Beschluss vom 26.02.2004 -
BVerwG 4 B 10.04ECLI:DE:BVerwG:2004:260204B4B10.04.0

Beschluss

BVerwG 4 B 10.04

  • OVG Rheinland-Pfalz - 27.11.2003 - AZ: OVG 1 A 10672/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 37 500 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
1. Die Beklagte rügt als Verfahrensfehler, dass das vorinstanzliche Urteil die in § 144 Abs. 6 VwGO angeordnete Bindungswirkung verletzt. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Die Beschwerde trägt hierzu vor, das Bundesverwaltungsgericht sei in seinem die Rechtssache an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisenden Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 4.02 - (NVwZ 2003, 738) "von einer verfahrensfehlerfreien Aufstellung und auch von einem, bis auf die Flächenbilanz, im Übrigen materiellrechtlich ordnungsgemäßen Raumordnungsplan ausgegangen". Es habe die Zurückverweisung mit dem Hinweis verbunden, dass das Berufungsgericht "lediglich noch zu beurteilen habe, ob die Flächenbilanz ausschließlich in Bezug auf die ausgewiesenen Vorranggebiete (und damit unter Außerachtlassung der Vorbehaltsflächen) den Anforderungen an eine sorgfältige Abwägung genüge und nicht in Wahrheit eine Negativplanung darstelle". Hieran sei das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung gebunden. Gleichwohl habe das Berufungsgericht, ohne auch nur ansatzweise auf die vom Bundesverwaltungsgericht für klärungsbedürftig gehaltene Frage einzugehen, nunmehr im Rahmen der Inzidentkontrolle den Raumordnungsplan Mittelrhein-Westerwald "Standortbereiche für die Windenergienutzung" in der Fassung der III. Teilfortschreibung vom 1. August 2001 für unwirksam erachtet und dem Klageantrag stattgegeben. Diese Verfahrensrüge greift nicht durch.
Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO erfasst zwar nicht nur die dem Zurückverweisungsurteil unmittelbar zugrunde liegende rechtliche Würdigung, sondern auch die den unmittelbaren Zurückverweisungsgründen vorausliegenden Gründe, soweit diese notwendige Voraussetzungen für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1973 - BVerwG 8 C 159.72 - BVerwGE 42, 243 <247>; stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2000 - BVerwG 8 B 154.00 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 68 m.w.N.). Entgegen der Beschwerde enthält das Zurückverweisungsurteil des beschließenden Senats vom 13. März 2003 jedoch nicht die in der Beschwerdebegründung angeführten Aussagen zur verfahrensfehlerfreien Aufstellung und materiellen Rechtmäßigkeit des vorgenannten Raumordnungsplans. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Beschwerde wörtlich zitierten Sätzen des Revisionsurteils vom 13. Mai 2003, die sich auf den rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts in seinem Urteil vom 28. Februar 2002 beziehen, die drei Teilfortschreibungen des Raumordnungsplans als rechtliche Einheit im Sinne eines planerischen Gesamtergebnisses zu werten. Dem Revisionsurteil vom 13. März 2003 kann lediglich entnommen werden, dass dieser übergreifende Ansatz keinen bundesrechtlichen Bedenken begegnet. Das Revisionsurteil prüft jedoch nicht, ob die rechtliche Gesamtbetrachtung, die dem Berufungsurteil zugrunde liegt, nach Verfahrensablauf und Inhalt der drei Teilfortschreibungen gerechtfertigt ist. In diesem Punkt beschränkt sich das Revisionsurteil auf die Feststellung, der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts sei für das Revisionsgericht bindend, weil er die Auslegung irrevisiblen Landesrechts betreffe und auf einer tatrichterlichen Würdigung des gesamten Planungsverfahrens beruhe.
Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen § 144 Abs. 6 VwGO ferner darin, dass das Berufungsgericht in seinem (hier angegriffenen) Urteil vom 27. November 2003 entgegen seiner Gesamtbetrachtung im Urteil vom 28. Februar 2002 der Auffassung sei, die drei Teilfortschreibungen des Raumordnungsplans ließen kein nachvollziehbares Gesamtkonzept für den Ausschluss von Windenergieanlagen erkennen. Das Berufungsgericht bringe damit zum Ausdruck, dass es "hinsichtlich der Auslegung sämtlicher landesrechtlicher Normen keinerlei Bindungen an die in dem Rechtszug vorausgegangenen Entscheidungen unterliege". Dem könne zumindest insoweit nicht gefolgt werden, "als das Revisionsurteil zwangsläufig auf der rechtlichen Würdigung landesrechtlicher Normen durch das Berufungsgericht aufbaut".
Auch dieses Vorbringen lässt keinen Verfahrensfehler der Vorinstanz erkennen. Die Beschwerde verkennt die Bedeutung der in § 144 Abs. 6 VwGO angeordneten Bindungswirkung. Die Auslegung irrevisiblen Landesrechts unterliegt in dem Umfang, in dem sie das Revisionsgericht gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO hinzunehmen hat, nicht der Bindungswirkung zurückverweisender Entscheidungen. § 144 Abs. 6 VwGO begrenzt die Bindungskraft zurückverweisender Entscheidungen bereits seinem Wortlaut nach auf die "rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts". Das entspricht dem Ziel der Vorschrift. Es besteht darin, durch die Bindung der Vorinstanz die Wiederholung des im Zurückverweisungsurteil missbilligten Fehlers zu verhindern (zu diesem Normzweck vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1973 a.a.O., S. 247). Die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO knüpft an die eigene rechtliche Würdigung des Revisionsgerichts an. Die Auslegung irrevisiblen Landesrechts durch die Instanzgerichte scheidet daher, soweit sie der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts entzogen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen ist, von vornherein als Gegenstand der Bindung aus.
2. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, "ob sich die Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO auch auf die durch das Berufungsgericht vorgenommene Auslegung irrevisiblen Landesrechts bezieht, soweit diese Auslegung auch Voraussetzung für die Zurückverweisungsentscheidung des Revisionsgerichts ist", ist daher nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift sowie auf der Grundlage der vorgenannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts unschwer zu verneinen und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.