Urteil vom 25.01.2006 -
BVerwG 2 WD 1.05ECLI:DE:BVerwG:2006:250106U2WD1.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 25.01.2006 - 2 WD 1.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:250106U2WD1.05.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 1.05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 25. Januar 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Major Godau,
Stabsfeldwebel der Reserve Marheineke
als ehrenamtliche Richter,
Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Protokollführerin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 25. November 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Der 37 Jahre alte frühere Soldat erwarb im Jahr 1986 die Mittlere Reife. Im Juli 1987 verließ er das Gymnasium und besuchte die Fachoberschule für Wirtschaft und danach bis Dezember 1988 die Höhere Handelsschule.

2 Vom 3. April 1989 bis zum 30. Juni 1990 leistete er den Grundwehrdienst in der Bundeswehr ab. Danach war er zunächst ohne Beschäftigung. Vom 3. bis 26. Sep-tember 1990 absolvierte er als Munitions- und Betriebsstoffwart eine Einzelwehrübung bei der 1./J...bataillon ... in B. Vom 1. Oktober 1990 bis März 1991 war er als Bürohilfskraft bei einem Versicherungsbüro in N. beschäftigt. Vom 18.  bis 22. März 1991 absolvierte er erneut eine Wehrübung. Auf seinen Antrag hin wurde er am 5. April 1991 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und zum Obergefreiten ernannt. Er wurde zunächst in der Schule für P. (SP...) in K. als Stabsdienstsoldat, später als Stabsdienstunteroffizier eingesetzt. Vom 25. August 1992 bis zum 14. Januar 1993 war er zur Ausbildungskompanie Fach-/Fachschulausbildung in Karlsruhe kommandiert, um dort eine - auch zivilberuflich verwertbare - Ausbildung zum Bürokaufmann zu durchlaufen. Diese beendete er erfolgreich. Zum 1. Januar 1993 wurde er zum Dienstältesten Deutschen Offizier (DDO) beim HQ C... in H. versetzt, wo er als Registraturunteroffizier in der Geheimregistratur Verwendung fand. Zum 1. Juli 1993 erfolgte seine Versetzung in die Stabskompanie (StKp) D... HQ L...; hier wurde er zunächst als Stabsdienstsoldat, dann ab 1. November 1993 als Stabdienstunteroffizier und ab 1. September 1994 als Registraturunteroffizier verwendet. Er wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1992 zum Unteroffizier und am 1. Juli 1993 zum Stabsunteroffizier befördert. Sein Antrag vom 17. Mai 1993 auf Übernahme in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes wurde von ihm am 15. Dezember 1993 zurückgezogen, nachdem zwar der Chef der StKp D... HQ C... den Antrag befürwortet, der nächsthöhere Vorgesetzte jedoch die Eignung für den beantragten Laufbahnwechsel verneint hatte. Die vom früheren Soldaten unter dem 30. September 1994 beantragte Verlängerung der Dienstzeit auf acht Jahre wurde vom Chef der StKp D... HQ L... unter dem 18. Oktober 1994 mit der Begründung nicht befürwortet, der Bewerber besitze nicht die charakterliche Eignung, die zur Erfüllung der Aufgaben als Vorgesetzter erforderlich sei. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 8. Dezember 1994 wegen fehlenden Bedarfs abgelehnt. Die Dienstzeit des früheren Soldaten, die auf fünf Jahre festgesetzt worden war, endete mit Ablauf des 31. Dezember 1994.

