Urteil vom 25.11.2010 -
BVerwG 2 WD 28.09ECLI:DE:BVerwG:2010:251110U2WD28.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.11.2010 - 2 WD 28.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:251110U2WD28.09.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 28.09

  • Truppendienstgericht Süd 7. Kammer - 17.03.2009 - AZ: TDG S 7 VL 22/08

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 25. November 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Henk und
ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Mrosk,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 17. März 2009 im Ausspruch über die verhängte Disziplinarmaßnahme und die Kosten geändert.
  2. Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot von 18 Monaten nebst einer Kürzung seiner Dienstbezüge auf die Dauer von 10 Monaten um ein Zwanzigstel verhängt.
  3. Der Soldat hat die Kosten beider Instanzen zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die durch die Gestellung des Soldaten zu dem für den 27. Januar 2009 anberaumten Hauptverhandlungstermin entstanden sind; diese werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der jetzt 26 Jahre alte Soldat mit „Qualifiziertem Realschulabschluss“ trat nach erfolgreicher Ausbildung zum Pharmazeutisch-technischen Assistenten und anschließender Tätigkeit in seinem Beruf am 4. Oktober 2004 mit dem vorläufigen Dienstgrad eines Feldwebels eine viermonatige Eignungsübung beim Gebirgssanitätsregiment ... in K. an. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung wurde er am 4. Februar 2005 unter gleichzeitiger Ernennung zum Feldwebel in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde auf 12 Jahre festgesetzt und wird voraussichtlich mit Ablauf des 3. Oktober 2016 enden. Zum Oberfeldwebel wurde er am 7. Dezember 2006 befördert. Nach zwischenzeitlichen Zweifeln ist geklärt, dass er Luftwaffenuniformträger ist.

2 Nach den für einen „Feldwebel des Sanitätsdienstes“ üblichen Lehrgängen, Ausbildungen und fachlichen Verwendungen befand sich der Soldat im Oktober/November 2006 im Rahmen der internationalen Schutztruppe „KFOR“ bei der Klinikkompanie in Prizren/Kosovo. Vom 9. Oktober 2007 bis 28. Dezember 2007 war er zur ..../Gebirgssanitätsregiment ..., einer Ausbildungskompanie in K., kommandiert und dort als Gruppenführer im Einsatz. Anschließend befand er sich bei der Sanitätsmaterialkompanie in Ka. auf dem Dienstposten eines „Sanitätsmaterialfeldwebels“, bevor er zum 1. Juli 2008 zur .../Sanitäts-lehrregiment in F. versetzt und dort auf dem Dienstposten eines „Sanitätsfeldwebels“, Zweitverwendung „Pharmazeutisch-technischer Assistent“, eingesetzt wurde. Seit Juli 2010 gehört er der ..../Sanitätslehrregiment in F. an.

3 Der Soldat wurde bisher dreimal planmäßig beurteilt. In der „Beurteilung bei Eignungsübungen“ vom 11. Januar 2005 bewertete der Vorgesetzte die Leistungen des damals auf dem Dienstposten eines „Sanitätsfeldwebel Material PTA“ mit fachlichen Aufgaben betrauten Soldaten hinsichtlich des Merkmals „Durchsetzungsverhalten“ mit der zweitniedrigsten Stufe „2“ („entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen“) und beschrieb ihn im Abschnitt „F“ u.a. wie folgt:
„Seine Eignung zur Menschenführung ist genauso wie sein Durchsetzungsvermögen noch nicht voll ausgeprägt. Sein theoretisches Fachwissen ist sehr deutlich erkennbar, allerdings bedarf Feldwebel ... im Bereich der praxisnahen Umsetzung noch der Einarbeitungszeit.
Feldwebel ... sollte auf jeden Fall die Möglichkeit gegeben werden, durch eine Verlängerung der Eignungsübung um 4 Monate die schon jetzt erkennbar guten Anlagen noch weiter auszubauen und unter Beweis zu stellen.“

4 Obwohl der nächsthöhere Vorgesetzte eine Verlängerung der Eignungsübung um vier Monate befürwortet hatte, lehnte die personalführende Dienststelle die beantragte Verlängerung ab.

5 In der Beurteilung des Soldaten vom 28. Juni 2006, die sich ebenfalls auf seine fachliche Verwendung bezog, wurden im Abschnitt „F“ die Einzelmerkmale „Durchsetzungsverhalten“ und „Praktisches Können“ am schlechtesten, nämlich mit der Stufe „3“ („entsprechen den Anforderungen“) bewertet. Im Abschnitt „H“ wurde dem Soldaten bescheinigt, „seit Dienstbeginn bei der ..../Gebirgs-sanitätsregiment ... eine positive Entwicklung durchlaufen“ zu haben. Der Vorgesetzte hielt den Soldaten u.a. für „Führungsverwendungen in der Truppe“ sowie für „Allgemeine Führungsverwendungen“ für „geeignet“, für „Fachverwendungen“ für „gut geeignet“. Der nächsthöhere Vorgesetzte erklärte sich mit dieser Beurteilung einverstanden. Den Soldaten zeichneten u.a. „seine sehr guten fachlichen Kenntnisse“ aus.

6 Auch die planmäßige Beurteilung vom 18. Juli 2007 bezog sich auf die fachliche Verwendung des Soldaten als „Sanitätsfeldwebel - Pharmazeutisch-tech-nischer Assistent“. Im Abschnitt „3. Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ wurden bei einem Durchschnittswert von „4,29“ u.a. die Einzelmerkmale „Ausbildung“ und „Führungsverhalten“ nicht bewertet, weil der Soldat wegen „seiner fachlichen Qualifikation als SanFwPharmTAss...in der NschGrp SanMat eingesetzt“ war, „ohne dass ihm Soldaten unterstellt“ waren. Auch im Abschnitt „Persönlichkeitsprofil“ wurde die „Kompetenz in Menschenführung“ nicht bewertet; „bestimmendes Merkmal“ war hier die „Geistige Kompetenz“. Dabei war dem Soldaten u.a. bescheinigt worden, sich seiner Verantwortung als militärischer Führer durchaus bewusst zu sein; allerdings solle er seine Rolle und sein Auftreten als solcher stärker herausarbeiten und in dieser Funktion selbstsicherer werden.

7 Hauptmann G., damals Kompaniechef der .../Sanitätslehrregiment in F. und Disziplinarvorgesetzter des Soldaten, hatte als Leumundszeuge bereits vor dem Truppendienstgericht erklärt, leistungsmäßig habe er den Soldaten in das untere Drittel seiner 21 Unteroffiziere mit Portepee eingeordnet.

8 Der disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastete, ledige Soldat erhält Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 7 BBesG mit Amtszulage. Seine monatlichen Bruttodienstbezüge belaufen sich auf etwa 1 860 €. Nach eigenen Angaben sind seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet.

