Beschluss vom 24.10.2002 -
BVerwG 8 B 149.02ECLI:DE:BVerwG:2002:241002B8B149.02.0

Beschluss

BVerwG 8 B 149.02

  • VG Meiningen - 17.06.2002 - AZ: VG 5 K 323/98.Me

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 17. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 213 464,36 € festgesetzt.

Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
1. Die zunächst aufgeworfene Frage,
ob im Rahmen von § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c VermG auch solche Aufwendungen bei der Beurteilung des Umfangs der Investitionen zu berücksichtigen sind, die nicht für das zur Nutzung zugewiesene Objekt getätigt worden sind,
ist nicht klärungsbedürftig. Die Frage zielt darauf ab, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 in dem von ihnen später - nach dem Stichtag - unter Verleihung eines dinglichen Nutzungsrechts erworbenen Zweifamilienhaus nur eine der beiden Wohnungen aufgrund einer entsprechenden Wohnraumzuweisung bewohnt hatten; in der anderen Wohnung wohnten ihre Eltern bzw. Schwiegereltern. Die geltend gemachten Investitionen bezogen sich jedoch zum Teil auf das Haus insgesamt (Außenwand, Heizung etc.) und beschränkten sich nicht auf die den Beigeladenen zu 1 und 2 zugewiesene Wohnung.
Mit dieser Klarstellung bedarf die aufgeworfene Frage keines revisionsgerichtlichen Verfahrens; sie ist ohne weiteres im Sinne des angefochtenen Urteils zu beantworten. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht nicht nur Investitionen berücksichtigt, die auf die zugewiesene Wohnung beschränkt waren. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und der bereits vorliegenden Rechtsprechung zu § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c VermG. Bereits dem Wortlaut dieser Vorschrift lässt sich die von der Beschwerde für richtig gehaltene Einschränkung nicht entnehmen; vielmehr legt die in § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG mehrfach erfolgte Bezugnahme auf den "Erwerb" nahe, dass sich die Investitionen - mit denen sich Buchstabe c befasst - auf den Gegenstand des Erwerbs, also das Gebäude oder Grundstück als Ganzes und nicht nur auf die ursprünglich zugewiesene (Miet-)Wohnung beziehen müssen. Diese vom Verwaltungsgericht stillschweigend zugrunde gelegte Auffassung entspricht auch dem Zweck der Vorschrift. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 16. Oktober 1997 - BVerwG 7 C 7.97 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 50 S. 110 <113 f.>) hat hierzu ausgeführt, § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c VermG wolle den Erwerber schützen, der "bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem der Alteigentümer nicht davon ausgehen durfte, jemals wieder in die frühere Rechtsstellung eingesetzt zu werden, erkennbar und nachhaltig in Form von besonderen Opfern sein von der Rechtsordnung der DDR allgemein anerkanntes Vertrauen darauf betätigt hat, das von ihm bewohnte Grundstück auch zukünftig nutzen zu dürfen". Je nachhaltiger und ernsthafter sich der spätere Erwerber vor dem Stichtag um das genutzte Grundstück bzw. Gebäude "wie ein Eigentümer" gekümmert und damit Schäden abgewendet oder dessen Wert erhöht hat, desto weniger kann sich außerdem der Alteigentümer der Einsicht verschließen, dass der Erwerber dem Anwesen näher steht als er selbst (Urteil vom 16. Oktober 1997, a.a.O. S. 114). Das Bundesverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung auch im Folgenden erkennbar den Investitionsbegriff nicht auf wohnungsbezogenen Aufwand beschränkt. Es wäre auch wenig einleuchtend, substanzerhaltende Investitionen etwa - wie hier - an der Außenwand, den Regenfallrohren oder der Heizungsanlage, von denen zwangsläufig auch die einzelne Wohnung profitiert, unberücksichtigt zu lassen oder nur zum Teil einzubeziehen. Denn geschützt werden sollen die "eigentümergleichen" besonderen Opfer, die der Erwerber mit Blick auf den späteren Erwerbsgegenstand erbracht hat.