3 Nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr war der frühere Soldat zunächst ohne Beschäftigung. Vom 17. Februar bis zum 10. März 1995 absolvierte er eine Wehrübung beim HQ A... in H. Ab dem 9. November 1995 nahm er an einer weiteren freiwilligen Wehrübung beim DDO HQ L... in H. teil. Während dieser Wehrübung, die bis zum 31. Dezember 1995 dauerte, wurde er mit Wirkung vom 7. Dezember 1995 zum Feldwebel der Reserve befördert. Aufgrund seiner freiwilligen Meldung wurde er mit Dienstantritt am 28. Februar 1996 erneut zu einer Wehrübung als Stabsdienstfeldwebel beim DDO HQ L... einberufen, die bis zum 10. Mai 1996 dauerte. Vom 7. Januar bis zum 27. März 1997 absolvierte er eine weitere freiwillige Einzelwehrübung als Stabsdienstfeldwebel bei der StKp DDO HQ L... in H. Während dieser Übung wurde er am 27. Februar 1997 zum Oberfeldwebel der Reserve ernannt. Vom 5. Juli bis zum 29. Oktober 1999 wurde er zu einer weiteren Wehrübung zum DDO HQ A... in M. einberufen und im Auslandseinsatz verwendet; er leistete Dienst als Kompanietruppführer beim Deutschen Einsatzkontingent KFOR in P. (Kosovo).

4 Während seiner aktiven Dienstzeit wurde der frühere Soldat am 19. März 1993 planmäßig beurteilt. Er erhielt nach den damaligen Beurteilungsbestimmungen in der gebundenen Beschreibung jeweils sechsmal die Wertung „2“ und „3“; drei Einzelmerkmale konnten nicht bewertet werden. In der freien Beschreibung wurde er als Unteroffizier beschrieben, der seinen Aufgabenbereich mit ausgeprägtem Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein erfülle und im Umgang mit dem eingesetzten deutschen und amerikanischen Personal Umsicht und Fingerspitzengefühl zeige. Seine organisatorischen und auch geistigen Fähigkeiten erlaubten es, ihn mit besonderen Aufgaben zu betrauen. Er setze sich selbstbewusst durch und verhalte sich gegenüber Soldaten aller Nationalitäten sehr kameradschaftlich. Im unterstellten Umfeld werde er respektiert, von Vorgesetzten werde er geschätzt.

5 In dem zum Ende seines vom 1. April 1991 bis 31. Dezember 1994 geleisteten Wehrdienstes vom Chef der StKp HQ L... erstellten Dienstzeugnis vom 30. Dezember 1994 wird ausgeführt, der frühere Soldat habe als Stabsdienstunteroffizier „gute (2) Leistungen gezeigt“, seine Führung sei „gut (2)“ gewesen.

6 In der Auskunft aus dem Zentralregister vom 28. Januar 2005 ist verzeichnet, dass der frühere Soldat am 27. März 2003 im sachgleichen Strafverfahren durch das Amtsgericht N. - Az.: 06 Js 1553/02 (Cs 1998/03) -, rechtskräftig seit dem 21. Mai 2003, wegen Missbrauchs von Titeln in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt wurde.

7 Der frühere Soldat ist Träger der Schützenschnur in Bronze und des Leistungsabzeichens in Gold. Für seinen Auslandseinsatz wurden ihm sowohl die KFOR-Einsatzmedaille der Bundeswehr als auch die der NATO verliehen.

8 Der frühere Soldat ist ledig und kinderlos.

9 Am 19. Juni 2000 legte er die Reifeprüfung ab. Im Tatzeitraum war er als Fachmann für Informationstechnik in einem Unternehmen in Schottland beschäftigt. Seit Anfang September 2002 war er arbeitslos. Seit 2003 ist er freiberuflich als Historiker tätig und arbeitet hauptsächlich für ausländische Verlage. Aus dieser Tätigkeit sowie als „Vertragsamateur“ (Ersatztorwart) eines in der Regionalliga Süd spielenden Fußballvereins erzielt er nach seinen Angaben vor dem Truppendienstgericht ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.600 bis 1.700 €. Dem stehen nach seinen Angaben vor dem Truppendienstgericht monatliche Fixkosten in Höhe von ca. 430 € gegenüber. Nach seinen Angaben vor dem Truppendienstgericht lebt er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen.