II

9 1. In dem durch Verfügung vom 14. April 2008 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich Sanitätskommando IV dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 8. August 2008 folgenden Sachverhalt als schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:
„Der Soldat befahl am 21.11.2007 auf dem Parkplatz des Guts G. im Rahmen der Grundausbildung Soldaten des II. Zuges der .../Gebirgssanitätsregiment ... in Grundstellung und ließ diese so angetretenen Soldaten mit dem gesamten Marschgepäck von 15 bis 18 Kilo bei minus 5 Grad Außentemperatur für ca. 30 bis 40 Minuten im Freien stehen, obwohl für ein derart langes Verweilen in Grundstellung keine dienstliche Notwendigkeit gegeben war, was dem Soldaten zumindest hätte bewusst sein können und müssen. Während dieser Zeit begab er sich in die Kantine des Guts G., um dort u.a. einen Kaffee zu trinken. Die Grundstellung wurde durch die Soldaten ununterbrochen beibehalten, was dazu führte, dass ein Soldat in Ohnmacht fiel.“

10 2. Wegen dieses Sachverhaltes hat bereits der Kompaniechef der Sanitätsmaterialkompanie in Ka. gegen den Soldaten am 7. Januar 2008 eine Geldbuße in Höhe von 400 € verhängt, die schon vollstreckt ist.

11 3. Dem Vorschlag des Vorsitzenden Richters der 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd, das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten mit einem Disziplinargerichtsbescheid rechtskräftig zu beenden, stimmte die Wehrdisziplinaranwaltschaft wiederholt nicht zu. Eine für den 27. Januar 2009 anberaumte Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht wurde aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht durchgeführt. Anstelle dessen wurden an jenem Tag vom Vorsitzenden in Anwesenheit der Beteiligten kommissarisch zwei Zeugen angehört.

12 4. Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts hat dann aufgrund der Hauptverhandlung vom 17. März 2009 durch Urteil vom selben Tag entschieden, dass gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot für die Dauer von 12 Monaten ausgesprochen wird. Zugleich hat die Kammer die am 7. Januar 2008 verhängte Disziplinarmaßnahme (Geldbuße über 400 €) aufgehoben und insgesamt folgende Kostenentscheidung getroffen:
„Die Kosten des Verfahrens werden dem Soldaten auferlegt, allerdings mit Ausnahme der Kosten, die durch die Hauptverhandlung (vom 17. März 2009) sowie mit Ausnahme der Kosten, die für die auf den 27. Januar 2009 anberaumten, aber wieder abgesetzten Hauptverhandlung und schließlich mit Ausnahme der Kosten, die durch die kommissarische Zeugenvernehmung vom 27. Januar 2009 entstanden sind; diese für die Hauptverhandlung zuzüglich der durch die terminierte, aber wieder abgesetzten Hauptverhandlung einschließlich der durch die kommissarische Anhörung entstandenen Kosten werden genauso wie die dem Soldaten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen dem Bund auferlegt.“

13 In tatsächlicher Hinsicht hat das Truppendienstgericht folgende Feststellungen getroffen:
„Im IV. Quartal 2007 war der Soldat als Gruppenführer des II. Zuges der Ausbildungskompanie .../GebSanReg ... eingesetzt. Diese vorübergehende Verwendung des in der .../GebSanReg ... diensttuenden Soldaten erfolgte mit der Zielrichtung, den Soldaten mit Grundsätzen der Menschenführung vertraut zu machen und entsprechende Erfahrung sammeln zu lassen.
Die etwa drei Tage dauernde EAKK-Basisausbildung wurde am 21. November 2007 (Mittwoch) mit der Einnahme der Mittagsverpflegung beendet, und die Teilnehmer sollten nun zurück in ihre festen Unterkünfte transportiert werden. Deshalb ließ der Soldat die Angehörigen des Zuges bei minus 5 Grad auf dem Parkplatz des Guts G... mit dem gesamten Marschgepäck von etwa 15 Kilogramm antreten, um sie auf die bereitstehenden Busse zu verteilen.
Nachdem nicht alle der angetretenen Zugangehörigen in den Bussen Platz gefunden hatten, äußerte der Soldat gegenüber den weiter auf dem Parkplatz verbliebenen zehn bis zwanzig Rekruten sinngemäß: ‚Die eine Hälfte hat Glück gehabt, die andere Hälfte Pech’ und ließ sie im ‚Achtung’ stehen; unter den Betroffenen waren u.a. die SanS K. und S. sowie der am 27. Januar 2009 richterlich angehörte Flg T. .
Während dieses Vorgangs machte der Ausbilder StGefr H. den Soldaten darauf aufmerksam, dass einige der Angetretenen für den Soldaten nicht erkennbar mit den Augen rollten, sich kratzten, das Gesicht verzögen und bei dem Kommando ‚Achtung’ nicht den Körper, sondern nur den Kopf in Richtung Vorgesetzten drehten. Deshalb belehrte der Soldat, wie man sich bei den Kommandos ‚Achtung’ bzw. ‚Stillgestanden’ zu verhalten habe und ließ die auf dem Parkplatz verbliebenen Zugangehörigen zum Üben weiter in Grundstellung stehen, um sich dann für etwa zehn bis fünfzehn Minuten zum Kaffeetrinken in die so bezeichnete Hütte des Gutes G. zu entfernen. In dem Zusammenhang erklärte der Soldat ausdrücklich, dass ihm selbst nicht erkennbar gewesen sei, wer im Einzelnen die von ihm so genannte ‚Disziplinlosigkeit’ gezeigt habe. In der Hütte angekommen, bestätigten ihm die Unterführer, dass seine gegen die Soldaten ergriffene Maßnahme ‚so passt’; namentlich waren dem Soldaten für ihre insoweit zustimmende Äußerung noch der bereits oben erwähnte StGefr H. und Fw Sc. erinnerlich. Wieder auf dem Parkplatz zurückgekehrt, stellte er einige von ihm aus der Hütte beobachtete Mängel ab. Der SanS S., der auf Grund eines ärztlichen Attestes von der Gepäcktragung befreit war, legte sein Gepäck ab, woraufhin der Soldat ihm das ‚Rühren’ erlaubte. Die Übrigen in Grundstellung Angetretenen behielten weiter ihren Rucksack auf und ihre Gewehre über der Schulter. Allerdings verursachte die Grundstellung, dass bei einigen die Waffe herunterrutschte, da die Hände wegen der Grundstellung nicht zum Festhalten benutzt werden konnten. Die Angetretenen versuchten jedoch das Herunterfallen der Waffen zu verhindern und mussten sich deshalb bewegen, was wiederum von dem Soldaten erkannt wurde und ihn zu der Bemerkung veranlasste, dass das Stillstehen weiter ‚geübt’ werden müsse. Zum zweiten Mal entfernte er sich in das Gut G. und beobachtete von dort aus den angetretenen Restzug. Währenddessen wurde es dem SanS K., den der Soldat vor die Front gestellt hatte, schlecht und er fiel nach hinten auf seinen umgehängten Rucksack mit dem aufgeschnallten Schlafsack. Dieses Geschehen nahm der bereits oben erwähnte SanS S. zum Anlass, den Soldaten aufzusuchen und auf den Vorgang aufmerksam zu machen; der Soldat lief dann unverzüglich zum Ort des Geschehens, wo sich bereits die beiden Ausbilder StGefr H. und Fw Sc. um den SanS K. kümmerten und einer der beiden Ausbilder den Restzug rühren und zur Seite treten ließ - das war etwa 25 Minuten nach dem Befehl zum Antreten.
Der Soldat hielt kurz darauf mit dem Fahrer des eingetroffenen Busses Rücksprache und erlaubte sodann den auf dem Parkplatz befindlichen Zugangehörigen das Aufsitzen.
Eine von dem Soldaten angedachte Entschuldigung bei dem betroffenen SanS K. unterblieb, weil ihm sein Zugführer OFw D. mit der Bemerkung davon abriet, dass sich ein Vorgesetzter nicht entschuldigt.
Die Vorgänge wurden durch Einschaltung des Bruders eines der Betroffenen bekannt, der seinerzeit als Offizier Dienst bei der Bundeswehr leistete. Die Zugangehörigen selbst schrieben keine Meldung oder Beschwerde; jedenfalls findet sich in den Ermittlungsakten kein entsprechendes Dokument. Der richterlich angehörte Flg T. äußerte sogar Sympathie für den Soldaten, wenn er ihn als ‚strengen Ausbilder’ beschreibt, bei dem es ‚Spaß gemacht hat’. Im Zuge der Ermittlungen entband die Kompanieführung zu einem im Nachhinein nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im November / Dezember 2007 den Soldaten von der Führung der Gruppe und OFw D. von der Führung des Zuges, ohne sie aber aus der Grundausbildung herauszulösen...“.

