Beschluss vom 25.02.2010 -
BVerwG 8 B 81.09ECLI:DE:BVerwG:2010:250210B8B81.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 25.02.2010 - 8 B 81.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:250210B8B81.09.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 81.09

  • Bayerischer VGH München - 07.05.2009 - AZ: VGH 4 B 06.3357

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und
Dr. Held-Daab
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2009 am 7. Mai 2009 ergangenen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 123 024,63 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich auf Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2 1. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern.

3 Das angefochtene Urteil verletzt nicht die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Durch die von der Klägerin im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2007 beantragte Klageänderung, in die der Beklagte eingewilligt und die das Berufungsgericht für sachdienlich erachtet hat, wurde der Bescheid des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach vom 7. Dezember 2007 im Wege der Klageerweiterung Teil des Streitgegenstandes. Da dieser Bescheid den zunächst angegriffenen Widerrufsbescheid vom 23. Mai 2006 geändert und ihm eine neue Fassung gegeben hat, lagen dem Berufungsverfahren entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht zwei selbstständige Streitgegenstände vor, sondern ein Streitgegenstand, nämlich der Widerrufsbescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung, die er durch den Bescheid vom 7. Dezember 2007 erhalten hatte. Die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides hat das Berufungsgericht überprüft und bejaht. Es hatte aufgrund der Klageänderung keine Veranlassung, zusätzlich auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23. Mai 2006 in seiner ursprünglichen Fassung einzugehen.

4 Eine Verletzung der Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergibt sich auch nicht daraus, dass die Begründung des Urteils widersprüchlich und nicht nachvollziehbar wäre. Die Begründungspflicht fordert, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat. Dies setzt voraus, dass das Gericht zum einen seinen rechtlichen Prüfungsmaßstab offenlegt und zum anderen in tatsächlicher Hinsicht angibt, von welchem Sachverhalt es ausgeht. Aus den Entscheidungsgründen muss sowohl für die Beteiligten als auch für das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar sein, aus welchen Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts nach Meinung des Gerichts dem Vortrag eines Beteiligten, jedenfalls soweit es sich um einen zentralen Punkt seiner Rechtsverfolgung handelt, nicht zu folgen ist (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 6.06 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 66 Rn. 24). Die Begründungspflicht ist immer dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar sind (vgl. Beschlüsse vom 5. Juni 1998 - BVerwG 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 und vom 30. Juni 2009 - BVerwG 9 B 23.09 - juris Rn. 3). Ausgehend davon lässt das Beschwerdevorbringen eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erkennen.

5 Die - auf die Kürzung der Zuwendung um den vollen Verrechnungsbetrag bezogene - Feststellung, dass die Zuwendungsempfängerin mit der uneingeschränkten Minderung wirtschaftlich so stehe, wie sie subventionsrechtlich vor der (erweiterten) Verrechnung mit geschuldeter Abwasserabgabe gestanden habe, steht nicht in Widerspruch zu der Aussage, dass die Berücksichtigung der Rückforderung im Rahmen der Kalkulation von Entwässerungsbeiträgen und -gebühren der Gemeinden eventuell zu Schwierigkeiten oder auch Abgabenausfällen führen könnte. Die erste Aussage bezieht sich allein auf die Saldierung von Kürzung und Verrechnung; die zweite betrifft Folgeprobleme, deren Lösung nach Auffassung des Berufungsgerichts den Gemeinden zumutbar ist, weil diese durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nachträglich eine unerwartete und unberücksichtigte Mehreinnahme erhalten haben, die durch die Zuwendungskürzung wieder ausgeglichen wird. Soweit die Beschwerde davon ausgeht, dass ein in der Entscheidung angegebenes Zitat nicht geeignet sei, die Auffassung des Senats zu bestätigen, macht auch dies die Entscheidungsgründe weder rational nicht nachvollziehbar noch sachlich inhaltslos oder sonst wie unbrauchbar. Das Zitat ist nicht Teil der Gedankenführung, sondern ein bloßer, für den Begründungszusammenhang nicht maßgeblicher Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung.