II

10 Aufgrund einer im Mai 2002 erfolgten Meldung des Verteidigungs- und Marineattachés der Deutschen Botschaft in L. kam es im August 2002 durch Abgabe an die Staatsanwaltschaft nach § 33 Abs. 3 WDO zu einem Strafverfahren gegen den früheren Soldaten. In diesem wurde er durch den sachgleichen Strafbefehl des Amtsgerichts N. vom 27. März 2003, rechtskräftig seit dem 21. Mai 2003, wegen unbefugten Führens einer inländischen Dienstbezeichnung (§ 132 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) sowie wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

11 In dem mit Verfügung des Befehlshabers im Wehrbereich II vom 25. September 2002 durch Zustellung an den früheren Soldaten am 28. September 2002 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde dem früheren Soldaten nach zuvor erfolgter Anhörung in der Anschuldigungsschrift des Wehrdisziplinaranwalts vom 9. Februar 2004, ihm zugestellt am 12. Februar 2004, folgendes Verhalten als schuldhafte Verletzung seiner nach dem Ausscheiden aus dem Dienst der Bundeswehr nachwirkenden Dienstpflichten zur Last gelegt:
„Der frühere Soldat legte an einem nicht mehr genau feststellbaren Tage zwischen dem 17. Januar und dem 26. März 2002 seinem damaligen Arbeitgeber, der Firma A... in G./Schottland, zwei von ihm unter Benutzung von Originaldokumenten des Truppenarztes beim DDO NATO Hauptquartier C... und des Personal Service Command ebenda durch Einfügungen und Veränderungen erstellte Fotokopien vor, aus denen es sich ergab, dass er als Oberleutnant vom 17. Mai 2002 bis zum 03. Juni 2002 und vom 16. August 2002 bis zum 02. September 2002 verpflichtet sei, sich im Bundeswehrzentralkrankenhaus K. einer Operation zu unterziehen bzw. an der Kampftruppenschule in Hammelburg an einer Wehrübung teilzunehmen.“

12 Mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 3. Juni 2004, zugestellt am 17. Juni 2004, legte der Wehrdisziplinaranwalt dem früheren Soldaten hilfsweise folgenden Sachverhalt zur Last:
„Der frühere Soldat stellte vor dem 17. Januar 2002 bzw. vor dem 26. März 2002 zwei wie amtliche Papiere der Bundeswehr wirkende Schreiben her. Diese Papiere, die zum einen vom Truppenarzt beim DDO NATO Hauptquartier C... vom 12. März 2002 und zum anderen vom Personal Service Command in K. vom 12. Januar 2002 stammen sollten und in denen ihm bestätigt wurde, dass er als Oberleutnant verpflichtet sei, sich vom 17. Mai 2002 bis zum 3. Juni 2002 im Bundeswehrzentralkrankenhaus in K. einer Operation zu unterziehen beziehungsweise vom 16. August 2002 bis zum 02. September 2002 an der Kampftruppenschule in Hammelburg an einer Wehrübung teilzunehmen, legte er zwischen dem 17. Januar 2002 und dem 26. März 2002 seinem damaligen Arbeitgeber, der Firma A... in G./Schottland, vor.
Auch durch dieses Verhalten hat der frühere Soldat gegen seine nachwirkende Dienstpflicht verstoßen, nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich ist.“

13 Die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat den früheren Soldaten durch das angefochtene Urteil vom 25. November 2004 eines als Dienstvergehen geltenden Verhaltens im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 SG für schuldig befunden, weil er vorsätzlich (und schuldhaft) gegen seine nachwirkende Dienstpflicht verstoßen habe, als Unteroffizier mit Portepee auch nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die für seine Wiederverwendung in seinem Dienstgrad erforderlich sind (§ 17 Abs. 3 SG). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe der mit der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 3. Juni 2004 hilfsweise angeschuldigte Sachverhalt fest. Die Truppendienstkammer hat den früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Reserve herabgesetzt. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Seiten 6 bis 20 des angefochtenen Urteils verwiesen.