14 Das Truppendienstgericht hat das festgestellte Verhalten des Soldaten als vorsätzliche Verstöße gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG), seine Pflicht, Befehle insbesondere nur unter Beachtung der Gesetze und Dienstvorschriften zu erteilen (§ 10 Abs. 4 SG), seine Kameradschaftspflicht (§ 12 SG) sowie gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) gewertet. Diese schuldhaften Pflichtverletzungen stellten ein Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG) dar.

15 Zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat die Truppendienstkammer u.a. ausgeführt, das Dienstvergehen sei dadurch geprägt, dass der Soldat ihm unterstellte Rekruten, die „schwächsten“ Angehörigen der Bundeswehr, einmalig mit einer nicht nur unverhältnismäßigen, sondern auch unzulässigen „Kollektivstrafe“ überzogen habe, indem er sie nach Abschluss der eigentlichen Ausbildung mindestens 25 Minuten im Freien bei minus 5 Grad in der von ihm befohlenen Grundstellung habe verharren lassen, währenddessen er sich zum Kaffeetrinken begeben habe. Tatmildernd sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat gehandelt habe. Mangels Erfahrung in der Menschenführung habe sich der Soldat bei den Disziplinlosigkeiten der Rekruten nicht anders zu helfen gewusst. Seine Kopflosigkeit sei gesteigert worden durch die von einigen Soldaten nach dem ersten Kommando „Achtung“ gezeigte Disziplinlosigkeit, die ihn provoziert habe. Darüber hinaus habe der Soldat wegen seiner - den Vorgesetzten bekannten - Defizite in der Menschenführung der helfenden Dienstaufsicht bedurft, die unterblieben sei. Ihm sei deshalb eine Minderung der Eigenverantwortung zuzubilligen. Ferner habe er Einsicht und Reue gezeigt und sich nur durch die Auffassung seines damaligen Zugführers tatzeitnah von einer Entschuldigung abbringen lassen. Nach alledem habe der Soldat ein Beförderungsverbot am untersten Rand des gesetzlichen Rahmens verwirkt. Diese Disziplinarmaßnahme habe auch Auswirkungen auf den dienstlichen Werdegang des Soldaten, der seinen Enddienstgrad noch nicht erreicht und eine Dienstzeit von mehr als 7 Jahren vor sich habe.

16 Die Kostenentscheidung beruhe auf § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO, was näher dargelegt wird.

17 5. Gegen das ihr am 1. April 2009 zugestellte Urteil hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 28. April 2009 zuungunsten des Soldaten Berufung, beschränkt auf das Disziplinarmaß, eingelegt mit dem Antrag, ein 18-monatiges Beförderungsverbot nebst einer Kürzung seiner Dienstbezüge für 10 Monate um ein Zwanzigstel auszusprechen und die erstinstanzliche Kosten- und Auslagenentscheidung abzuändern.

18 Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme sei nicht tat- und schuldangemessen. Ein Beförderungsverbot wirke sich im Sinne des § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO nicht nur dann nicht aus, wenn wegen zu kurzer Restdienstzeit des Soldaten eine Beförderung ohnehin nicht mehr anstehe, sondern auch in den Fällen, in denen aufgrund von laufbahnrechtlichen Vorschriften (Mindestwartezeiten für die Verleihung eines höheren Dienstgrades) eine Beförderung während der Zeit des disziplinarischen Beförderungsverbotes ohnehin ausgeschlossen sei. Die Auffassung der Truppendienstkammer, auch ein Beförderungsverbot an der untersten gesetzlich vorgegebenen Grenze könne noch Auswirkungen auf den militärischen Werdegang des Soldaten haben, gehe fehl. Nach Ablauf des Beförderungsverbotes sei das entsprechende disziplinargerichtliche Urteil zwar noch bis zur Tilgung Bestandteil der Personalakte, dürfe aber bei ordnungsgemäßer Erstellung von Beförderungsreihenfolgen nicht mehr berücksichtigt werden.

19 Ferner sei die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich der Auferlegung der Verfahrenskosten und der notwendigen Auslagen des Soldaten fehlerhaft. Im Wesentlichen wird geltend gemacht, der Soldat habe grundsätzlich die Verfahrenskosten zu tragen. Dies gelte jedoch nicht für die Kosten, die durch die Hauptverhandlung vom 27. Januar 2009 veranlasst worden seien, soweit diese Kosten nicht auch anlässlich der an diesem Tag erfolgten richterlichen Vernehmungen entstanden wären. Die nicht dem Soldaten aufzuerlegenden Kosten trage der Bund einschließlich der dem Soldaten anlässlich der Hauptverhandlung vom 27. Januar 2009 entstandenen notwendigen Auslagen.

