Beschluss vom 26.06.2003 -
BVerwG 2 BN 1.02ECLI:DE:BVerwG:2003:260603B2BN1.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.06.2003 - 2 BN 1.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:260603B2BN1.02.0]

Beschluss

BVerwG 2 BN 1.02

  • Bayerischer VGH München - 21.12.2001 - AZ: VGH 3 N 01.2002

In der Normenkontrollsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde, die auf die Zulassungsgründe der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, und der Divergenz, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, gestützt ist, ist unbegründet. Die als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen zur ungleichmäßigen Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit bei Beamten sind durch das der Antragstellerin bekannte Urteil des Senats vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - (NVwZ 2003, 617 = DVBl 2003, 613; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen) geklärt.
Der Senat hat dort die Frage bejaht,
ob es mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) und dem darin enthaltenen Gebot der angemessenen Alimentierung vereinbar ist, eine Gruppe von Beamten zu verpflichten, fünf Jahre lang zusätzliche Arbeit ohne entsprechende Vergütung zu leisten und dies nach acht Jahren durch die Gewährung von Freizeit auszugleichen.
Der Senat hat ausgeführt, dass es keinen hergebrachten Grundsatz gibt, wonach der Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit eines Beamten nicht über 40 Stunden hinausgehen darf und die Lebensarbeitszeit nicht phasenweise unterschiedlich gestaltet sein kann. In dem Urteil ist ferner dargelegt, dass die zeitweise Aufstockung der Wochenarbeitszeit der Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen die Pflicht des Dienstherrn zu ihrer angemessenen Besoldung unberührt lässt, da die Besoldung nicht von dem bisher erreichten Niveau abweicht, die Arbeitszeitkonten vielmehr "kostenneutral" gebildet werden. Ferner ist die ungleichmäßige Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit nach diesem Urteil auch mit dem in § 6 BBesG festgelegten Verhältnis von Arbeit und Besoldung vereinbar.
Daraus ergibt sich auch, dass das Berufungsgericht nicht von der in der Beschwerde zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen ist, wonach es zur Angemessenheit der Besoldung gehört, dass diese "dem Dienstrang, der Verantwortung des Amtes, der Bedeutung des Berufsbeamtentums, den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen sowie dem allgemeinen Lebensstandard entspricht" (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1457/96 - DVBl 2001, 719 m.w.N.).
Die Frage,
ob die Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte bereits gerechtfertigt ist, wenn eine gesetzgeberische Maßnahme ohne den Gleichheitsverstoß ihr Ziel nicht erreichen würde,
wäre in dieser allgemeinen Form nicht zu beantworten. Die sich allein stellende Frage, ob die gleich hohe Aufstockung des Stundendeputats bei voll- und bei teilzeitbeschäftigten Lehrern gerechtfertigt ist, wenn nur so der gegenwärtige, länger andauernde, aber vorübergehende Bedarf an zusätzlichen Lehrerarbeitsstunden gedeckt werden kann, ist ebenfalls durch das Urteil vom 28. November 2001 - BVerwG 2 CN 1.01 - geklärt. Der Senat hat hierzu ausgeführt, die gleich hohe Zusatzbelastung voll- und teilzeitbeschäftigter Lehrer sei gerechtfertigt, weil andernfalls entweder die vollzeitbeschäftigten Lehrer unzumutbar höher hätten belastet werden müssen oder der Erfolg des "Arbeitszeitkonten-Modells" insgesamt in Frage gestellt worden wäre.
Diese dem erstinstanzlichen Urteil ebenso wie dem Urteil des Senats vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - zu Grunde liegende Rechtsauffassung weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ab. Nach dieser ist bei der rechtlichen Ordnung von massenhaft vorkommenden Vorgängen eine Typisierung zulässig, die nicht jede gebotene Differenzierung aufgreift, sofern die aus ihr resultierende Ungerechtigkeit sich nur unter Schwierigkeiten vermeiden lässt und der in ihr liegende Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 45, 376 <390> m.w.N.). Danach ist die gleich hohe zeitweise Zusatzbelastung bei Vollzeit- und Teilzeitlehrern zulässig. Bei einer Zusatzbelastung, die proportional zur jeweiligen Wochenstundenzahl ausgestaltet wäre, müssten entweder die Vollzeitlehrer unzumutbar höher belastet werden oder die Aufstockung bei den Teilzeitlehrern müsste so gering gehalten werden, dass die für das Gesamtprojekt notwendige Stundenzahl nicht erreicht würde. Die Benachteiligung der Teilzeitlehrer durch ihre unproportionale Zusatzbelastung in der "Ansparphase" des Arbeitszeitkontos ist geringfügig, weil sie durch die gleichfalls unproportionale Entlastung in der "Ausgleichsphase" kompensiert werden wird.
Rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig ist nicht die Frage,
ob der Antragsgegner an der Einführung eines verpflichtenden Arbeitszeitkontos dadurch gehindert war, dass das Beamtenrechtsrahmengesetz ein solches Institut nicht vorsieht, vielmehr die Voraussetzungen für die Leistung zusätzlicher Arbeit ... in § 44 BRRG abschließend geregelt sind.
Das verpflichtende Arbeitszeitkonto ist keine Form von Mehrarbeit im Sinne des § 44 BRRG, sondern eine unregelmäßige Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit durch die Festlegung von Phasen unterschiedlich langer Wochenarbeitszeit (vgl. Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 CN 1.01 - UA S. 9). Das Rahmenrecht des Bundes enthält keine Vorgaben für den Umfang der durch Landesrecht zu regelnden regelmäßigen Arbeitszeit. Deshalb kann die Vorschrift des Bayerischen Landesrechts über die zeitweise Geltung einer variablen regelmäßigen Arbeitszeit auch nicht von den in der Beschwerde genannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts über die Verbindlichkeit der rahmenrechtlichen Grenzen für die Regelungsmacht des Landesgesetzgebers abweichen.
Die geltend gemachte Divergenz zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - (BVerfGE 72, 200) besteht ebenfalls nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung zum prinzipiellen Verbot einer echten Rückwirkung von Gesetzen sowie die Ausnahmen, in denen dieses Verbot nicht gilt, dargestellt hat, ausdrücklich zu Eigen gemacht. Im konkreten Fall hat es den - vom Bundesverfassungsgericht anerkannten - Rechtfertigungsgrund bejaht, dass die von der Norm Betroffenen kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage gehabt haben.
Soweit der Verwaltungsgerichtshof das Fehlen eines schützenswerten Vertrauens in den Fortbestand der Rechtslage als ausreichende Rechtfertigung für die Durchbrechung des Rückwirkungsverbots angenommen und diesen Gesichtspunkt nicht wieder unter Heranziehung der weiteren verfassungsgerichtlichen Aussage, wonach die Durchbrechung des Rückwirkungsverbots "nicht zu Ergebnissen führen (darf), die den grundrechtlichen Schutz der Lebenssachverhalte verletzen, welche von dem Eingriff ... betroffen sind" (Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 - a.a.O. S. 258), unangewendet gelassen hat, stellt dies keine Divergenz zu der genannten verfassungsgerichtlichen Entscheidung dar. Der Verwaltungsgerichtshof hat den in der Beschwerde zitierten Rechtssatz aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht - auch nicht konkludent - in Frage gestellt, sondern im zu entscheidenden Fall - zutreffend - als nicht einschlägig erachtet. Durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. September 2000 - 3 N 99.23 35 - war eine unklare Rechtslage, insbesondere in Bezug auf die im vorausgegangen Schuljahr 1999/2000 von den meisten Lehrern tatsächlich geleisteten zusätzlichen Unterrichtsstunden, entstanden. Die Inkraftsetzung der Verordnung zur Einführung eines verpflichtenden Arbeitszeitskontos rückwirkend zum 1. August 1999 beseitigte diese Unklarheit. Die Schaffung klarer Rechtsverhältnisse hinsichtlich der von den Lehrern in der Vergangenheit bereits geleisteten Zusatzstunde bewirkte keine Verletzung der nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. September 2000 - 3 N 99.23 35 - durch Art. 20 Abs. 3 GG geschützten Freiheit der Lehrer, nur durch eine Rechtsnorm zu einer zusätzlichen Unterrichtsstunde während der "Ansparphase" herangezogen zu werden. Die Lehrer hatten die angeordneten zusätzlichen Unterrichtsstunden bereits gehalten. Die Anordnung, dass die Verordnung ab dem 1. August 1999 gilt, bewirkte, dass auch für das Schuljahr 1999/2000 der Rechtscharakter des bereits geleisteten zusätzlichen Dienstes festgelegt wurde. Belastende Wirkung hatte das für die Lehrer nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass die rückwirkende Qualifizierung dieser Unterrichtsstunden als Dienst innerhalb der regulären Arbeitszeit negative Folgen auch nicht für die Lehrer hat, die sich im Schuljahr 1999/2000 geweigert hatten, diese zusätzliche Stunde zu unterrichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.