14 Gegen das ihm am 11. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat mit Schriftsatz vom 2. Januar 2005, beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen am 10. Januar 2005, Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das gegen ihn verhängte Urteil sei „im Strafmaß und in der Kostenentscheidung dem (ihm) zur Last geworfenen Dienstvergehen unangemessen, die Urteilsbegründung ermessensfehlerhaft und auch von der mündlichen Urteilsbegründung teilweise abweichend“. Auch aus der Art der Verhandlungsführung seien ihm erhebliche Nachteile entstanden. Im Urteil sei unterlassen worden, sein gesamtes dienstliches und außerdienstliches Verhalten mit zu berücksichtigen. Insbesondere bei der Bewertung seiner dienstlichen Leistungen und seines militärischen wie auch privaten Werdeganges seien vor allem für ihn negative Feststellungen berücksichtigt und in der Urteilsbegründung fehlerhaft gewürdigt worden. Außerdem seien auch Laufbahndaten teilweise falsch wiedergegeben worden. Der Umstand, dass die hilfsweise Anschuldigung überhaupt zugelassen worden sei, entspreche nur dem Bemühen der Wehrdisziplinaranwaltschaft, eine Tateinheit zu konstruieren, die es ermögliche, auf der Basis der einen oder anderen vorgeworfenen Handlung überhaupt zur Feststellung eines Dienstvergehens zu kommen. Zu Unrecht sei ihm seine Bereitschaft, zur Wahrheitsfindung und zu einem „zivilisierten Verhandlungsklima“ beizutragen, als Zurschaustellung eines übersteigerten Geltungsbedürfnisses und als Beleg für Unglaubwürdigkeit ausgelegt worden. Es dürfe nicht zu seinem Nachteil gewertet werden, dass er sich - Jahre nach den ihm vorgeworfenen Vorgängen - an einzelne Umstände nicht mehr habe erinnern können. Die Begründung für die ausgesprochene Dienstgradherabsetzung sei letztlich nicht überzeugend. Es sei unzureichend berücksichtigt worden, dass die ihm vorgeworfene Tat im Ausland begangen worden sei. Er erkenne durchaus an, dass er „gegen die Rechtsgüter der Bundesrepublik Deutschland und das Ansehen der Bundeswehr“ verstoßen habe. Der ihm gemachte Vorwurf, er habe keine Reue gezeigt, zeuge bestenfalls von Unaufmerksamkeit, schlimmstenfalls von Böswilligkeit. Es liege „im notwendigen Geist einer militärischen Organisation, dass sie Verstöße gegen ihre ureigensten Grundlagen - Treue, Gehorsam, Disziplin und Kameradschaft - im Interesse der Aufrechterhaltung von Ansehen, Disziplin und Mannszucht der Truppe“ verfolge und ahnde; deshalb sei er „zu bestrafen“. Die Pflicht zur Kameradschaft und Treue binde aber nicht nur den Eidgeber, sondern auch den Dienstherrn.

III

15 1. Die am 10. Januar 2005 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Berufung des früheren Soldaten gegen das diesem am 11. Dezember 2004 zugestellte Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 25. November 2004 ist zulässig. Sie ist statthaft. Ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).

16 2. Die Berufung ist nach dem maßgeblichen Inhalt ihrer Begründung auf die Maßnahmebemessung beschränkt worden. Zwar wird im Berufungsschriftsatz nicht explizit formuliert, dass die Berufung beschränkt wird („lege ich Berufung ein"). Aus seinem Vorbringen, insbesondere aus dem Eingangssatz seiner Begründung des eingelegten Rechtsmittels ergibt sich jedoch mit hinreichender Klarheit, dass er das Urteil der Truppendienstkammer ausdrücklich lediglich im Hinblick auf das „Strafmaß“, die „Kostenentscheidung“ sowie die „Urteilsbegründung“ angegriffen hat. Dass er sich außerdem gegen die tatsächlichen Feststellungen der Truppendienstkammer und/
oder die rechtliche Würdigung seines Verhaltens wendet, lässt sich weder dem Berufungsschriftsatz noch seinem sonstigen Vorbringen entnehmen.