III

20 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht zuungunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft ist in vollem Umfang begründet. Sie führt nicht nur zur Verlängerung der Laufzeit des erstinstanzlich verhängten Beförderungsverbots von 12 auf 18 Monate nebst der Verhängung einer Kürzung der Dienstbezüge auf die Dauer von 10 Monaten um ein Zwanzigstel, sondern auch zur Abänderung des erstinstanzlichen Ausspruchs über die Auferlegung der Verfahrenskosten sowie der notwendigen Auslagen des Soldaten.

21 1. Das Rechtsmittel ist ausdrücklich und auch nach seinem Inhalt auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Sodann hat er auf dieser Grundlage in der Sache über die angemessene Disziplinarmaßnahme und anschließend - als Annex zur Sachentscheidung - über die Auferlegung der erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten sowie der notwendigen Auslagen des Soldaten zu befinden.

22 2. Das Truppendienstgericht ist zu der für den Senat bindenden (Schuld-)Fest-stellung gelangt, dass der Soldat durch das festgestellte Verhalten vorsätzlich gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG), seine Pflicht, Befehle nur unter Beachtung der Gesetze und Dienst-vorschriften zu erteilen (§ 10 Abs. 4 SG), seine Kameradschaftspflicht (§ 12 SG) sowie gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen hat und damit ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen hat. Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und damit für den Senat bindend.

23 Ob diese Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen worden sind, darf vom Senat nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 10. September 2009 - BVerwG 2 WD 28.08 - Rn. 14 m.w.N.) nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindend gewordenen Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

24 Der Senat ist allerdings nicht gehindert, Lücken in den tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts zu schließen und zusätzlich eigene, für die Maßnahmebemessung erhebliche Feststellungen zum Tathergang zu treffen, solange dies weder im Widerspruch zu den Tat- und Schuldfeststellungen der Truppendienstkammer steht noch dadurch deren rechtliche Würdigung in Frage gestellt wird (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil vom 10. September 2009 a.a.O.).

25 3. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassung wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 = DokBer 2009, 15 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

26 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung. Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten schwer.

27 Eine unwürdige, demütigende oder ehrverletzende Behandlung Untergebener - hier durch pflichtwidrige Diensterschwerung - ist für einen Soldaten in Vorgesetztenstellung stets ein sehr ernstzunehmendes Fehlverhalten; es verstößt gegen die Wehrverfassung der Bundesrepublik Deutschland und gegen die Prinzipien der Inneren Führung der Bundeswehr. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses Gebot gilt auch für die Streitkräfte als Teil der Exekutive und bedarf im militärischen Bereich mit seiner streng hierarchischen Gliederung sogar besonderer Beachtung, insbesondere wenn es - wie hier - um die Erziehung und Ausbildung von Wehrpflichtigen geht. Diese sind aufgrund ihres Status als Dienstpflichtige im untersten militärischen Rang besonders schutzbedürftig. Welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Schutz untergebener Soldaten beimisst, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Misshandlung und entwürdigende Behandlung Untergebener gemäß §§ 30, 31 WStG mit Freiheitsstrafe bedroht sind (vgl. Urteil vom 11. Juni 2002 - BVerwG 2 WD 38.01 - NZWehrr 2003, 122 m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 51>).

28 Der Unrechtsgehalt des Dienstvergehens folgt auch aus der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten:
Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist regelmäßig bereits deshalb von erheblicher Bedeutung. Die Treuepflicht gebietet jedem Soldaten, seine Dienstpflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber dem Dienstherrn zu erfüllen sowie innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Teilstreitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können. Im Rahmen der gewissenhaften Dienstausübung hat der Soldat bei der Wahrnehmung ihm übertragener Aufgaben die hierfür geltenden Gesetze und Dienstvorschriften zu beachten und Handlungen zu unterlassen, die diesen zuwiderlaufen.

29 Der Verstoß des Soldaten als Vorgesetzter gegen seine Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) hat ebenfalls erhebliches Gewicht. Die Fürsorgepflicht gehört zu den vornehmsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen. Sie beinhaltet zunächst die Pflicht jedes militärischen Vorgesetzten, untergebene Soldaten nach Recht und Gesetz zu behandeln. Der Untergebene muss ferner das - berechtigte - Gefühl haben, dass er vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet wird, sondern dass dieser von den ihm eingeräumten (Befehls-)Befugnissen nur unter angemessener Berücksichtigung der persönlichen Belange des Untergebenen Gebrauch macht, sich bei allen Handlungen und Maßnahmen vom Wohlwollen gegenüber dem jeweiligen Soldaten leiten lässt und dass er stets bemüht ist, diesen vor Schäden und unzumutbaren Nachteilen zu bewahren. Insbesondere muss der Vorgesetzte die körperliche Integrität sowie die Ehre und Würde des Untergebenen strikt achten (stRspr, z.B. Urteil vom 22. April 2009 - BVerwG 2 WD 12.08 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 28 m.w.N.).

30 Das Truppendienstgericht hat für den Senat auch bindend angenommen, dass der Soldat nach den Gesamtumständen durch seine Befehlsgebung „Achtung“, d.h. Grundstellung mit Front zum Vorgesetzten, für die Dauer von etwa 25 Mi-nuten gegen die Menschenwürde, den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie gegen den Erlass „Erzieherische Maßnahmen“ und damit gegen § 10 Abs. 4 SG verstieß. Nach Nr. 302 der zur Tatzeit geltenden Fassung der „Erzieherischen Maßnahmen“ (ZDv 14/3 B 151) vom 1. Januar 1989 finden bei (Erziehungs-)Mängeln - hier angeblichen „Disziplinlosigkeiten“ der Rekruten - alle Erzieherischen Maßnahmen ihre Grenzen u.a. in der Wahrung der Menschenwürde und der persönlichen Ehre, der Beachtung der Gesetze, Vorschriften und Erlasse sowie der Gesundheit des Soldaten. Maßnahmen, die u.a. den Zweck verfolgen, eine Gruppe wegen eines darin verborgenen Einzelnen zu treffen, sind unzulässig (Nr. 307 des Erlasses „Erzieherische Maßnahmen“ - Verbot der sogenannten „Kollektivstrafe“, vgl. dazu auch BDH, Urteil vom 14. April 1961 - WD 53/60 - BDHE 6, 155 <157>).

