Beschluss vom 26.03.2014 -
BVerwG 4 B 55.13ECLI:DE:BVerwG:2014:260314B4B55.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 26.03.2014 - 4 B 55.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:260314B4B55.13.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 55.13

  • VG Meiningen - 30.06.2010 - AZ: VG 5 K 4/08 Me
  • OVG Weimar - 28.08.2013 - AZ: OVG 1 KO 1127/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. März 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 28. August 2013 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung an die Vorinstanz begründet (§ 133 Abs. 6 VwGO).

2 1. Die Revision ist allerdings nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.

3 Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Steht der Zulässigkeit einer Feststellungsklage deren Subsidiarität gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, wenn dem Feststellungskläger damit zugemutet wird, bei der Behörde einen - später im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgenden - Anspruch geltend zu machen, der im Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsauffassung steht, bzw.
ist es einem Feststellungskläger zuzumuten, bei der Behörde einen Antrag zu stellen, der auf das Gegenteil dessen gerichtet ist, was er mit seinem Rechtsschutzbegehren erreichen will?

4 Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, denn Reichweite und Bedeutung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinreichend geklärt. Nach dieser Vorschrift ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. Urteile vom 25. April 1996 - BVerwG 3 C 8.95 - Buchholz 418.61 TierKBG Nr. 12 S. 18 f. und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133 = juris Rn. 12). § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO will mithin unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht (vgl. Urteil vom 7. September 1989 - BVerwG 7 C 4.89 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 93 S. 55 f. m.w.N.). Davon kann dann keine Rede sein, wenn die Feststellungsklage einen Rechtsschutz gewährleistet, der weiter reicht, als er mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erlangt werden kann (stRspr; Urteile vom 21. Februar 2008 - BVerwG 7 C 43.07 - Buchholz 451.223 ElektroG Nr. 1 Rn. 11, vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <156>, vom 29. Januar 2004 - BVerwG 3 C 29.03 - Buchholz 442.151 § 41 StVO Nr. 9, vom 5. Dezember 2000 - BVerwG 11 C 6.00 - Buchholz 407.2 § 13 EkrG Nr. 2 und vom 29. April 1997 - BVerwG 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 m.w.N.), wenn also die genannten Klagemöglichkeiten zu keinem gleichwertigen Rechtsschutz führen (Beschlüsse vom 25. Mai 1988 - BVerwG 3 B 5.88 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 98 S. 7 und vom 9. März 1990 - BVerwG 4 B 145.88 - juris Rn. 34). Davon ist etwa dann auszugehen, wenn sich der Kläger mit der Erhebung einer Verpflichtungsklage in Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsauffassung setzen müsste. So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass ein Kläger nicht auf die Erhebung einer Verpflichtungsklage zur Erlangung einer Erlaubnis verwiesen werden kann, wenn er die beabsichtigte Tätigkeit selbst für erlaubnisfrei hält und keine Erlaubnis anstrebt (Urteil vom 17. Januar 1972 - BVerwG 1 C 33.68 - BVerwGE 39, 247 <249>; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 43 Rn. 131 m.w.N.). Einen über diese Rechtsprechung hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

5 2. Die Beschwerde macht allerdings zu Recht einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend. Das Oberverwaltungsgericht hat, indem es die Klage des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO als unzulässig angesehen hat, die prozessuale Bedeutung dieser Vorschrift verkannt.