17 3. Das Ausbleiben des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung ist kein Verfahrenshindernis, das den Senat an einer Sachentscheidung hindern würde. Denn gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO findet die Berufungshauptverhandlung auch ohne Anwesenheit des früheren Soldaten statt, wenn dieser zu dem Termin ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann (stRspr., vgl. u.a. Urteil vom 28. April 2004 - BVerwG 2 WD 20.03 - < ZBR 2005, 132 = DokBer 2004, 333>). Dies ist im vorliegenden Fall mit der am 7. Januar 2006 zugestellten Terminsladung vom 5. Dezember 2005 geschehen.

18 4. Die Berufung ist nicht begründet. Der frühere Soldat ist in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Reserve herabzusetzen.

19 Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

20 a) Der frühere Soldat hat sich nach dem Unrechtsgehalt seiner Verfehlungen, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten, eines als Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 SG geltenden Fehlverhaltens von erheblichem Gewicht schuldig gemacht.

21 Dies ergibt sich schon daraus, dass er mit seinem von der Truppendienstkammer mit bindender Wirkung für den Senat festgestellten Verhalten kriminelles Unrecht (Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB und unbefugtes Führen einer inländischen Dienstbezeichnung nach § 132 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) begangen hat. Dementsprechend wurde er rechtskräftig durch den ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Neunkirchen vom 27. März 2003 zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

22 Obwohl sein Fehlverhalten im außerdienstlichen Bereich stattfand, lässt eine solche kriminelle Verfehlung nach ihrem Gewicht und ihrer Eigenart Rückschlüsse auf gravierende Charaktermängel des früheren Soldaten zu. Denn sie offenbart, dass der frühere Soldat zur Tatzeit nicht bereit oder jedenfalls nicht in der Lage war, seine persönlichen Interessen ohne Verstoß gegen die Strafgesetze zu verfolgen. Seine darin zugleich liegende Missachtung seiner nachwirkenden Dienstpflicht des § 17 Abs. 3 SG gibt in Verbindung mit seinem Verhalten nach der Tat und seinem in Erscheinung getretenen Persönlichkeitsbild Anlass, an seiner persönlichen Integrität, seinem Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein und damit insgesamt an seiner Zuverlässigkeit nachhaltig zu zweifeln.

23 Dabei fällt erschwerend ins Gewicht, dass sein kriminelles Fehlverhalten auch einen - von ihm vorgetäuschten - dienstlichen Bezug hatte. Denn der frühere Soldat stellte zwei falsche Urkunden her oder wirkte jedenfalls dabei maßgeblich mit, die dienstlichen Bescheinigungen der Bundeswehr zum Verwechseln ähnlich waren. Hierbei nutzte er von ihm in seiner aktiven Dienstzeit und bei zahlreichen Wehrübungen im dienstlichen Bereich gewonnene Kenntnisse gezielt aus, um sein kriminelles Ziel zu erreichen. Er setzte darauf, durch Verwendung dieser in Täuschungsabsicht erstellten falschen Dokumente bei seinem damaligen Arbeitgeber den Eindruck zu erwecken, zuständige Stellen der Bundeswehr hätten ihn zu einer Wehrübung einberufen und zu einer stationären Behandlung im Bundeswehrzentralkrankenhaus befohlen. Damit zog er zur Täuschung seines damaligen Arbeitgebers die Bundeswehr und somit seinen früheren Dienstherrn in seine kriminellen Machenschaften hinein und nutzte die Reputation der genannten Stellen zur Verwirklichung seines Vorhabens bewusst aus. Dabei scheute er sich zudem auch nicht, den Namen und einzelne Daten eines Kameraden (Oberfeldarzt A.) ohne dessen Wissen und Billigung in den falschen Dokumenten sowie einen ihm nicht zustehenden militärischen Dienstgrad („Oberleutnant") zu verwenden.

