Beschluss vom 25.07.2007 -
BVerwG 8 B 9.07ECLI:DE:BVerwG:2007:250707B8B9.07.0

Beschluss

BVerwG 8 B 9.07

  • VG Berlin - 29.09.2006 - AZ: VG 31 A 192.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juli 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. September 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 82 247 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu, noch weicht das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

2 1. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

3 Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen befassen sich mit der Auslegung von § 3 Abs. 1 Satz 4 und 5 VermG, insbesondere der Anspruchsberechtigung von Gesellschafter und Gesellschaft im Falle der eine Unternehmensrestitution ergänzenden Einzelrestitution. Die Klägerin möchte insbesondere geklärt wissen, ob „eine von einer Unternehmensschädigung betroffene offene Handelsgesellschaft durch § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG als Berechtigte eines ‚einfachen Durchgriffs’-Anspruchs aus § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 Variante 1 VermG stets zugunsten ihrer Gesellschafter ausgeschlossen“ ist. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in dieser allgemeinen Form nicht stellen. Soweit sie entscheidungserheblich ist, lässt sie sich anhand des Gesetzeswortlautes und der dazu ergangenen Rechtsprechung beantworten, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

4 Die Beschwerde meint, der Klägerin stehe als unmittelbar Geschädigten einer Anteilsberechtigung ein Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum entsprechend der Höhe ihrer Beteiligung an Vermögensgegenständen zu, die nicht mehr zum Vermögen des Unternehmens gehören, an denen sie beteiligt war. Sie sei insoweit „geschädigter Gesellschafter“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG. Ansonsten ginge bei Durchgriffsansprüchen der Hinweis auf § 6 Abs. 1a VermG ins Leere. Der Fall gäbe Gelegenheit zur Klärung, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April 2004 - BVerwG 8 C 12.03 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 25 = BVerwGE 120, 362) nur für den Sonderfall des „Prätendentenstreites“ greife. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2006 - BVerwG 8 B 14.06 - (ZOV 2006, 372 f.) stimme zudem nicht mit dem Leitsatz der Entscheidung vom 28. April 2004 überein. Er stütze die Auffassung der Beschwerde, dass die Klägerin Anspruchsberechtigte sei.

5 Nach § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG ist Berechtigter im Sinne des Satzes 4 der geschädigte Gesellschafter und nicht das in § 6 Abs. 1a VermG bezeichnete Unternehmen. Geschädigte Gesellschafter sind die Gesellschafter der Mendelssohn & Co. OHG. Die Schädigung erfolgte nicht in der Person der Aktiengesellschaft Hypothekenbank in Hamburg, sondern der Mendelssohn OHG (vgl. auch Urteil vom 28. April 2004 a.a.O. S. 119). Schädigende Maßnahme war der Entzug der Beteiligungsrechte der jüdischen Gesellschafter der Mendelssohn & Co. OHG. Wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, war Ziel eines vom Reichskommissar für das Kreditwesen mit Schreiben vom 30. November 1938 genehmigten „Arisierungsplans“ das Ausscheiden der jüdischen Gesellschafter der Mendelssohn & Co. OHG. Das Bankhaus durfte als „jüdische Gesellschaft“ im Sinne der Rassenideologie der Nationalsozialisten nicht länger Mitglied eines Konsortiums sein, das die Anleihen des Reiches übernahm.

6 Nach den Darlegungen der Klägerin verlor die Mendelssohn & Co. OHG im Zuge der Arisierung die Beteiligung an der Aktiengesellschaft Hypothekenbank. Es handelte sich insoweit um eine mittelbare Beteiligung der geschädigten Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft. Die Auffassung der Klägerin, der Verlust des Aktienanteils an der Hypothekenbank stelle sich als Entzug einer unmittelbaren Beteiligung der Klägerin dar, verkennt die Systematik des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG. Maßgebend ist, auf welcher Ebene die Schädigung erfolgte. Dies ist hier der Entzug der Rechte der jüdischen Gesellschafter der Mendelssohn & Co. OHG. Für diese hätte ein Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an Vermögensgegenständen der Hypothekenbank nur bestanden, wenn die Mendelssohn & Co. OHG an der Hypothekenbank mit mehr als 20 v.H. der Aktienanteile beteiligt gewesen wäre (§ 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 3 VermG), was nicht der Fall war. Diese gesetzliche Begrenzung würde unterlaufen, wenn die Klägerin ohne Beschränkung Ansprüche auf Bruchteilseigentum an Vermögensgegenständen der Hypothekenbank geltend machen könnte, die den Gesellschaftern der OHG oder deren Rechtsnachfolgern wegen der Mindesthöhe der Gesellschaftsanteile verschlossen sind.