6 Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass Kläger und Beigeladene beabsichtigen, ihre Miteigentümergemeinschaft an dem ihnen gehörenden Grundstück durch Teilung aufzuheben. Hierzu seien von den Rechtsvorgängern des Klägers und den Beigeladenen Vereinbarungen über einen bestimmten Grenzverlauf sowie über die Teilung des Grundstücks geschlossen worden. Der Kläger sehe sich an diese Teilungsvereinbarungen aber nicht gebunden, weil er befürchte, durch diese Grundstücksteilung würden baurechtswidrige Zustände geschaffen. Gegenüber seinem Begehren festzustellen, dass die Teilung des Grundstücks entsprechend der „Variante 2“ in zwei Grundstücke Verhältnisse schaffe, die § 6 ThürBO widersprächen und es zur Genehmigung einer Abweichung eines Verfahrens nach § 63e ThürBO bedürfe, könne er jedoch vorrangig einen entsprechenden Antrag an die Bauaufsichtsbehörde nach § 8 Abs. 3 ThürBO stellen und so klären lassen, ob die Teilung zu baurechtswidrigen Zuständen führe. Daher bedürfe es der vorliegenden Feststellungsklage nicht (UA S. 6, 7). Diese Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts werden dem Rechtsschutzziel des Klägers nicht gerecht und führen daher zu einer Verkennung der Anforderungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Der Kläger möchte mit seiner Klage die Feststellung erreichen, dass eine Grundstücksteilung entsprechend der sogenannten „Variante 2“ bauordnungsrechtlich nicht ohne die Zulassung einer Abweichung nach § 63e ThürBO zulässig ist, weil sie den Anforderungen des § 8 Abs. 1 ThürBO nicht entspricht. Ziel seiner Klage ist mithin die Feststellung, dass die Grundstücksteilung nach der „Variante 2“ ohne Zulassung einer Abweichung bauordnungsrechtlich unzulässig ist. Nach dem vom Oberverwaltungsgericht ins Feld geführten § 8 Abs. 3 ThürBO hat die Bauaufsichtsbehörde auf Antrag eines Beteiligten ein Zeugnis darüber auszustellen, dass die Teilung des Grundstücks den Anforderungen des § 8 Abs. 1 und 2 ThürBO entspricht. § 8 Abs. 3 ThürBO regelt damit genau den umgekehrten Fall zum Rechtsschutzziel des Klägers. Damit kann der Kläger nicht auf einen entsprechenden Antrag an die Bauaufsichtsbehörde und im Falle seiner Ablehnung auf die Erhebung von Widerspruch und Verpflichtungsklage verwiesen werden. Infolge dessen kann die Feststellungsklage des Beschwerdeführers entsprechend den unter 1. gemachten Ausführungen nicht an § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO scheitern.

7 Der somit vorliegende Verfahrensfehler kann sich auf die Entscheidung der Vorinstanz ausgewirkt haben. Da im Übrigen das Oberverwaltungsgericht keine Einwände gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage gesehen hat, hätte es nicht im Wege des Prozess-, sondern des Sachurteils entscheiden müssen. Insofern ist nicht auszuschließen, dass die Vorinstanz ohne den Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weil sie im Rahmen der Begründetheitsprüfung zur Berechtigung des klägerischen Feststellungsbegehrens - wie bereits das Verwaltungsgericht - hätte kommen können. Da das Oberverwaltungsgericht hierzu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat und es insofern in erster Linie um die Anwendung irrevisiblen Landesrechts geht, kann der Senat nicht feststellen, dass sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Norm im Verfahren über die Zulassung der Revision: Beschlüsse vom 14. Februar 2002 - BVerwG 4 BN 5.02 - BRS 65 Nr. 53 m.w.N. und vom 8. Juni 2011 - BVerwG 4 BN 42.10 - BRS 78 Nr. 70 Rn. 9). Weil auch ein Revisionsverfahren deswegen nur zu einer Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht führen könnte, macht der Senat von seiner Befugnis nach § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Aus diesem Grund bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der vom Kläger weiter geltend gemachte Verfahrensfehler der unzureichenden Sachaufklärung vorliegt und ob die in Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfolgreich gewesen wären (vgl. Beschlüsse vom 3. Februar 1993 - BVerwG 11 B 12.92 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 10 = juris Rn. 6, vom 31. August 1999 - BVerwG 3 B 57.99 - NVwZ-RR 2000, 259 = juris Rn. 11 und vom 29. Juli 2013 - BVerwG 4 BN 13.13 - ZfBR 2014, 159 Rn. 9; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 133 Rn. 56; Pietzner/Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2013, § 133 Rn. 86).

8 3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.