Verfahrensinformation

Die Kläger begehren die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Landgutes, das früher ihrem Vater gehörte. Die Gestapo ordnete am 1. Juli 1934 die Beschlagnahme des gesamten Vermögens des Vaters an. Die Beschlagnahme war auf die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 gestützt. Nach Angaben der Kläger war ihr Vater ein enger Freund und Berater des ehemaligen Reichskanzlers Kurt von Schleicher, der im Zuge der Niederschlagung des so genannten Röhm-Putsches am 30. Juli 1934 ermordet wurde. Die SS habe am 30. Juli 1934 versucht, ihren Vater zu verhaften. Dieser hielt sich seinerzeit in London auf und blieb auch in der Folgezeit in England. Die Gestapo hob im August 1937 die Beschlagnahme des Vermögens wieder auf. Der Vater der Kläger veräußerte im Jahre 1939 durch eine Bevollmächtigte das Landgut. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Veräußerung nicht mehr auf einer politischen Verfolgung beruht habe, die vielmehr mit der Aufhebung der Beschlagnahme geendet habe. Im Revisionsverfahren ist der Begriff der politischen Verfolgung im Sinne des hier einschlägigen § 1 Abs. 6 VermG zu klären.


Pressemitteilung Nr. 43/2005 vom 25.08.2005

NS-Verfolgung endete nicht mit der Rückgabe beschlagnahmten Vermögens

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in einem Urteil vom heutigen Tage näher bestimmt, wann von einer politischen Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus als Voraussetzung einer Wiedergutmachung erlittener Vermögensverluste auszugehen ist.


Die Kläger begehren die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Landguts, das früher ihrem Vater gehörte. Die Gestapo ordnete am 1. Juli 1934 die Beschlagnahme des gesamten Vermögens des Vaters an. Die Beschlagnahme war auf die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 gestützt. Nach Angaben der Kläger war ihr Vater ein enger Freund und Berater des ehemaligen Reichskanzlers Kurt von Schleicher, der im Zuge der Niederschlagung des so genannten Röhm-Putsches am 30. Juni 1934 ermordet wurde. Die SS habe am 30. Juni 1934 versucht, ihren Vater zu verhaften. Dieser hielt sich seinerzeit in London auf und kehrte nicht wieder nach Deutschland zurück. Die Gestapo hob im August 1937 die Beschlagnahme des Vermögens wieder auf. Der Vater der Kläger veräußerte im Jahre 1939 durch eine Bevollmächtigte das Landgut. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Veräußerung nicht mehr auf einer politischen Verfolgung beruht habe. Die Beschlagnahme des Vermögens belege zwar eine politische Verfolgung für die Jahre 1934/35. Diese Verfolgung habe aber mit der Aufhebung der Beschlagnahme ihr Ende gefunden, denn maßgeblich sei eine Verfolgung bezogen auf die Verfügungsmacht über das Vermögen.


Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Der Begriff der politischen Verfolgung setze zwar eine feindselige Reaktion des Regimes auf erkennbares Verhalten des politischen Gegners voraus. Unerheblich sei aber, in welchen Maßnahmen die feindliche Gesinnung des nationalsozialistischen Regimes ihren Ausdruck gefunden habe. Die Nachstellungen des Regimes könnten sich gegen die Person (Leib, Leben oder Freiheit) gerichtet haben, aber auch sein Vermögen betroffen haben. Erforderlich seien für den Begriff der politischen Verfolgung Maßnahmen gegen das Vermögen jedoch nicht. Umgekehrt könne deshalb der Wegfall solcher Maßnahmen nicht belegen, dass das nationalsozialistische Regime von einer politischen Verfolgung des Betroffenen abgelassen habe. Hier habe das Verwaltungsgericht eine politische Verfolgung des Vaters des Klägers für die Zeit des so genannten Röhm-Putsches festgestellt. Sie habe zur Emigration des Vaters geführt. In einem solchen Fall sei regelmäßig von einer Fortdauer der politischen Verfolgung bis zum Ende des nationalsozialistischen Regimes auszugehen, es sei denn, ausnahmsweise könne mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Verfolgte ohne Gefährdung hätte nach Deutschland zurückkehren können.


BVerwG 7 C 19.04 - Urteil vom 25.08.2005


Beschluss vom 05.08.2004 -
BVerwG 7 B 15.04ECLI:DE:BVerwG:2004:050804B7B15.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.08.2004 - 7 B 15.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:050804B7B15.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 15.04

  • VG Greifswald - 05.06.2003 - AZ: VG 6 A 1122/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 5. Juni 2003 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren und für das Revisionsverfahren - insoweit vorläufig - auf jeweils 500 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache weist grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift auf. Das Revisionsverfahren kann Gelegenheit zur Klärung der Frage bieten, ob der Begriff der Verfolgung aus politischen Gründen in § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG voraussetzt, dass sie sich über die Person des Verfolgten hinaus auch auf dessen Vermögen erstreckt hat.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG a.F., § 72 Nr. 1 GKG n.F. Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 4, § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG n.F.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 19.04 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 25.08.2005 -
BVerwG 7 C 19.04ECLI:DE:BVerwG:2005:250805U7C19.04.0

Urteil

BVerwG 7 C 19.04

  • VG Greifswald - 05.06.2003 - AZ: VG 6 A 1122/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2005
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , H e r b e r t , K r a u ß ,
P o s t i e r und N e u m a n n
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifwald vom 5. Juni 2003 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

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