2. Nicht klärungsbedürftig ist ferner,
ob bei der Beurteilung des Kriteriums des "wesentlichen Umfangs" der Wert des Gesamtobjekts zumindest mit zu berücksichtigen ist.
Was werterhöhende oder substanzerhaltende Investitionen "in einem wesentlichen Umfang" sind, hat das Bundesverwaltungsgericht in dem bereits zitierten Urteil vom 16. Oktober 1997 (a.a.O. S. 115) näher ausgeführt. Das Verwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung wörtlich übernommen und dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.
Danach entspricht "eine formelhafte Ermittlung und Berechnung" des "wesentlichen Umfangs" für sich gesehen anerkennungswürdiger Maßnahmen weder dem Zweck der Vorschrift, die starre Stichtagsregelung durch die Rückführung auf den Grundtatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG abzumildern, noch der denkbaren Vielgestaltigkeit der zu beurteilenden Fälle. Investitionen können über lange Zeiträume gleichmäßig, innerhalb kürzerer Zeitspannen schwerpunktmäßig, begleitet oder nicht begleitet von entsprechenden oder höheren Aufwendungen Dritter ... sowie in gut oder schlecht erhaltene Gebäude oder Grundstücke vorgenommen werden. Deshalb ist keine quantitative, sondern eine qualitative Betrachtung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung angemessen ... Zu vergleichen ist, wie das in Rede stehende Anwesen beschaffen sein würde, wenn es nicht von dem betreffenden Erwerber, sondern von einem - an der DDR-Wirklichkeit gemessen - durchschnittlichen Nutzer während des in Rede stehenden Zeitraums genutzt worden wäre. Lässt sich danach feststellen, dass die Anstrengungen eines Nutzers nach Art und Umfang der Maßnahmen sowie den dadurch bewirkten Veränderungen im Erscheinungsbild deutlich und auffällig über das übliche Nutzerverhalten hinausgegangen sind, so kann der wesentliche Umfang der Investitionen bejaht werden. Entscheidend ist, dass sich in ihnen eine durch eine besondere Opferbereitschaft gekennzeichnete, nicht von unlauteren Motiven beeinflusste Mühe um den später erworbenen Gegenstand ausdrückt.
Daraus folgt, dass die Bejahung des wesentlichen Umfangs der geltend gemachten Investitionen von einer wertenden qualitativen Gesamtbetrachtung abhängig ist, die wesentlich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles geprägt ist. Diese Gesamtbetrachtung mag gegebenenfalls auch - als ein Kriterium unter anderen - den betragsmäßigen Vergleich des Investitionsaufwandes mit dem Gebäude– oder Grundstückswert erfassen. Dass dieser Wertvergleich hier eine ausschlaggebende Bedeutung erlangen und die "qualitative Gesamtbetrachtung" im Ergebnis ändern könnte, hat die Beschwerde jedoch nicht aufgezeigt. Denn ihr Vergleich des Investitionsaufwandes mit dem heutigen Verkehrswert des Grundstücks ist schon im Ansatz verfehlt. Allenfalls käme in Betracht, den baulichen Aufwand ins Verhältnis zu setzen mit dem Gebäude- oder Grundstückswert zur damaligen Zeit. Da unter DDR-Verhältnissen - wie gerichtsbekannt ist - Gebäude- und Grundstückswerte jedoch infolge der preisrechtlichen Bestimmungen sehr niedrig waren, liegt es fern, den von den Beigeladenen zu 1 und 2 mit 23 000 DM bezifferten Aufwand allein wegen seines Betrages als unwesentlich anzusehen, selbst wenn von diesem Betrag einzelne Posten - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat (vgl. UA S. 9 f.) - nicht berücksichtigt werden dürfen. Im vorliegenden Fall ist diesem Aufwand nämlich nur ein Gebäudewert von 30 200 M gegenüberzustellen, weil nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der mit diesem Kaufpreis im Jahre 1990 abgeschlossene Kaufvertrag dem "finanziellen Vorbescheid des Rates des Kreises" und damit den damaligen preisrechtlichen Vorschriften entsprach.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.