31 Unter diesen Voraussetzungen stellt die Erteilung des rechtswidrigen Befehls einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen eine zentrale Dienstpflicht eines Vorgesetzten dar. Die Einhaltung der durch § 10 Abs. 4 Soldatengesetz gezogenen Grenzen seiner Befehlsbefugnis gehört zu seinen wesentlichen soldatischen Pflichten. Dies gilt unabhängig davon, ob mit der Erteilung des Befehls, für den der Vorgesetzte in jedem Fall nach § 10 Abs. 5 SG die Verantwortung trägt, im Einzelfall zugleich ein Straftatbestand, etwa nach § 32 WStG („Missbrauch der Befehlsbefugnis zu unzulässigen Zwecken“), verwirklicht wurde oder nicht. Die strikte Beachtung dieser Begrenzung der Befehlsbefugnis eines militärischen Vorgesetzten ist im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes von fundamentaler Bedeutung, und zwar sowohl im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Stellung der bewaffneten Streitkräfte, die als Teil der vollziehenden Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in jeder Hinsicht an Recht und Gesetz gebunden sind, als auch im Hinblick auf die durch Art. 1 Abs. 3 GG gebotene Beachtung der Grundrechte der (als Untergebene) betroffenen Soldaten. Denn der besondere Unrechtsgehalt einer Überschreitung der Grenzen der Befehlsbefugnis kommt auch darin zum Ausdruck, dass der militärische Vorgesetzte mit einem solchen Befehl Untergebene in eine äußerst schwierige Situation bringt. Diese sind nach § 11 Abs. 1 SG grundsätzlich verpflichtet, ihrem Vorgesetzten zu gehorchen (Satz 1) und ihnen erteilte Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (Satz 2). Sie sind zwar berechtigt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 SG zum Beispiel einen ihnen erteilten Befehl, der die Menschenwürde verletzt, nicht zu befolgen. Dabei besteht für untergebene Soldaten in der Praxis aber meist die Schwierigkeit, bei Entgegennahme eines Befehls nicht immer hinreichend sicher entscheiden zu können, ob die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 SG oder ein anderer Grund, der sie von der Gehorsamspflicht entbindet, im konkreten Fall wirklich vorliegen oder nicht. Damit ist ein Untergebener in einem solchen Fall angesichts der Strafdrohung im Falle des Nichtbefolgens eines (verbindlichen) militärischen Befehls (Gehorsamsverweigerung nach § 20 WStG, Ungehorsam nach § 19 WStG) erheblichen Risiken ausgesetzt. Ein Irrtum über das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Vorschrift befreit ihn lediglich unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. etwa § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 SG) von seiner strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verantwortlichkeit. Ein militärischer Vorgesetzter, der Untergebene in eine solche Situation bringt, handelt damit in grobem Maße pflichtwidrig (vgl. dazu z.B. Urteil vom 20. Mai 2010 - BVerwG 2 WD 12.09 - m.w.N.).

32 Zugleich hat das Truppendienstgericht bindend festgestellt, dass der Soldat seine Kameradschaftspflicht (§ 12 SG) verletzt hat. Inhalt und bestimmende Faktoren der Pflicht zur Kameradschaft sind das gegenseitige Vertrauen der Soldaten der Bundeswehr, das Bewusstsein, sich jederzeit, vor allem in Krisen- und Notzeiten, aufeinander verlassen zu können, sowie die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung, Fairness und Toleranz (vgl. Urteil vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 128, 319 und Buchholz 449 § 10 SG Nr. 57>). Ein Vorgesetzter, der unter Verkennung der Grenzen notwendiger militärischer Härte die Rechte, die Ehre oder die Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe; zugleich disqualifiziert er sich in seiner Vorgesetztenstellung (stRspr, z.B. Urteil vom 22. April 2009 a.a.O. m.w.N.).

33 Außerdem hat die Vorinstanz mit für den Senat bindender Wirkung einen Verstoß des Soldaten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) angenommen. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat eindeutig funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob gegebenenfalls eine ernsthafte Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das angeschuldigte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, z.B. Urteil vom 22. April 2009 a.a.O. m.w.N.). Das war hier der Fall.

34 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier schließlich nicht nur durch die besonderen Tatumstände - ca. 25-minütige Grundstellung von 10 bis 20 Rekruten mit Marschgepäck bei minus 5 Grad als unzulässige „Kollektivstrafe“ mit vorübergehender gesundheitlicher Beeinträchtigung eines Rekruten -, sondern auch dadurch bestimmt, dass der Soldat als Oberfeldwebel und Ausbilder zur Tatzeit eine herausgehobene Vorgesetztenstellung innehatte; der gesamte Ausbildungszug stand auf dem Parkplatz des Guts G. unter seinem Befehl. Vor diesem Hintergrund hat der Soldat in schwerwiegender Weise versagt. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, um so größer sind die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt werden müssen, und um so schwerer wiegt eine Pflichtverletzung, die er sich zuschulden kommen lässt (vgl. Urteil vom 20. Mai 2010 a.a.O. m.w.N.). Aufgrund seiner erhöhten Verantwortung musste vom Soldaten erwartet werden, dass er bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten untadelig mit gutem Beispiel voranging. Die Stellung des Soldaten erfordert es, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel gibt (§ 10 Abs. 1 SG). Denn nur dann kann er von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen. Durch sein Fehlverhalten hat der Soldat aus objektiver Sicht ein schlechtes Beispiel gegeben, auch wenn ein einzelner Rekrut ausgesagt hat, der Soldat sei ein „strenger Ausbilder“ gewesen, bei dem es „Spaß gemacht“ habe.

35 b) Das Dienstvergehen hatte hinsichtlich der Personalplanung und -führung keine unmittelbar nachteiligen Auswirkungen, die den Soldaten belasten könnten. Nach seiner glaubhaften Einlassung, bestätigt durch die Aussage der in der Berufungshauptverhandlung angehörten Leumundszeugin, Frau Oberfeldapotheker Ku., Disziplinarvorgesetzte des Soldaten von Januar 2007 bis April 2008, blieb dieser bis etwa Mitte Dezember 2007 als Gruppenführer in der Ausbildungskompanie. Die am 1. Oktober 2007 begonnene Grundausbildung der Rekruten war praktisch vor Weihnachten beendet, ohne dass der Soldat als Ausbilder vorzeitig abgelöst wurde. Der Vorfall, der sich in der Kompanie herumsprach, hatte aber beim Sanitätssoldaten K. sogleich zu einer vorübergehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung geführt.

36 c) Das Maß der Schuld wird vor allem dadurch bestimmt, dass der Soldat vorsätzlich gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.

37 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten, sind ebenfalls nicht erkennbar. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen eines solchen Milderungsgrundes zur Tatzeit vorgelegen haben, sind nicht ersichtlich.