24 b) Das kriminelle Verhalten warf sowohl bei seinem Arbeitgeber als auch bei allen mit dem Vorgang befassten (außenstehenden) Stellen ein schlechtes Licht auf ihn selbst als früheren Soldaten der Bundeswehr im Dienstgrad eines Oberfeldwebels der Reserve und mittelbar auch auf die Bundeswehr und ihre Angehörigen. Er gefährdete damit letztlich die Reputation der Bundeswehr und ihrer Angehörigen.

25 c) Nach den von der Truppendienstkammer getroffenen Feststellungen, denen der frühere Soldat nicht substantiiert entgegengetreten ist, handelte er aus eigennützigen Beweggründen. Nach seinem eigenen Vorbringen ging es ihm darum, bei seinem damaligen Arbeitgeber in Schottland eine Entlassung wegen zu großer Fehlzeiten zu provozieren, um dann ein entsprechendes Arbeitszeugnis zu erhalten. Darüber hi-naus handelte er nach den auf der Grundlage seiner Angaben getroffenen Feststellungen in der Absicht, nach seiner Rückkehr nach Deutschland die zuständigen deutschen Stellen über die wahren Hintergründe der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in Schottland zu täuschen, um so die von ihm erwünschten Sozialleistungen beziehen zu können und ihm andernfalls nicht zustehende finanzielle Vorteile zu erzielen.

26 d) Nach den den Senat bindenden Feststellungen der Truppendienstkammer handelte der frühere Soldat bei seinen Verfehlungen mit Vorsatz. Anhaltspunkte dafür, dass er dabei in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder im Sinne des § 20 StGB gar schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich und auch von ihm nicht geltend gemacht worden.

27 Auch Milderungsgründe in den Umständen der Tat sind nicht erkennbar. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn die Situation, in der der (frühere) Soldat versagte, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Solche Besonderheiten sind unter anderem bei einem Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, und bei einem Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang
oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen (vgl. u.a. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - <DokBer 2003, 303> m.w.N. und vom 25. November 2004 - BVerwG 2 WD 16.03 -). Die Voraussetzungen für das Vorliegen solcher Milderungsgründe sind hier nicht erfüllt. Bei der Herstellung der falschen Urkunden sowie bei dem Versuch, die Kündigung durch den Arbeitgeber zu provozieren, ging der frühere Soldat sehr überlegt, zielgerichtet und planvoll vor und legte dabei ein nicht nur geringfügiges Maß an krimineller Energie an den Tag. Schon deshalb kommt die Annahme einer Augenblickstat nicht in Betracht. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der frühere Soldat aus einer subjektiv als ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage heraus handelte. Auch im Übrigen fehlt es an jedem Anhaltspunkt für ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation im Zusammenhang mit seinem Fehlverhalten. Die Truppendienstkammer hat im angefochtenen Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass der frühere Soldat rechtmäßige alternative Handlungsmöglichkeiten hatte, um sein angegebenes Ziel einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Verstoß gegen die Strafgesetze zu erreichen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.

28 e) Die bisherige Führung und die Persönlichkeit des früheren Soldaten können nach den vom Senat getroffenen Feststellungen nur als zwiespältig bewertet werden. Seine in der aktiven Dienstzeit erbrachten dienstlichen Leistungen waren unterschiedlich und schwankend. In der planmäßigen Beurteilung vom 19. März 1993 wurden seine Leistungen überwiegend positiv bewertet. Sein ausgeprägtes Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein wurde hervorgehoben. Auch in dem zum Ende seiner Dienstzeit erstellten Dienstzeugnis vom 30. Dezember 1994 wurden seine dienstlichen Leistungen und seine Führung als „gut“ bezeichnet. Zudem sprechen auch die dienstlichen Auszeichnungen, die der Soldat erhielt, für ihn. Demgegenüber reichten das von ihm in den Beurteilungen erstellte Leistungsbild sowie seine Eignung und Befähigung aber nicht aus, um seinem Antrag vom 30. September 1994 auf Verlängerung der Dienstzeit als Soldat auf Zeit zum Erfolg zu verhelfen. Sein Kompaniechef sprach sich ausweislich des Anhörungsvermerks vom 18. Oktober 1994 ausdrücklich mit der Begründung gegen eine Dienstzeitverlängerung aus, der Bewerber besitze nicht die nach dem Soldatengesetz erforderliche charakterliche Eignung. Bereits zuvor war der Antrag des früheren Soldaten auf Übernahme in die Laufbahngruppe der Offiziere des Truppendienstes vom 17. Mai 1993, der von seinem damaligen Kompaniechef befürwortet worden war, ohne Erfolg geblieben. Dabei hatte der nächsthöhere Vorgesetzte den früheren Soldaten zwar als für die Ausbildung zum Feldwebel geeignet, jedoch für den beantragten Laufbahnwechsel als nicht geeignet beurteilt.

