Urteil vom 25.11.2003 -
BVerwG 2 WD 16.03ECLI:DE:BVerwG:2003:251103U2WD16.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.11.2003 - 2 WD 16.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:251103U2WD16.03.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 16.03

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 25. November 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Sollfrank,
Stabsfeldwebel Plachta
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Engel, Kassel,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 30. April 2003 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Der Soldat wird in den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der im Jahre 1963 geborene Soldat absolvierte nach dem Hauptschulabschluss eine Berufsausbildung als Fleischer, die er am 26. Juli 1982 mit der Gesellenprüfung erfolgreich abschloss. Anschließend war er in seinem Ausbildungsbetrieb beschäftigt, danach arbeitslos. Am 2. Januar 1984 trat er seinen Dienst bei der Bundeswehr an, zunächst als Grundwehrdienstleistender und ab 23. Mai 1984 als Soldat auf Zeit. Am 20. August 1990 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.

Er wurde regelmäßig befördert und zwar am 1. November 1988 zum Feldwebel, am 9. Juni 1993 zum Oberfeldwebel und zuletzt am 27. Januar 1995 zum Hauptfeldwebel.

Nach der Grundausbildung bei der Panzeraufklärungsausbildungskompanie ... wurde er zum Panzerartilleriebataillon ... in H. versetzt, wo er bis zum 30. September 1987 überwiegend bei der .../Panzerartilleriebataillon ... im Geschützdienst ausgebildet und eingesetzt wurde, zuletzt als Geschützunteroffizier und Gruppenführer. Den „Unteroffizierlehrgang Teil 2 Feld/PzArt AK: Geschützdienst“ bestand er mit der Note „befriedigend“. Vom 9. Februar bis 10. Juni 1988 nahm er am Feldwebellehrgang „F/PzArt“ teil, den er mit „befriedigend“ bestand.

Nach vorhergehender Kommandierung wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 1988 zur .../Panzerartilleriebataillon (PzArtBtl) ... auf die Stelle eines „BeobFwArt“ versetzt. Mit Wirkung vom 1. April 1993 wechselte er innerhalb der .../PzArtBtl ... auf den Dienstposten eines „GeschtzFw“ und „GrpFhr“. Am 23. Juni 1993 erlangte er die ATB „Kf B und Kf CE“, am 27. August 1993 die ATB „Kf A1“ und am 11. März 1994 die ATB „Kf D“.

Mit Wirkung vom 1. Januar 1995 erfolgte seine Versetzung zur .../PzArtBtl ... auf den Dienstposten eines „RohrArtFw“ und „ZgFhr“. Vom Feldwebellehrgang MFT AK: MKL Rad-BCE vom 6. Oktober 1994 bis 30. Juni 1995 wurde er aus gesundheitlichen Gründen abgelöst.

Nachdem er in dem mit dem vorliegenden Verfahren teilweise sachgleichen Strafverfahren wegen gemeinschaftlich begangener mittelbarer Falschbeurkundung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Personenstandsfälschung und in zwei Fällen in Tateinheit mit Betrug sowie tatmehrheitlich wegen unerlaubten Erwerbs und Besitzes einer Waffe erstinstanzlich vom Amtsgericht S. durch Urteil vom 26. September 2000 - ... Js .../00 ... Ls - zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden war, wurde er mit Verfügung vom 11. April 2001, ihm ausgehändigt am 19. April 2001, gemäß § 120 Abs. 1 WDO a.F. durch den Befehlshaber im Wehrbereich ... und Kommandeur der ... Panzerdivision vorläufig des Dienstes enthoben. Außerdem wurde ihm verboten, Uniform zu tragen sowie angeordnet, dass ab dem 1. Mai 2001 die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einzubehalten ist. Seine dagegen eingelegten Rechtsbehelfe hatten keinen Erfolg. Durch Urteil des Landgerichts M. vom 14. September 2001 - ... Ns ... Js ...00 - wurde das Urteil des Amtsgerichts geändert und eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 40 DM festgesetzt.

In seiner planmäßigen Beurteilung vom 15. Juli 1998 durch den Chef der .../PzArtBtl ... über seine Verwendung als Rohrartilleriefeldwebel und Geschützzugführer wurde ihm in der gebundenen Beschreibung viermal („Einsatzbereitschaft“, „Organisatorisches Können“, „Fachliches Können“, „Technisches Verständnis“) die Wertung „1“ und elfmal die Wertung „2“ erteilt. In der freien Beschreibung erhielt er für „Verantwortungsbewusstsein“, „Fähigkeit zur Menschenführung“, „Fähigkeit zur Einsatzführung/Betriebsführung“ und „Durchsetzungsvermögen“ jeweils den Ausprägungsgrad „B“. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, berufliches Selbstverständnis und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:

„HptFw ... ist ein souveräner und pflichtbewusster Portepeeunteroffizier. Dynamisch und mit großem Selbstbewusstsein ausgestattet, welches gleichermaßen auf fachlichem Können und verantwortungsbewusstem Handeln basiert, ist ... ein Soldat, der als Führer durch vorbildliche Haltung und Pflichterfüllung überzeugt.

Mit seinem enormen Fachwissen und seiner natürlichen Autorität, gepaart mit seinem positiven Charakter und absoluter Souveränität, gelingt es ihm immer, seine Soldaten zu Hochleistungen zu motivieren. Die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und die neuen Herausforderungen im NHfNA trägt er mit Überzeugung. HptFw ... besitzt die uneingeschränkte Eignung zum Batteriefeldweld und sollte nach seiner Verwendung als GeschtzZgFhr auf diesen Dienstposten gefördert werden.“

Zu dieser Beurteilung nahm der nächsthöhere Vorgesetzte wie folgt Stellung:

„Der treffenden und umfassenden Beurteilung stimme ich zu. Ein Zugführer, der durch praktisches und fachliches Können überzeugt. Diese Verwendung ist für HptFw ... maßgeschneidert. Hier kann er seine Fähigkeiten am besten entfalten.