38 Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt dem Soldaten insbesondere nicht der Tatmilderungsgrund einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten zugute (vgl. dazu u.a. Urteil vom 19. Februar 1997 - BVerwG 2 WD 27.96 - BVerwGE 113, 63 <67> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 27 S. 60). Eine solche Augenblickstat ist nur dann gegeben, wenn der Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand oder in einer Situation begangen hat, in der er aufgrund der konkreten Umstände die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht hinreichend bedenken konnte und nicht bedacht hat. Kennzeichnend für solche besonderen Umstände, die ein normgerechtes Verhalten typischerweise nicht mehr in dem gebotenen Maße erwarten lassen, sind Situationen, in denen sich der Betreffende ohne hinreichende Gelegenheit zu kritischem Nachdenken und Abwägen kurzfristig entscheiden muss, sodass sein Handeln in hohem Maße von Spontaneität, Kopflosigkeit oder Unüberlegtheit geprägt ist (vgl. Urteil vom 27. Juli 2010 - BVerwG 2 WD 5.09 - juris Rn. 23 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist nichts dafür ersichtlich, dass sich der Soldat zur Tatzeit in einer „außergewöhnlichen Situation“ im oben genannten Sinne befand. Dies gilt zunächst im Hinblick darauf, dass sich die Rekruten bei dem Kommando „Achtung“ nach Beobachtung des Stabsgefreiten H. nicht vorschriftsgemäß verhalten hatten. Ein solches Verhalten von Rekruten stellt im militärischen Ausbildungsbetrieb nichts Außergewöhnliches dar. Zudem handelte es sich bei dem Dienstvergehen des Soldaten insgesamt um ein Dauerdelikt von etwa 25 Minuten. Spätestens bei Erteilung des Befehls zum Weiterüben des „Stillstehens“ hätte ihm angesichts der bis dahin verstrichenen Zeit von 10 bis 15 Minuten und der Außentemperatur von minus 5 Grad klar geworden sein müssen, dass er die „Erzieherische Maßnahme“ sofort zu beenden hatte. Dass er sie aus den gleichen Erwägungen, wie ursprünglich angeordnet, fortdauern ließ, zeigt, dass der Soldat nicht unüberlegt, kopflos und spontan gehandelt hat.

39 Zu Recht hat das Truppendienstgericht dem Soldaten aber den sonstigen Milderungsgrund einer unzureichenden Dienstaufsicht zugebilligt. Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten dann zur Seite, wenn dieser der „begleitenden Dienstaufsicht“ bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen von Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2). Ein solcher Fall lag hier zur Tatzeit vor. Der Soldat bedurfte einer dienstaufsichtsrechtlichen Unterstützung. Eine solche unterblieb, obwohl deren Notwendigkeit den Vorgesetzten des Soldaten bekannt war. Dies entlastet ihn von seinem Fehlverhalten.

40 Trotz seines hervorgehobenen Dienstgrades „Oberfeldwebel“ war der Soldat nur als Gruppenführer in der allgemein-militärischen Grundausbildung eingesetzt. Sein Zugführer, Oberfeldwebel D., war zur Tatzeit abwesend. Als der Soldat auf dem Parkplatz des Guts G. den „Rest“ des Ausbildungszuges, etwa 10 bis 20 Rekruten, befehligte, waren von den übrigen Ausbildern lediglich Feldwebel Sc. und Stabsgefreiter H. zugegen.

41 Ausweislich der damaligen Beurteilungen des Soldaten war den jeweils beurteilenden und Stellung nehmenden Vorgesetzten dessen Unerfahrenheit hinsichtlich der Führung von Menschen nicht verborgen geblieben. Die entsprechenden Merkmale „Durchsetzungsverhalten“, „Durchsetzungsvermögen“, „Ausbildung“ und „Führungsverhalten“ wurden entweder nicht oder relativ schlecht bewertet. Vor seinem Einsatz als Ausbilder von Rekruten war der Soldat zudem fast ausschließlich entsprechend seiner zivilen Qualifikation verwendet worden. Dort unterstanden ihm entweder keine Soldaten oder nur wenige, die ebenfalls mit pharmazeutisch-technischen Fachaufgaben betraut waren. Demgemäß war in den dienstlichen Beurteilungen des Soldaten durchgängig auf sein theoretisches Fachwissen und seine „sehr guten fachlichen Leistungen“ hingewiesen worden; seine Eignung für Fachverwendungen wurde stets höher eingeschätzt als seine Eignung für allgemeine Führungs- oder Stabsverwendungen.

42 Die Schwächen des Soldaten im Bereich der „Menschenführung“ waren den zuständigen Stellen von Anfang an bekannt. Stabsfeldwebel Sch. hatte als Beauftragter des Disziplinarvorgesetzten vor dem Truppendienstgericht u.a. ausgesagt, er habe den Soldaten bereits seit Januar 2005 gekannt. Er, der Zeuge, habe damals den Vorschlag gemacht, die Eignungsübung des Soldaten über Ende 2004 zu verlängern, weil sein militärisches Auftreten noch dementsprechend gewesen sei. Die Stammdienststelle habe eine Verlängerung mit der Begründung abgelehnt, der Soldat sei fachlich gut. Den Rest müsse man ihm beibringen; er müsse erst „in die Uniform hineinwachsen“. Durch den späteren Einsatz als Ausbilder in der Ausbildungskompanie habe der Soldat, so der Zeuge, Erfahrung in Menschenführung sammeln sollen; eigentlich hätte er dort lernen sollen, wie man bei einem Vorkommnis wie am 21. November 2007 richtig reagiert. Die Leumundszeugen, Frau Oberfeldapotheker Ku. und Hauptmann G., haben vor dem Senat bestätigt, dass der Soldat damals wegen Defiziten im Umgang mit Untergebenen habe geschult werden sollen.

43 Unter diesen Umständen durfte dem in Ausbildungsfragen noch unerfahrenen Soldaten ohne Unterstützung eines erfahrenen und zumindest gleichrangigen Ausbilders der Ausbildungszug nicht alleinverantwortlich überlassen werden. Dies hat der vom Truppendienstgericht angehörte Zeuge Hauptfeldwebel Si., die damalige Vertrauensperson des Soldaten, mit deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht:
„... Man muss bedenken, wo der Soldat vorher eingesetzt war, in einer Apotheke. Dort hatte er keine Soldaten zu führen. Für Führungsaufgaben war er sehr, sehr begrenzt einsetzbar. Aus meiner Sicht kam es zu dem Vorfall aufgrund der einschlägigen Unerfahrenheit des Soldaten und der mangelnden Anleitung erfahrener Kameraden ... Es waren Ausbilder vor Ort, die länger als er tätig waren. Das Wetter war kalt. Wenn ich sehen würde, dass da Soldaten im Achtung stehen, ich hoffe, ich hätte so reagiert, dass ich ihn hätte darauf aufmerksam gemacht ... Im Übrigen sind die damals anwesenden weiteren Ausbilder nicht eingeschritten. Sie hätten ihn wenigstens zur Seite nehmen müssen .... Ich denke, der Soldat war überfordert, weil er absolut unerfahren gewesen war ... Ich meine, man hätte ihm einen erfahrenen Ausbilder an die Seite stellen sollen und der Soldat war nach drei Jahren noch nicht so weit“.

