Beschluss vom 27.03.2003 -
BVerwG 7 B 120.02ECLI:DE:BVerwG:2003:270303B7B120.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 27.03.2003 - 7 B 120.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:270303B7B120.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 120.02

  • VG Berlin - 11.06.2002 - AZ: VG 9 A 209.00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. März 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 11. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Die Klägerin wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks an den Beigeladenen, der den Restitutionsanspruch aus abgetretenem Recht geltend macht. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Rechtsvorgänger des Beigeladenen ihr Eigentum an dem streitigen Grundstück infolge unlauterer Machenschaften verloren hätten, nämlich durch eine Enteignung nach dem Aufbaugesetz, deren Zweck lediglich vorgeschoben gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Für klärungsbedürftig hält die Klägerin die Frage,
ob es eine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG darstellt, wenn ein Grundstück auf der Grundlage des Aufbaugesetzes der DDR enteignet wird, mit dem Ziel, es staatlichen Interessen nutzbar zu machen, wobei es als Nebenfolge auch einem privaten Dritten zu dessen privatnützigen Zwecken dient, dessen Tätigkeit aber wiederum im elementaren staatlichen Interesse liegt.
Auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts, von dem in einem künftigen Revisionsverfahren auszugehen wäre, wirft die Rechtssache zur Anwendung des § 1 Abs. 3 VermG indes keine Fragen auf, die sich nicht bereits nach der hierzu schon vorliegenden Rechtsprechung beantworten lassen, soweit eine verallgemeinerungsfähige Antwort überhaupt möglich ist.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG Vorgänge erfasst, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf Vermögenswerte zugegriffen wurde. Die zum Vermögensverlust führende unlautere Machenschaft setzt dabei keine bestimmte Handlungsform voraus; darunter fallen auch hoheitliche Erwerbsakte. Solche Enteignungen unter anderem nach dem Aufbaugesetz sind insbesondere dann als willkürlich oder manipulativ zu beurteilen und deshalb dem Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG zuzuordnen, wenn ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben wurde, um in Wahrheit zu ganz anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen, oder wenn der wahrheitsgemäß angegebene Grund der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte (grundlegend Urteil des Senats vom 28. Juli 1994 - BVerwG 7 C 41.93 - Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 28).
Danach kommt es nicht unmittelbar darauf an, ob mit einer Enteignung staatliche Interessen verfolgt wurden oder ob die Enteignung auch privatnützigen Zwecken dienen sollte. Maßgeblich ist vielmehr, ob der angegebene Zweck der Enteignung nur vorgeschoben war und ob er, wenn er tatsächlich verfolgt wurde, von einer Rechtsgrundlage gedeckt war. Das Verwaltungsgericht hat hier in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, der angegebene Zweck einer Bebauung des Grundstücks für dienstliche Zwecke des Ministeriums für Außenhandel sei nur vorgeschoben gewesen; die Enteignung habe allein dazu gedient, dem Beigeladenen ein Grundstück für seine Handelsgeschäfte zur Verfügung zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat dabei nicht festgestellt, das Ministerium für Außenhandel habe sich des Beigeladenen bedient, um mit seiner Hilfe Embargohandel zu treiben. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr im Gegenteil festgestellt, die gewerbliche Tätigkeit des Beigeladenen sei ihrerseits nicht der Volkswirtschaft der DDR zurechenbar gewesen. Hieran wäre das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren gebunden. Von einem vorgeschobenen Enteignungszweck ist nicht erst dann auszugehen, wenn das Grundstück nach der Enteignung sogleich in das Privateigentum des Beigeladenen hätte weiterveräußert werden sollen. Unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 3 VermG genügt, dass die Bebauung des Grundstücks nicht den angegebenen "dienstlichen Zwecken" diente und mit der Rechtsträgerschaft zunächst des Ministerrats der DDR (Ministerium für Außenhandel), später des Rechtsvorgängers der Klägerin, allein das Ziel verfolgt wurde, die private Nutzung des Grundstücks durch den Beigeladenen zu verschleiern, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat ferner festgestellt, dass weder die Aufbauverordnung noch das später in Kraft getretene Baulandgesetz eine Enteignung zu dem Zweck gerechtfertigt hätten, das Grundstück anschließend dem Beigeladenen zur Nutzung für seine Handelsgeschäfte zu überlassen. Diese Auslegung irrevisiblen Rechts wäre für das Bundesverwaltungsgericht in dem angestrebten Revisionsverfahren verbindlich. In einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre damit insbesondere die Frage, ob der Embargohandel (auch mittels privater Dritter) ein dienstlicher Zweck ist, der eine Enteignung nach der Aufbauverordnung oder dem Baulandgesetz gerechtfertigt hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.