6 Auch die gerügten Verstöße gegen § 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO und gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2009 wurde die Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten ausführlich erörtert. Das Gericht ist nicht verpflichtet, in der mündlichen Verhandlung den Beteiligten seine Rechtsauffassung darzulegen. Inwieweit die Verpflichtung des Vorsitzenden gemäß § 86 Abs. 3 VwGO verletzt sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Da Gegenstand des Rechtsstreits und damit auch des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung der Bescheid vom 23. Mai 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 7. Dezember 2007 war, ist nicht nachvollziehbar, wieso die anwaltlich vertretene Klägerin von einer Erweiterung der Klage um einen zusätzlichen Streitgegenstand und nicht von einer Änderung des Streitgegenstandes ausgegangen ist. Ob ein Verfahren teilweise für erledigt zu erklären ist, liegt in der Entscheidung der klagenden Partei und ist nicht von der Hinweispflicht des Gerichts umfasst.

7 2. Der Rechtssache kommt auch nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob
bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer rückwirkenden Norm auch dann die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Kriterien für die Entscheidung, ob es sich um eine echte oder unechte Rückwirkung handelt, herangezogen werden müssen, wenn diese Norm die Rückforderung von Zuwendungen im Bereich des Abwasserabgabenrechts zum Gegenstand hat,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Berufungsgericht hat die Frage, ob es sich um eine echte oder eine unechte Rückwirkung handelt, zwar offengelassen, ist aber in seiner weiteren Prüfung von einer echten Rückwirkung ausgegangen und hat die für diese geltenden strengeren Anforderungen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit bejaht. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Vertrauensschutzes für die Klägerin hinweist, wendet sie sich inhaltlich gegen die materiellrechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts ohne einen bundesrechtlichen Klärungsbedarf darzulegen. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

8 Die weitere von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
auf wessen Vertrauen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer rückwirkenden Norm abzustellen sei, wenn diese die Rückforderung von Zuwendungen, die der finanziellen Erleichterung der Bürger dienen sollen, zum Gegenstand habe,
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Dass bei der Frage, ob die Voraussetzungen einer Ausnahme von dem Verbot einer echten Rückwirkung vorliegen, auf das schutzwürdige Vertrauen des Adressaten der Rückwirkung abzustellen ist, ergibt sich schon daraus, dass nur der jeweilige Adressat des Gesetzes - hier der Zuwendungsempfänger - unmittelbar von der gesetzlichen Ermächtigung betroffen ist. Dass dies in der Konsequenz eventuell auch Auswirkungen auf von den Bürgern zu erhebende Beiträge und Gebühren haben kann, führt nicht dazu, dass sie in die Prüfung der Zulässigkeit der Rückwirkung einbezogen werden müssten. Denn für gegenüber den Bürgern rückwirkende Maßnahmen enthält die hier streitgegenständliche Regelung des Art. 19 Abs. 2 BayAbwAG keine Ermächtigungsgrundlage.

9 Die Begründung der weiterhin aufgeworfenen Rechtsfrage, ob
durch eine rückwirkende, kein behördliches Ermessen zulassende Norm, Zuwendungen in einem größeren Umfang zurückgefordert werden dürfen, als dies nach der bisher geltenden Rechtslage der Fall war,
lässt nicht erkennen, inwieweit dies über die bisherige Rechtsprechung hinaus eine Klärung der Voraussetzungen der zulässigen Durchbrechung des Rückwirkungsverbotes erwarten lassen würde. Soweit die Beschwerdebegründung zu dem Ergebnis kommt, die hier streitgegenständliche Regelung sei unverhältnismäßig, wendet sie sich wiederum nur gegen die materiellrechtliche Würdigung des irrevisiblen Landesrechts, was nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

10 Die weitere Frage, ob
im Zuwendungsrecht den im übrigen Verwaltungsverfahrensrecht geltenden Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechts- bzw. Planungssicherheit sowenig Gewicht beizumessen sei, dass die zutreffenden Behördenentscheidungen zwingend erfolgen müssen und die betroffenen Belange der Zuwendungsempfänger außer Betracht zu bleiben haben,
ist eine Frage des Einzelfalles. Der Verwaltungsgerichtshof ist erkennbar davon ausgegangen, dass Art. 19 BayAbwAG eine besondere Fallkonstellation regelt, in der kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Kommunen entstehen konnte, so dass der Widerruf als gebundene Entscheidung ausgestaltet werden durfte. Die Frage, ob ein Vertrauen des jeweiligen Zuwendungsempfängers entstehen konnte, ist keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich.

11 Auch die Frage,
inwieweit sich Hoheitsträger auf Entreicherung gemäß Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. § 818 BGB berufen können,
würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen des § 818 Abs. 3 BGB für die Klägerin nicht gegeben sind.

12 3. Soweit die Beschwerde sich darüber hinaus in Form einer Berufungsbegründung inhaltlich gegen die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts wendet, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen.

13 Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

14 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.