44 d) Dem Soldaten ist hinsichtlich seiner „Beweggründe“ zugute zu halten, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, er habe aus Böswilligkeit gehandelt, um die Rekruten zu demütigen und zu schikanieren. Das hat Stabsfeldwebel Sch. als Zeuge vor dem Truppendienstgericht glaubhaft bestätigt. Dafür spricht auch der Umstand, dass sich der Soldat nach dem Kollaps des Sanitätssoldaten K. unverzüglich zum Ort des Geschehens begab und bei dem betroffenen Soldaten entschuldigen wollte. Letztlich beruhte das Dienstvergehen vor allem auf der unzutreffenden Anwendung des Erlasses „Erzieherische Maßnahmen“.

45 e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ wird das bislang allenfalls durchschnittliche Leistungsbild des Soldaten deutlich übertroffen von seinen guten bis sehr guten (theoretischen) Kenntnissen sowie seinem umfangreichen und fundierten Fachwissen. Dies wird ihm nicht nur in der Sonderbeurteilung gemäß ZDv 20/6, Nr. 407 b vom 28. Mai 2009, sondern auch von Frau Oberfeldapotheker Ku. und Hauptmann G. bescheinigt. Der Soldat, der jetzt Untergebene führen müsse, habe im Auftreten gewonnen und sich schon gesteigert. Er sei auf einem guten Wege. Über die Nachbewährung hinaus könne ihm eine günstige Entwicklungsprognose gestellt werden. Für den Soldaten spricht auch, dass er sich im Nachhinein einsichtig und reuig gezeigt hat. Aufgrund des in der Berufungshauptverhandlung gewonnen Eindrucks von der Persönlichkeit des Soldaten erscheint es dem Senat auch glaubhaft, dass dieser von einer Entschuldigung bei dem Sanitätssoldaten K. nur deshalb abgesehen hatte, weil ihm sein damaliger Zugführer davon abgeraten hatte. Schließlich ist der Soldat weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet.

46 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannter be- und entlastender Umstände ist insbesondere im Hinblick auf Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen sowie die Persönlichkeit und bisherige Führung des Soldaten der Ausspruch eines Beförderungsverbotes für die Dauer von (noch) 18 Monaten nebst einer Kürzung der Dienstbezüge auf die Dauer von (noch) 10 Monaten um ein Zwanzigstel erforderlich, aber auch ausreichend.

47 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. z.B. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

48 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“.

49 Für die Fälle der unwürdigen, demütigenden oder ehrverletzenden Behandlung Untergebener durch Vorgesetzte ist - auch aus generalpräventiven Überlegungen - nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. zuletzt Urteil vom 22. April 2009 a.a.O. m.w.N.). Soweit der Senat in diesem Zusammenhang bislang ausgeführt hat, bei einem Soldaten auf Zeit in Vorgesetztenstellung - wie hier - sei dann regelmäßig sogar eine Herabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad in Betracht zu ziehen (vgl. Urteil vom 22. April 2009 a.a.O.), handelt es sich dabei nach der neueren Senatsrechtsprechung um die Frage der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme im Einzelfall. Sie ist auf der zweiten Prüfungsstufe zu beantworten, soweit es überhaupt bei einer Degradierung verbleibt und nicht wegen erheblicher Erschwerungs- oder Milderungsgründe der Ausspruch einer der Art nach schwereren oder milderen Disziplinarmaßnahme geboten ist.

50 bb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem hinsichtlich der „Eigenart und Schwere“ sowie der „Auswirkungen“ des Dienstvergehens zu klären, ob es sich um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer („durchschnittlicher Fall“), sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber der Regeleinstufung („Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“) die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt versagt hat, etwa in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den „Auswirkungen“ des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen auf Vorgesetzte oder Untergebene, negative personalwirtschaftliche Konsequenzen) sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform (Vorsatz, Fahrlässigkeit) und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog) das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen bei der endgültigen Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in Betracht zu ziehen (vgl. dazu insgesamt Urteil vom 10. Februar 2010 a.a.O.).

51 Nach diesen Kriterien ist hier insgesamt (noch) von einem leichteren Fall auszugehen, der es rechtfertigt, auf eine der Art nach mildere Disziplinarmaßnahme - Beförderungsverbot - überzugehen, deren Ausspruch gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 WDO auch zulässig ist; eine Herabsetzung in der Besoldungsgruppe (§ 58 Abs. 1 Nr. 3 WDO) als der Art nach nächstmildere Disziplinarmaßnahme nach der Dienstgradherabsetzung scheidet wegen Nichtvorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 WDO - in zwei Besoldungsgruppen aufgeführter Dienstgrad - aus. Der Senat hält dabei im Ergebnis die Verhängung eines unter der mittleren Laufzeit von zweieinhalb Jahren (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1 WDO: mindestens ein Jahr und höchstens vier Jahre) zurückbleibenden Beförderungsverbotes von (noch) 18 Monaten, allerdings nebst der Verhängung einer Kürzung der Dienstbezüge auf die Dauer von zehn Monaten um ein Zwanzigstel gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 59 Satz 1 WDO, für erforderlich, aber auch ausreichend.

52 Die grundsätzlich schwerwiegende vorsätzliche Dienstpflichtverletzung des Soldaten als Vorgesetzter und Ausbilder von Wehrpflichtigen macht ausnahmsweise eine Degradierung noch nicht erforderlich. Dem Soldaten stehen insgesamt eine Reihe mildernder und entlastender Umstände zur Seite; deshalb war gegen ihn wegen des Dienstvergehens, das in den Zeitraum seiner ersten vier Dienstjahre fiel (vgl. dazu § 55 Abs. 5 SG), ursprünglich (wohl) auch lediglich eine - inzwischen vollstreckte, vom Truppendienstgericht aufgehobene, aber noch nicht gemäß § 54 Abs. 4 WDO rückabgewickelte - Geldbuße über 400 € verhängt worden:

53 Für den straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelasteten Soldaten spricht zunächst, dass es sich um ein erst- und einmaliges Fehlverhalten mit nur vorübergehender leichter gesundheitlicher Beeinträchtigung eines Rekruten gehandelt hat; der Soldat ist als Ausbilder nicht vorzeitig abgelöst worden. Eine funktionierende „begleitende Dienstaufsicht“ hätte das Dienstvergehen weitgehend vermeiden können; die Vorgesetzten und die höhere Personalführung trifft daher ein Mitverschulden. Zugunsten des Soldaten ist weiter anzuführen, dass der Pflichtverletzung erkennbar keine böswillige und schikanöse Gesinnung zugrunde lag. Der Soldat hat sich auch glaubhaft als einsichtig und reuig gezeigt und hat in seinem Leistungsverhalten nicht nachgelassen. Ihm kann daher nicht nur eine erfolgreiche Nachbewährung, sondern auch eine günstige Persönlichkeitsprognose attestiert werden. Dem Ausspruch der erforderlichen pflichtenmahnenden Maßnahme liegen danach im Wesentlichen nur generalpräventive, nicht spezialpräventive Erwägungen zugrunde.

