Beschluss vom 26.11.2007 -
BVerwG 3 B 22.07ECLI:DE:BVerwG:2007:261107B3B22.07.0

Beschluss

BVerwG 3 B 22.07

  • VG Halle - 11.12.2006 - AZ: VG 1 A 216/05 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts H. vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger beanspruchen im Wege der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung die Rückübertragung eines Grundstücks.

2 Zunächst waren die Eheleute M. und E. Sch. Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks P.straße in D., Flur 43, Flurstück 0262. E. Sch. wurde 1951 je zur Hälfte von M. Sch., der später von M. M. beerbt wurde, und dessen Neffen W. M. beerbt. W. M. verließ am 15. Juli 1953 die DDR. Der Rat der Stadt D. setzte mit Bestallungsurkunde vom 6. Januar 1965 gemäß § 1 der Anordnung Nr. 2 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen haben, vom 20. August 1958 - GBl S. 664, einen Treuhänder ein. Mit Erbauseinandersetzungsvertrag vom 21. April 1965 - Az.: UR 171/65 - veräußerte der Treuhänder den Anteil des W. M. an die Inhaberin des anderen Anteils, M. M., zum Zwecke der Aufhebung der ungeteilten Erbengemeinschaft. W. M. wurde 1989 von seiner Ehefrau E. W. Ch. M. beerbt, die ihrerseits von den Klägern beerbt wurde.

3 Mit Bescheid vom 28. November 2002 wurde der Antrag, die hoheitlichen Maßnahmen zur Entziehung des Eigentums des W. M. aufzuheben und das Haus zurückzugewähren, hilfsweise eine Entschädigung festzusetzen, abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2004 zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2006 abgewiesen, weil der geltend gemachte Anspruch an dem Ausschlussgrund des § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG scheitere.

4 Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht weder im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab (1.), noch liegt ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, auf dem das Urteil beruht (2.).

5 1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO muss die Beschwerde, um den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu genügen, einen rechtlichen Obersatz bezeichnen, den das Verwaltungsgericht aufgestellt hat und auf dem seine Entscheidung beruht, und ihm einen abweichenden Obersatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte gegenüberstellen (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 28. Juli 2004 - BVerwG 1 B 22.04 - Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 65). Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen schon nicht gerecht.

6 Die Beschwerdeführer behaupten zwar, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. September 1996 - BVerwG 7 C 61.94 - und vom 23. August 2001 - BVerwG 3 C 39.00 - abweiche. Dazu legen sie unter zusätzlichem Hinweis auf das Urteil vom 27. Juli 1995 - BVerwG 7 C 12.94 - (BVerwGE 99, 82 ff.) dar, nach dieser Rechtsprechung richte sich die Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall eine hoheitliche Maßnahme zum Regelungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes oder des Vermögensgesetzes zähle, nach dem Zweck und Ziel der Maßnahme, die zum Verlust des jetzt zurückverlangten Vermögensgegenstandes geführt habe. Ansprüche nach dem Vermögensgesetz setzten danach Maßnahmen voraus, die zielgerichtet den Verlust des zurückgeforderten Vermögenswertes bezweckt hätten. Demgegenüber würden die in § 1 VwRehaG vorausgesetzten Unrechtsmaßnahmen auf andere Zwecke zielen und seien durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet. Dazu verweist die Beschwerde zusätzlich auf die Urteile vom 26. September 1996 - BVerwG 7 C 61.94 - (BVerwGE 102, 89) und vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 30.97 - (BVerwGE 106, 210, 214 f.). Das Verwaltungsgericht habe diese Rechtsprechung zwar zur Begründung herangezogen und zum Teil darauf verwiesen. Dennoch sei es davon abgewichen.

7 Eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht indessen nicht. Abgesehen davon, dass die Kläger nicht darlegen, dass das Verwaltungsgericht einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist ein Widerspruch zwischen diesen Entscheidungen auch objektiv nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat keineswegs in Abrede gestellt, dass der Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes eröffnet ist, wenn vorrangig in den persönlichen Lebensbereich des Betroffenen eingegriffen worden ist und der Zugriff auf einen Vermögensgegenstand und der Vermögensverlust lediglich die Folge ist. Es hat dies im Gegenteil ausdrücklich und unter Hinweis auf eben diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. Februar 2002 - BVerwG 3 C 16.01 - VIZ 2002, 272 m.w.N.) dargelegt (S. 4 der Entscheidung). Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall lediglich aus tatsächlichen Gründen die höchstrichterlich herausgearbeiteten Voraussetzungen zur Anwendung des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes verneint, weil sich die Maßnahmen nach § 1 der Anordnung Nr. 2 über die Behandlung des Vermögens von Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen haben, gerade nicht auf die persönlichen Lebensbereiche der Betroffenen bezogen hätten, sondern auf die Verwaltung des in der DDR zurückgelassenen Vermögens. Der Zugriff der DDR-Behörden auf das Grundstück habe im Vordergrund des Interesses gestanden (S. 5 der Entscheidung). Mithin bestehen lediglich Differenzen bei der Würdigung entscheidungserheblicher Tatsachen, die ausschließlich für die Subsumtion des Sachverhalts unter die anzuwendenden Rechtssätze von Belang sind. Sie können aber keine taugliche Grundlage für eine diese Rechtssätze selbst betreffende Divergenzrüge sein.

8 2. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensfehler. Zu Unrecht sehen die Kläger einen Aufklärungsmangel darin, dass das Verwaltungsgericht die angebotenen Beweise, nämlich die Vernehmung des Herrn F. G. als Zeugen und die Beiziehung der Stasi-Akten über W. M., nicht erhoben und dem vorgelegten Flüchtlingsausweis keine Bedeutung beigemessen habe. Das Verwaltungsgericht war zu einer solchen Aufklärung nicht verpflichtet, weil die unter Beweis gestellte Behauptung für die Entscheidung nicht erheblich war. Die Kläger hatten vorgetragen, dass W. M. im Juli 1953 die DDR wegen einer aus politischen Gründen drohenden Verhaftung verlassen habe. Darauf kam es aber nicht an. Entscheidend war vielmehr, ob die mehr als elf Jahre später im Frühjahr 1965 erfolgte Anordnung der staatlichen Verwaltung über den Erbanteil des Herrn M. am hälftigen Miteigentum an einem Grundstück und die anschließende Übertragung des Erbanteils an die andere Miterbin eine anderen Zwecken als der Vermögensentziehung dienende Unrechtsmaßnahme war, die sich als grob rechtsstaatswidriger Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Geschädigten darstellte. Angesichts der zwischen der Flucht und der Vermögensentziehung liegenden Zeit bedürfte es besonderer Anhaltspunkte, um den Eigentumszugriff als gezielte politische Verfolgungsmaßnahme wegen der regimekritischen Äußerungen des Herrn M. aus dem Frühjahr 1953 ansehen zu können. Solche Anhaltspunkte haben die Kläger aber zu keiner Zeit vorgetragen.

9 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.