Nach weiterem Einsatz als Zugführer sehe ich HptFw ... zunächst in seiner Verwendung als RohrArtFw und FUOFw richtig eingesetzt.

Für eine weitere Verwendung im Stab WBK oder Verkehrskommandantur erscheint er ebenfalls geeignet.“

In der weiteren planmäßigen Beurteilung vom 21. Mai 2001 wurden die Leistungen des Soldaten in den Einzelmerkmalen einmal mit der Stufe „7“ („Fachwissen“), elfmal mit der Stufe „6“ und viermal mit der Stufe „5“ bewertet. Seine „Eignung und Befähigung“ wurden einmal („Geistige Befähigung“) mit der Wertung „C“, einmal („Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit der Wertung „D“ und zweimal („Verantwortungsbewusstsein“; „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“) mit der Wertung „E“ beurteilt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:

„Gradliniger, profilierter Unteroffizier m.P., der über ein außerordentliches berufliches Selbstverständnis verfügt, das durch vorbildliche und professionelle Auftragserfüllung, Loyalität und fürsorglichem Verhalten gegenüber dem unterstellten Bereich gekennzeichnet ist. HptFw ... betrachtet es als eine persönliche Herausforderung, sein Erfahrungswissen an jüngere Kameraden weiterzugeben. Wo notwendig, hilft er und setzt sich ein; er spornt andere an und hält sie zur Erfüllung ihrer Pflichten an.

HptFw ... ist bereit, Neuerungen aufzunehmen, insbesondere wenn es um Einsatzgrundsätze im artilleristischen Bereich geht. Er steht Belastungen durch, gibt nicht auf und ist so den Anforderungen des Truppendienstes ohne Probleme gewachsen. Im Auftreten stets offen und selbstbewusst, besitzt er die Fähigkeit, notwendige Kompromisse einzugehen, ohne dabei von den gesteckten Zielen abzuweichen.

Ohne sich und sein Handeln in den Vordergrund zu spielen, handelt er eigenständig, ergreift von sich aus die Initiative; er verfügt über Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein. Insgesamt ein loyaler ZgFhr, der vor allem im Hintergrund sehr effektive Arbeit im Sinne der Batterie leistet. Ein Unteroffizier, den man erst kennen lernen muss, den man dann aber sehr gern in der Batterie hat; immer wieder gibt er neue Impulse und Anregungen, von denen man als Vorgesetzter lernen kann.

HptFw ... ist nach Eignung, Befähigung und Leistung eindeutig der leistungsstärkste Hauptfeldwebel der Batterie.“

Für „Führungsverwendungen in der Truppe“ und „Lehrverwendungen“ hielt ihn sein Disziplinarvorgesetzter für „besonders geeignet“.

In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht hat der Zeuge Hauptmann S., Chef der .../PzArtBtl ..., dem der Soldat seit 5. Mai 1999 disziplinarrechtlich unterstellt war, diese positive Einschätzung bestätigt.

Der Soldat erhielt am 5. Oktober 1989 das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold und am 11. Mai 1993 für treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche Leistungen das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Bronze. Ferner wurde ihm am 17. Dezember 1996 vom Chef der .../PzArtBtl ... eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung als Geschützzugführer erteilt. Durch Verfügung des Kommandeurs des PzArtBtl ... vom 13. September 1999 erhielt er eine Leistungsprämie von 500 DM für seine herausragenden Leistungen während des Truppenübungsplatzaufenthaltes der .../PzArtBtl ... in B. vom 31. Mai bis 11. Juni 1999.

Der Disziplinarbuchauszug vom 10. Juli 2003 enthält keine Eintragungen über Disziplinarmaßnahmen. Der Auszug aus dem Zentralregister vom 4. Juli 2003 enthält neben dem bereits erwähnten Strafurteil des Amtsgerichts S. vom 26. September 2000 - ... Js .../00 ... Ls - in der Fassung des Urteils des Landgerichts M. vom 14. Dezember 2001 - 8 Ns 2 Js 9560/00 - das Strafurteil des Amtsgerichts S. vom 8. März 2001 - ...Js .../99 ... Ls -, das seit dem 28. Juni 2002 rechtskräftig ist, nachdem das Landgericht M. mit seinem Berufungsurteil vom selben Tage - ... Ns ... Js .../99 - unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Soldaten wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt hatte, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Soldat ist seit dem 25. März 1994 kinderlos verheiratet. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig. Er übt eigenen Angaben zufolge gegenwärtig keine Nebentätigkeit aus. Die Eheleute sind Eigentümer zweier Hausgrundstücke, wovon eines für monatlich 300 € vermietet ist; der monatliche Abtrag hierfür beträgt 536 €. Ferner hat der Soldat monatlich 550 € für Versicherungen sowie Zahlungen wegen der zwei strafgerichtlichen Verurteilungen aufzubringen.

Der Soldat befindet sich in der 8. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 8 mit Zulage. Die Hälfte seiner Dienstbezüge wird aufgrund der Verfügung der Einleitungsbehörde vom 11. April 2001 mit Wirkung ab 1. Mai 2001 gemäß § 120 Abs. 2 WDO a.F. einbehalten. Die geminderten monatlichen Dienstbezüge belaufen sich auf 1.147,39 € netto.

II

III