54 Nach alledem wäre ursprünglich durchaus die Verhängung eines Beförderungsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 WDO von etwa zwei bis drei Jahren in Betracht gekommen. Wegen des weiteren Zeitablaufs hält der Senat nunmehr - in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts als Rechtsmittelführer - jedoch nur noch den Ausspruch eines Beförderungsverbotes für die Dauer von 18 Monaten für erforderlich. Das Dienstvergehen liegt inzwischen bereits drei Jahre zurück. Seitdem liefen auch disziplinarische Vorermittlungen gegen den Soldaten gemäß § 92 Abs. 1 WDO. Die Belastung durch die Dauer des Disziplinarverfahrens mit der Ungewissheit seines Ausgangs - zunächst Verhängung einer Geldbuße, dann Einleitung und Durchführung eines sachgleichen gerichtlichen Disziplinarverfahrens über zwei Instanzen - hat zur Folge, dass die Pflichtenmahnung für den Soldaten, die mit einer solchen Maßnahme bewirkt werden soll, geringer ausfallen kann (vgl. z.B. Urteil vom 10. Februar 2010 a.a.O. m.w.N.). Zudem unterliegt der Soldat, der sich erfolgreich nachbewährt hat und dem eine günstige Persönlichkeitsprognose attestiert wird, seit dem Beginn der Vorermittlungen bereits einem faktischen Beförderungsverbot.

55 Der Senat hält allerdings - ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts - den zusätzlichen Ausspruch einer Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten auf die Dauer von zehn Monaten um ein Zwanzigstel gemäß § 58 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 59 Satz 1 WDO für erforderlich, aber auch ausreichend. Eine solche Disziplinarmaßnahme kommt insbesondere dann in Betracht, wenn erkennbar ist, dass ein Beförderungsverbot keine Auswirkungen auf den weiteren dienstlichen Werdegang des Soldaten haben wird (§ 58 Abs. 4 Satz 2 WDO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 SLV setzt die Beförderung eines Oberfeldwebels zum Hauptfeldwebel eine Dienstzeit von mindestens acht Jahren voraus. Demzufolge steht der Soldat nicht vor Oktober 2012 zur Beförderung an. Ein alleiniges Beförderungsverbot von 18 Monaten, das sich hier vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils (vgl. dazu § 125 Abs. 3 und § 135 Abs. 3 WDO) bis zum Mai 2012 erstrecken würde, hätte keine Auswirkungen auf den dienstlichen Werdegang des voraussichtlich noch bis 2016 Dienst leistenden Soldaten.

56 4. Da die zuungunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft Erfolg hat, hat der Soldat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen (§ 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO). Es gibt keine Billigkeitsgesichtspunkte, den Soldaten gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WDO von diesen Kosten teilweise oder sogar ganz zu entlasten; nichts anderes gilt gemäß § 140 Abs. 3 Satz 3 WDO hinsichtlich der dem Soldaten im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen.

57 Der Soldat hat grundsätzlich auch gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich seiner eigenen notwendigen Auslagen zu tragen, da er vom Truppendienstgericht zu Recht verurteilt worden ist. Es entspricht jedoch der Billigkeit, ihn gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO von den Verfahrenskosten einschließlich seiner eigenen notwendigen Auslagen insoweit zu entlasten, als diese durch seine Gestellung zu dem für den 27. Januar 2009 anberaumten Hauptverhandlungstermin entstanden sind; diese werden dem Bund auferlegt. Der Umstand, dass der Termin am 27. Januar 2009 nicht als Hauptverhandlung im Sinne der §§ 103 ff. WDO stattfinden konnte, fiel nicht in den Verantwortungsbereich des Soldaten.

58 Für weitere erstinstanzliche Billigkeitsentscheidungen zugunsten des Soldaten ist - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - kein Raum. Zwar ist die Hauptverhandlung vom 17. März 2009 - anstelle der nicht durchgeführten Hauptverhandlung vom 27. Januar 2009 - dadurch notwendig geworden, dass der Wehrdisziplinaranwalt der Ankündigung des Vorsitzenden des Truppendienstgerichts, durch Disziplinargerichtsbescheid gemäß § 102 WDO zu entscheiden, widersprochen hatte. Das kann aber nicht generell zu einer Kostenbelastung des Bundes nach dem Verursacherprinzip führen. Wie die Regelung des § 102 Abs. 1 Satz 2 WDO zeigt, wonach ein Disziplinargerichtsbescheid u.a. nur dann ergehen darf, wenn der Soldat und der Wehrdisziplinaranwalt mit Zustimmung der Einleitungsbehörde und des Bundeswehrdisziplinaranwalts nicht widersprechen, ist es das gute Recht der Beteiligten, ohne Angabe von Gründen auf einer Hauptverhandlung zu bestehen. Dieses Recht kann ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht durch eine für den Beteiligten nachteilige Kostenentscheidung in Frage gestellt werden. Insbesondere ist es nicht zulässig, über die Kostenfrage mittelbar auf den Beteiligten Druck auszuüben, dem vorgeschlagenen Verfahren zuzustimmen.

59 Die Kostenentscheidung lässt sich auch nicht durch Billigkeitsgesichtspunkte rechtfertigen; denn eine disziplinargerichtliche Hauptverhandlung gehört als Folge einer Verletzung von Dienstpflichten regelmäßig zum Risikobereich eines Soldaten. Ein Soldat, der sich eines im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu verfolgenden Dienstvergehens schuldig gemacht hat, muss grundsätzlich mit der Durchführung einer disziplinargerichtlichen Hauptverhandlung rechnen. Es erscheint daher keineswegs unbillig, den Soldaten mit den Kosten der Hauptverhandlung vom 17. März 2009 - einschließlich seiner insoweit eigenen notwendigen Auslagen - zu belasten (vgl. zur entsprechenden Fallkonstellation nach der Bundesdisziplinarordnung, Urteil vom 13. Mai 1981 - BVerwG 1 D 21.80 - BVerwGE 73, 178 <182> m.w.N.). Nichts anderes gilt im Hinblick auf die durch die kommissarische Anhörung der Zeugen am 27. Januar 2009 entstandenen Kosten (und notwendigen Auslagen). Es handelt sich insoweit nicht um vermeidbare, sondern um vorgezogene Kosten, die ohnehin entstanden wären. Andernfalls hätten die Zeugen zur Hauptverhandlung am 17. März 2009 geladen und dort vernommen werden müssen (vgl. § 103 Abs. 1 Satz 2, § 106 WDO).