Beschluss vom 26.07.2017 -
BVerwG 10 B 17.16ECLI:DE:BVerwG:2017:260717B10B17.16.0

Beschluss

BVerwG 10 B 17.16

  • VG Koblenz - 12.01.2016 - AZ: VG 1 K 555/15.KO
  • OVG Koblenz - 10.06.2016 - AZ: OVG 10 A 10192/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juli 2017 durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wurde bei der Kommunalwahl 2014 als einziger Kandidat der Liste Bündnis für soziale Energiepreise und gerechte Politik e.V. (BüFEP) in den aus 44 Mitgliedern bestehenden Stadtrat der Stadt B. K. gewählt. Diese ist mit einem Anteil von 0,48 % direkt und über die ihr insgesamt gehörende Gesellschaft für Beteiligungen und Parken in B. K. GmbH & Co. KG (BGK) zu weiteren 50,5 % an der Stadtwerke GmbH B. K. (Stadtwerke GmbH) beteiligt. Der Aufsichtsrat der Stadtwerke GmbH besteht aus 13 Mitgliedern. Sieben Aufsichtsratsmitglieder werden auf Vorschlag der BGK, sechs weitere auf Vorschlag der anderen Gesellschafter gewählt, jeweils mit einer gleichen Anzahl an Stellvertretern. Der Stadtrat der Stadt B. K. beschloss am 25. September 2014, je sieben Vorschläge der BGK für die Besetzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke GmbH und der Stellvertreterposten zu unterstützen. Über den Vorschlag des Klägers, ihn in den Aufsichtsrat und das Mitglied einer anderen aus zwei Stadträten bestehenden Gruppe im Stadtrat als Stellvertreter zu wählen, wurde nicht abgestimmt. Dessen Wahlbeschwerde wies die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion des Beklagten (ADD) zurück. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

2 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

3 Der Kläger möchte zunächst allgemein geklärt wissen, ob das Demokratieprinzip Minderheitenrechte auch für Gemeinderäte gewährleiste, namentlich ob über die demokratischen Rechte von Gemeinderatsmitgliedern der Gesetzgeber entscheide, oder ob dies im Gemeinderat abhängig sei von der dort jeweils herrschenden Koalition. Diese Fragen sind nicht geeignet, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzutun. Sie betreffen mit dem Demokratieprinzip zwar einen Grundsatz des Bundesverfassungsrechts und damit revisibles Recht. Sie sind aber zu allgemein gefasst, um einen Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren zu begründen.

4 Der Kläger führt aber außerdem den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit an und möchte - insofern konkreter - geklärt wissen, ob ein Gemeinderat mit Mehrheit sich der Geltung dieses Grundsatzes entziehen kann, indem er die Wahrnehmung kommunaler Aufgaben auf ein in privater Rechtsform geführtes Kommunalunternehmen überträgt. Diese Frage verfehlt zwar in dieser Fassung den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, in dem es nicht um die (bundes-)rechtlichen Grenzen für die Organisationsbefugnis einer Gemeinde geht. Sie führt aber jedenfalls auf die Frage, ob der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch für die Beschickung von Organen von Kommunalunternehmen des privaten Rechts durch die Gemeinde gilt, hier für die Beschickung des Aufsichtsrats einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an der die Gemeinde mittelbar mit Mehrheit beteiligt ist.

5 Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang ungeklärt. Das Bundesverwaltungsgerichts hat zwar bereits entschieden, dass der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit auch auf der kommunalen Ebene gilt (Urteil vom 10. Dezember 2003 - 8 C 18.03 - BVerwGE 119, 305 <307> = juris Rn. 13 f.), dass er die Abbildung der politischen Stärkeverhältnisse der politischen Kräfte gebietet, die sich zur Wahl der Gemeindevertretung gestellt und zwischen denen die Wähler entschieden haben (Urteil vom 9. Dezember 2009 - 8 C 17.08 - Buchholz 415.1 Allg. KommunalR Nr. 173 Rn. 21 f.), und dass der Grundsatz nur für die Besetzung der aus der Gemeindevertretung abgeleiteten Gremien gilt, die an der Erfüllung der dem Plenum zugewiesenen Aufgaben als Vertretung des (Gemeinde-)Volkes mitwirken (Urteil vom 28. April 2010 - 8 C 18.08 - BVerwGE 137, 21 Rn. 22). Höchstrichterlich ungeklärt ist jedoch, ob Organe von Unternehmen des Privatrechts mit - ggf. mittelbarer - kommunaler Beteiligung in diesem Sinne zu den aus der Gemeindevertretung abgeleiteten Gremien gehören und ob der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz deshalb auch bei ihrer Besetzung beachtet werden muss.

6 Die in Rede stehende Frage verleiht dem Rechtsstreit gleichwohl keine grundsätzliche Bedeutung. Das angestrebte Revisionsverfahren könnte zu ihrer Klärung nicht führen; denn sie wäre für die Entscheidung unerheblich. Der Kläger beansprucht seine Wahl in den Aufsichtsrat als fraktions- und gruppenloses Ratsmitglied. Als solches hätte er selbst dann keine Chance auf Berücksichtigung bei der Besetzung der Aufsichtsratsmandate und Stellvertreterposten, für die der BGK das Vorschlagsrecht zusteht, wenn hierbei der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz angewendet würde. Auf die Frage, ob die andere Gruppe des Gemeinderats - wie der Kläger verlangt hat - bei der Besetzung der Stellvertreterposten zu berücksichtigen wäre, kommt es schon deshalb nicht an, weil der Kläger deren eventuelle Rechte nicht im eigenen Namen geltend machen kann.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.