29 Hinsichtlich seines Persönlichkeitsbildes fällt zu Lasten des früheren Soldaten, der - abgesehen von der sachgleichen Verurteilung durch das Amtsgericht N. - ausweislich der vorliegenden Auskunft aus dem Zentralregister strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, negativ ins Gewicht, dass er es bislang an einer hinreichenden Einsicht in sein festgestelltes Fehlverhalten hat fehlen lassen. Er gab sein kriminelles Verhalten nicht aus freien Stücken auf. Die Aufklärung des Tatgeschehens und seine Überführung bedurften aufwendiger Ermittlungen im In- und Ausland. Zwar äußerte der frühere Soldat in seiner Stellungnahme vom 13. September 2002 gegenüber dem Wehrdisziplinaranwalt, er sehe ein, dass er „den Erwartungen, die an das Verhalten eines ehemaligen Soldaten, insbesondere meines Dienstgrades gesetzt werden müssen, nicht gerecht geworden bin“. Dagegen erklärte er aber in seiner gegenüber der Truppendienstkammer unter dem 17. Juni 2004 abgegebenen schriftlichen Stellungnahme, die von der Einleitungsbehörde gegen ihn erhobenen Anschuldigungen seien „bestenfalls rechtsphilosophischer Natur“; sie gingen „von der hypothetischen Annahme und der Unterstellung aus, solches Verhalten meinerseits liege in meiner Person begründet und sei grundsätzlich von mir zu erwarten“. In der Verhandlung vor der Truppendienstkammer am 25. November 2004 hat der frühere Soldat zudem geltend gemacht, seine Einlassungen beim Amtsgericht und bei der Polizei seien „auch nicht unbedingt vollständig“, da er „die ganze Sache auf die leichte Schulter genommen habe“. Ferner hat er zum Ausdruck gebracht, im Strafverfahren sei „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“ worden, weshalb er „das alles am Anfang nicht so richtig ernst genommen“ habe. Er sehe sich zwar „dahingehend einsichtig“, dass er „gegen eine Wertordnung, auf die ich einst geschworen habe", verstoßen habe. Allerdings beabsichtige er, „die Strafsache wieder aufzunehmen“; ein „fertig vorbereitetes Schreiben“ liege bei seinem Rechtsbeistand; er wolle „jedoch den Ausgang des gerichtlichen Disziplinarverfahrens abwarten“. Diese unterschiedlichen und zum Teil offenkundig widersprüchlichen Äußerungen lassen nicht erkennen, dass der frühere Soldat das zwischenzeitlich aufgrund der erfolgten Beschränkung der Berufung verbindlich festgestellte Fehlverhalten unumwunden einräumt und bedauert. Vielmehr wird deutlich, dass er beständig versucht hat, es zu relativieren und zu vermeintlichen Fehlern anderer in Beziehung zu setzen, um seine Verfehlungen so zu bagatellisieren. Dies gilt auch für seine Ausführungen in dem von ihm verfassten Berufungsschriftsatz vom 2. Januar 2005. Auch diese lassen nicht erkennen, dass er die gebotenen Konsequenzen aus seinem bindend festgestellten Fehlverhalten in hinreichender Weise gezogen hat. Stattdessen erhebt er den Vorwurf, die Wertung der Truppendienstkammer, er zeige „keine Reue oder Unverständnis“, zeuge „bestenfalls von Unaufmerksamkeit, schlimmstenfalls von Böswilligkeit, in jedem Falle aber (von) einer Missachtung des Grundsatzes audiatur ad (gemeint: et) altera pars“. Er sehe sein „Vergehen weniger im abstrakten und kaum beweisbaren Verstoß gegen die Buchstaben des Gesetzes“, sondern „in der Verletzung einer Werte- und Moralordnung, die zu achten und zu schützen" er „einen heiligen Eid geschworen" habe. Zugleich hat er geltend gemacht, er habe den „Vorschuss an Vertrauen“, den seine Vorgesetzten und Kameraden ihm entgegengebracht hätten, „nicht missbraucht“. Die „Pflicht zur Kameradschaft und Treue“ binde „nicht nur den Eidgeber, der der Gesellschaft auf dieser Wertebasis Schutz bietet“; sie binde „auch den Eidnehmer, in diesem Fall den Dienstherrn, vertreten durch das Gericht“. Diese gewundenen und teilweise schwer verständlichen - zum Teil auch auf eine gewisse Selbstgerechtigkeit hinweisenden - Äußerungen, die mit Vorhaltungen und Gegenvorwürfen an die Adresse derjenigen Stellen verbunden sind, die um die rechtlich gebotene Feststellung und Würdigung seines offenkundig strafbaren Fehlverhaltens bemüht waren, offenbaren, dass der frühere Soldat nach wie vor nicht bereit oder jedenfalls nicht in der Lage ist, das Gewicht und die Tragweite seiner schuldhaften Dienstpflichtverletzungen zu erkennen. Ein solches Verhalten erfordert als Pflichtenmahnung eine nachhaltige disziplinargerichtliche Ahndung. Der frühere Soldat hat die Möglichkeit nicht genutzt, durch Erscheinen in der Berufungshauptverhandlung das Gericht davon zu überzeugen, dass er sich zwischenzeitlich hinreichend mit seinem Fehlverhalten auseinander gesetzt hat, dieses uneingeschränkt bedauert und für die Zukunft die notwendigen Folgerungen daraus gezogen hat.