7 Soweit die Klägerin hiergegen anführt, dass das Urteil des Senats vom 28. April 2004 (a.a.O.), auf das sich das Verwaltungsgericht gestützt hat, nur den Sonderfall eines Prätendentenstreits zwischen der Conference on Jewish Material Claims against Germany (JCC) und den Rechtsnachfolgern der jüdischen Gesellschafter betreffe, trifft das nicht zu. Eine solche Einschränkung lässt sich dem Urteil des Senats nicht entnehmen, das entscheidend auf die Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG abstellt und die Besonderheiten des genannten Prätendentenstreits nur als Bestätigung des anhand des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG gefundenen Ergebnisses heranzieht. Davon abgesehen, bieten weder der Wortlaut des Satzes 4 noch derjenige des Satzes 5 des § 3 Abs. 1 VermG Anhaltspunkte für eine einengende Auslegung.

8 Entgegen der Ansicht der Klägerin findet § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG auch in den Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 VermG Anwendung. Soweit danach Ansprüche auf Einräumung von Bruchteilseigentum in Betracht kommen, stehen diese dem geschädigten Gesellschafter zu. Auch wenn es sich nicht um ein Unternehmen im Sinne des § 6 Abs. 1a VermG handelt, bleibt die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG unberührt, dass anspruchsberechtigt der Gesellschafter ist. Dies entspricht auch dem Regelungszweck des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG, die wirtschaftliche Entwertung der Beteiligungsrechte der Gesellschafter durch den Abfluss von Unternehmensvermögen wiedergutzumachen (vgl. auch § 3 Abs. 1 Satz 10 VermG zur entsprechenden Anwendung der Sätze 4 bis 9 und damit auch des Satzes 5 des § 3 Abs. 1 VermG in den Fällen einer Unternehmensresterestitution).

9 2. Auch die Divergenzrüge greift nicht durch.

10 a) Die Klägerin ist der Auffassung, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG mit dem Urteil des Senats vom 15. November 2000 - BVerwG 8 C 28.99 - (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40) im Widerspruch steht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Entscheidung betrifft eine andere Sachverhaltskonstellation und enthält insofern keinen Rechtssatz, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Widerspruch steht. Die Schädigung hatte die Veräußerung eines Anteils der Margarine-Verkaufs-Union GmbH an der Nordsee AG zum Gegenstand. Dieser Anteil musste auf Befehl Görings im Jahr 1941 verkauft werden, weil der Unilever-Konzern, zu dem die Margarine-Verkaufs-Union gehörte, als „anglophil, judenfreundlich und deutschfeindlich“ angesehen wurde. Der Senat hat im Rahmen der Prüfung einer wirksamen Anmeldung ausgeführt, dass „die sich möglicherweise aus der geltend gemachten Schädigung im Jahre 1941 ergebenden Ansprüche (auf Einräumung von Bruchteilseigentum nach § 3 Abs. 1 Satz 4 und 5 VermG, erg.) ... nur der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Margarine-Verkaufs- Union GmbH, nicht aber der Nordsee GmbH zustehen (konnten)“. Die Klägerin entnimmt dieser Entscheidung, dass Berechtigter nach § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG auch das Beteiligungsunternehmen selbst sein kann. Im vorliegenden Fall war der schädigende Zugriff dagegen auf die Beteiligungsrechte der jüdischen Gesellschafter gerichtet; der Verlust der Anteile der Mendelssohn & Co. OHG an der Aktiengesellschaft Hypothekenbank war im Wege einer gestuften Schädigung (lediglich) Folge der Arisierung der offenen Handelsgesellschaft.

11 b) Ebenso wenig liegt eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 28. August 1997 - BVerwG 7 C 36.96 - (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 19) vor. Die Klägerin geht davon aus, der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts liege der Rechtssatz zugrunde, dass der Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum auch im Fall der Entziehung einer unmittelbaren Beteiligung eine Mindesthöhe der Beteiligung an dem Unternehmen voraussetze. Dies ist unzutreffend. Diese Frage wird in dem Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 7) lediglich als klärungsbedürftig bezeichnet, wenn der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung nicht gefolgt werde. Das Aufzeigen einer Frage, die zu klären wäre, lässt sich ersichtlich nicht als entscheidungstragender Rechtssatz und noch nicht einmal als vorsorgliches Hilfsargument verstehen.

12 c) Die Entscheidung des Senats vom 12. Juli 2004 - BVerwG 8 B 14.06 - (ZOV 2006, 372 f.) trifft für den vorliegenden Fall keine Aussage, weil es dort nicht um den Fall einer ergänzenden Singularrestitution gegangen ist.

13 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

14 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.