjektiven Werturteils des jeweiligen Beurteilenden fällt. Außerdem erstrecken sich frühere Beurteilungen auf einen anderen Beurteilungszeitraum und können deshalb nicht Gegenstand einer „Fortschreibung“ ihrer Werturteile sein (im Ergebnis ebenso: Beschluss vom 9. Dezember 1999 - BVerwG 1 WB 48.99 -).

41 Der Stellvertretende Befehlshaber hat sich in Abschnitt 8.4 der Beurteilung mit den ersten beiden Sätzen ersichtlich zum individuellen Entwicklungspotenzial des Antragstellers geäußert. Die davon getrennt zu formulierende Entwicklungsprognose muss nicht zwingend mit der Einschätzung des Entwicklungspotenzials des Soldaten korrespondieren. Das folgt bereits aus der Vorgabe bestimmter abstrakter Stufenregelungen nur für die Entwicklungsprognose in Nr. 910 Buchst. b ZDv 20/6 in Verbindung mit Anlage 7. Das Potenzial kann demgegenüber in freiem Text bewertet werden. Zwischen der in Nr. 8.4 der Beurteilung verlangten (nach Nr. 401 ZDv 20/6 sorgfältigen!) Begründung der Entwicklungsprognose und ihrer - lediglich durch Ankreuzen einer Stufe erfolgenden - Benennung in Nr. 8.5 muss allerdings eine widerspruchsfreie und schlüssige Verbindung bestehen (Beschluss vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 4.09 und 1 WB 5.09 -). Das ist hier nicht der Fall.

42 Im Rahmen seiner Begründung der Entwicklungsprognose hat der Stellvertretende Befehlshaber ausdrücklich erklärt, er unterstütze die sehr weitreichenden Verwendungsvorschläge in der Beurteilung des Antragstellers. Damit konnte er sich eindeutig nur auf die vom erstbeurteilenden Vorgesetzten empfohlene Verwendung „Dezernatsleiter ...kommando (A 15)“ beziehen, denn die außerdem vorgeschlagene Folgeverwendung als G 4 Stabsoffizier auf Divisionsebene war - wie auch in der Beurteilung vermerkt - für den Antragsteller durch seine (vollzogene) Versetzung zum Stab der Division ... bereits umgesetzt worden; sie war also für den stellungnehmenden Vorgesetzten nicht mehr ein prognostisch zu bewertender Vorschlag. Vor diesem Hintergrund hat der stellungnehmende Vorgesetzte mit seiner „Unterstützung“ des auf die Verwendung in der Ebene A 15 bezogenen Vorschlags eine Entwicklungsprognose formuliert und begründet, die über die derzeitige Verwendungs- und Besoldungsebene des Antragstellers sowie über dessen bis dahin erreichte Laufbahnperspektive klar hinausgeht. Diese „Unterstützung“ hat er generell formuliert und nicht nur auf bestimmte Bereiche reduziert oder inhaltlich relativiert. Seine formale Einschränkung, dass eine Verwendung auf der A 15-Ebene noch einer Bestätigung in der neuen Verwendung des Antragstellers bei der Division ... bedürfe, entzieht der Perspektive für dessen Verwendung in der Ebene der Besoldungsgruppe A 15 nicht die Grundlage. Vielmehr soll dieser Satz ersichtlich nur den Wunsch einer zusätzlichen Bekräftigung der zuvor bereits - als eigenes Urteil - ausgesprochenen „Unterstützung“ des Verwendungsvorschlags bis in die Ebene A 15 betonen.

43 Mit diesen Aussagen des Stellvertretenden Befehlshabers korrespondiert jedoch nicht die Vergabe der Entwicklungsprognose „Individuelle Laufbahnperspektive erreicht“ im Abschnitt 8.5. Denn diese Stufe ist in Anlage 7 zur ZDv 20/6 wie folgt definiert: „Der oder die Beurteilte hat eine Ebene, auch oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive erreicht und verfügt aus Sicht des oder der Stellung nehmenden Vorgesetzten über keine darüber hinausgehende Förderperspektive“. Mit der Vergabe dieser Stufe der Entwicklungsprognose schließt der Stellung nehmende Vorgesetzte eine weitere Förderperspektive für den Beurteilten vollständig aus. Da der Stellvertretende Befehlshaber in Abschnitt 8.4 den auf die A 15-Ebene bezogenen Verwendungsvorschlag in der Beurteilung ausdrücklich unterstützt hat und außerdem die von ihm als notwendig bezeichnete zusätzliche Bestätigung eine im Zeitpunkt der Stellungnahme schon stattfindende, also „gegenwärtige“ Verwendung des Antragstellers in der Division ... betraf, durfte er nicht - wie aber geschehen - auf die erforderliche zukunftsorientierte Erläuterung verzichten, warum er trotz einer vorstellbaren und von ihm unterstützten Verwendungsperspektive für den Antragsteller in der Ebene der Besoldungsgruppe A 15 auch prognostisch auf längere Sicht nur die Erreichung der individuellen Laufbahnperspektive bescheinigt. Diese Diskrepanz belegt einen durchgreifenden inhaltlichen Widerspruch zwischen beiden Äußerungen, mit dem die Grenzen des Beurteilungsspielraums verletzt worden sind.

44 Schon aus diesem Grund ist die Stellungnahme vom 11. Oktober 2007 - und zwar mit Rücksicht auf Nr. 903 Buchst. b Satz 2 ZDv 20/6 insgesamt - aufzuheben. Dieses Schicksal teilen die angefochtenen Beschwerdebescheide, soweit sie die Stellungnahme betreffen.

45 Der Senat kann daher offen lassen, ob die Stellungnahme in den Abschnitten 8.4 und 8.5 auch deshalb gegen Verfahrensvorschriften der ZDv 20/6 zur Entwicklungsprognose verstößt, weil sie - wie der Antragsteller vorgetragen hat - maßgeblich durch bindende Vorgaben eines weiteren höheren Vorgesetzten oder mindestens durch Abstimmungsgespräche beeinflusst worden sein soll.

46 Die Verpflichtung zur Neufassung der Stellungnahme ergibt sich aus Nr. 1202 Buchst. a Satz 1 und 2 ZDv 20/6. Diese Verpflichtung kann der Senat aussprechen, weil nach Nr. 1201 Buchst. d ZDv 20/6 im Beschwerdeverfahren die Gerichtsentscheidung an die Stelle der Aufhebungsverfügung tritt. Mit der Aufhebungsverfügung ist nach Nr. 903 Buchst. b Satz 1 ZDv 20/6 die Rückgabe zum Zweck der Neufassung verbunden.

47 Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 2009 (BGBl I S. 81).