30 f) Bei Abwägung aller für und gegen den früheren Soldaten sprechenden Umstände erscheint dem Senat die von der Truppendienstkammer ausgesprochene Maßnahme einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Reserve keinesfalls als zu hart.

31 Der frühere Soldat hat sich mit seinem Fehlverhalten und seiner offenkundig fortbestehenden Uneinsichtigkeit letztlich als Vorgesetzter disqualifiziert. Bei einem militärischen Vorgesetzten, zumal einem Unteroffizier mit Portepee, muss auch im außerdienstlichen Bereich uneingeschränkt gewährleistet sein, dass er kriminelles Unrecht unterlässt und sich uneingeschränkt rechtstreu verhält. Wird ihm ein Verstoß gegen die Strafgesetze nachgewiesen, muss von ihm - zumal wenn er sein Verhalten im Kern nicht bestreitet - erwartet werden, ohne Vorbehalte die daraus gebotenen Folgerungen für sein künftiges Verhalten zu ziehen, insbesondere die notwendige Einsicht und Reue zu zeigen sowie im Rahmen seiner Möglichkeiten die Folgen der Tat zu mindern und um eine Wiedergutmachung bemüht zu sein. Daran fehlt es hier. Es kann für den Fall einer Wiederverwendung des früheren Soldaten in der Bundeswehr im Hinblick auf einen geordneten und integren Dienstbetrieb nicht verantwortet werden, dass er im Dienstrang eines Unteroffiziers mit Portepee mit den damit verbundenen Befugnissen verbleibt. Lediglich das - angesichts der vom früheren Soldaten auf die Maßnahmebemessung beschränkten Berufung - eingreifende Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) hindert den Senat an einer - gegenüber dem angefochtenen Urteil - weitergehenden Dienstgradherabsetzung.

32 5. Da die Berufung des früheren Soldaten erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 139 Abs. 2 WDO zu tragen.