Beschluss vom 26.03.2008 -
BVerwG 4 B 23.08ECLI:DE:BVerwG:2008:260308B4B23.08.0

Beschluss

BVerwG 4 B 23.08

  • Bayerischer VGH München - 09.08.2007 - AZ: VGH 25 B 05.1339

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. März 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn, Gatz
und Dr. Jannasch
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. August 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

2 Der Verwaltungsgerichtshof hat der Beklagten als ermessensfehlerhaft vorgehalten, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB außer Acht gelassen zu haben, dass sie die beantragte Ausnahme für die Erweiterung des Antennenstandorts um drei UMTS-Antennen aus Zweckmäßigkeitsgründen nur im Rahmen eines schlüssigen Rückbaukonzepts ablehnen könnte, das konkrete bauaufsichtliche Maßnahmen gegen den vorhandenen Antennen-Wildwuchs voraussetze. Entsprechendes sei von der Beklagten bisher nicht erwogen worden, wäre aber grundsätzlich möglich. Grundlage hierfür sei der Bebauungsplan, der gewerbliche Mobilfunkanlagen ausnahmsweise zulasse, und das nach § 31 Abs. 1 BauGB eröffnete Ausnahmeermessen, innerhalb dessen die Beklagte einer städtebaulich unerwünschten Häufung dieser Anlagen entgegenwirken könne, gegebenenfalls auch durch eine Bündelung von Anlagen auf wenigen Antennenträgern. Der ablehnende Bescheid habe deshalb aufgehoben und die Beklagte verpflichtet werden müssen, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (UA S. 18, 19).

3 Die Klägerin, die mit dem erstinstanzlichen Urteil meint, dass das Ermessen zu ihren Gunsten auf Null reduziert sei, hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Liegt ein hinreichender städtebaulicher Grund zur Versagung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB auch dann vor, wenn dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Bauantrag noch nicht existiert, die Genehmigungsbehörde aber die rechtliche Möglichkeit hätte, mit künftigen Maßnahmen eine städtebauliche Situation herbeizuführen, sodass nach Durchführung der entsprechenden Maßnahmen ein städtebaulicher Belang vorläge, der die Versagung der Ausnahme rechtfertigen könnte?
Ist es mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, eine Ausnahme für eine Mobilfunksendeanlage auf einem Gebäude abzulehnen, auf dem sich zahlreiche (43) weitere Antennen befinden, die ohne behördliche Genehmigung oder Zulassung illegal errichtet worden sind, weil nach Vollzug eines schlüssigen Rückbaukonzepts eine Ausnahmegenehmigung für weitere Antennen versagt werden könnte?

4 Die erste Frage nötigt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde. Die Klägerin entnimmt dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz, rechtlich in Betracht kommende Gestaltungsmöglichkeiten (hier das Rückbaukonzept) rechtfertigten die Versagung einer Ausnahme im Wege der Ermessensausübung auch dann, wenn sie von der handelnden Behörde bisher in keiner Weise in Erwägung gezogen worden sind. Diesen Rechtssatz möchte sie einer revisionsgerichtlichen Kontrolle zuführen (Beschwerdebegründung S. 7 zu B. 4). Der Verwaltungsgerichtshof hat einen solchen Rechtssatz aber nicht aufgestellt. Er hat - im Gegenteil - den Umstand, dass die Beklagte ein rechtlich grundsätzlich mögliches Rückbaukonzept nicht erwogen hat, zum Anlass genommen, der Beklagten eine fehlerhafte Betätigung ihres Ermessens zu attestieren. Nach seiner Ansicht darf die Beklagte die beantragte Ausnahme nur versagen, wenn sie zum Zeitpunkt der erneuten Entscheidung über den Antrag ein schlüssiges Rückbaukonzept entwickelt hat, das konkrete bauaufsichtliche Maßnahmen gegen den vorhandenen Antennen-Wildwuchs voraussetzt. Die Frage, ob die künftige städtebauliche Situation, die die Beklagte durch die Umsetzung eines Rückbaukonzepts möglicherweise herbeiführen kann, bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine negative Ermessensentscheidung rechtfertigen kann (Beschwerdebegründung S. 7 zu B. 5), hat er zu Gunsten der Klägerin verneint. Ob eine fehlerfreie Ermessensausübung bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB ein schlüssiges Rückbaukonzept voraussetzt, ist eine Frage, die nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten ist und sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entzieht.

5 Die zweite Frage rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist es nicht damit getan zu thematisieren, ob eine behördliche Maßnahme mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine zur Zulassung der Revision führende Frage des Bundesrechts ist nur aufgeworfen, wenn dargelegt wird, dass der verfassungsrechtliche Maßstab selbst, hier Art. 3 Abs. 1 GG, einen grundsätzlichen Klärungsbedarf aufweist (vgl. Beschluss vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebührenrecht Nr. 49; stRspr). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.