Beschluss vom 24.09.2002 -
BVerwG 5 B 54.02ECLI:DE:BVerwG:2002:240902B5B54.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.09.2002 - 5 B 54.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:240902B5B54.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 54.02

  • VGH Baden-Württemberg - 04.03.2002 - AZ: VGH 7 S 1651/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. September 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die für die Zulassung der Revision geltend gemachten Gründe liegen nicht vor.
1. Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Die als grundsätzlicher Klärung bedürftig bezeichnete Rechtsfrage stellte sich in einem Revisionsverfahren nicht.
Das Berufungsgericht ist im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - BVerwG 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287 <294> = Buchholz 436.61 § 15 SchwbG Nr. 6) zutreffend davon ausgegangen, dass von der Hauptfürsorgestelle grundsätzlich nicht zu prüfen ist, ob eine beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten arbeitsrechtlich im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zu der vom Bundesverwaltungsgericht (ebd.) offen gelassenen, von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichneten Frage, "ob die Zustimmung gemäß § 85 SGB IX (ehemals § 15 SchwbG) von dem Integrationsamt (früher Hauptfürsorgestelle) verweigert werden muss, wenn die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt, sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt," hat das Berufungsgericht dahin erkannt, dass es für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung keinen Anhalt gebe; denn die beabsichtigte Kündigung sei nicht offensichtlich aussichtslos. Auf der Grundlage dieser nicht mit durchgreifenden Zulassungsrügen angegriffenen Bewertung des Berufungsgerichts ist die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. Der Beigeladene wendet sich in der Sache, ohne indes insoweit grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen aufzuzeigen, allein gegen die Bewertung des Berufungsgerichts, dass die beabsichtigte Kündigung in arbeitsrechtlicher Hinsicht nicht in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht offenkundig unwirksam sei, und damit gegen eine aus seiner Sicht fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes, dessen grundsätzliche Geltung er für klärungsbedürftig hält; damit kann eine Grundsatzrüge nicht begründet werden.
Die Beschwerde weist nicht auf, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte neuerliche Kündigung - namentlich mit Blick auf das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 1998 - arbeitsrechtlich offenkundig unwirksam sei, von unzutreffenden Maßstäben für die Beurteilung der Offenkundigkeit ausgegangen sei oder hinsichtlich der insoweit zu stellenden Anforderungen grundsätzlicher Klärungsbedarf bestünde.
2. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) scheidet aus.
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des herangezogenen Gerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift des revisiblen Rechts widersprochen hat (vgl. - m.w.N. - BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - 6 B 65.98 - NVwZ-RR 1999, S. 745; BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 - <Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2>). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
a) Die von der Beschwerde geltend gemachte Abweichung von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 1953 - 1 BvL 23/51 - BVerfGE 2, 380 <zur Rechtsbeständigkeit von Akten der Rechtsfindung>) genügt den an die Darlegung zu stellenden Anforderungen schon deswegen nicht, weil dieses Urteil zum Landesgesetz von Nordrhein-Westfalen über das Beanstandungsrecht in Haftentschädigungssachen vom 3. August 1951 - GVBl S. 105 - und damit nicht zu den hier anzuwendenden Bestimmungen des Schwerbehindertenrechts ergangen ist und es sich auch sonst nicht zu den Wirkungen der Rechtskraft eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzurteils auf eine (beabsichtigte) neuerliche Kündigung verhält.
Davon abgesehen hat das Berufungsgericht - vor allem - weder ausdrücklich noch sinngemäß einen Rechtssatz aufgestellt, nach dem rechtskräftige Urteile nicht zu beachten seien oder "dass (es) in diesem Bereich ... die Rechtskraft nicht gibt". Es hat vielmehr auf der Grundlage, dass rechtkräftige arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu beachten sind, in Einzelfall bezogener Anwendung anderweitiger arbeitsrechtlicher Grundsätze die Reichweite der unbestrittenen materiellen Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1998, durch das für die unter dem 4. August 1997 ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG rechtskräftig festgestellt ist, dass durch diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist, der Sache nach geprüft und verneint, dass die materielle Rechtskraft dieses Urteils offenkundig zu einem vollständigen "Verbrauch" aller bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Kündigungsgründe auch dann führt, wenn eine (beabsichtigte) neuerliche Kündigung nicht am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG zu messen wäre.
b) Soweit der Beigeladene mit dem ergänzenden Hinweis auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. August 1993 - 2 AZR 159/93 - (BAGE 74, 143 ff.) eine Abweichung von diesem Urteil hätte geltend machen wollen, fehlte es bereits an der hinreichenden Gegenüberstellung eines von dem Bundesarbeitsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatzes und eines hierzu in Widerspruch stehenden, ebenfalls abstrakten entscheidungstragenden Rechtssatzes des Berufungsgerichts. Unabhängig davon rechtfertigte eine als gegeben unterstellte Abweichung von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht die Revisionszulassung, weil das Bundesarbeitsgericht in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht genannt ist.
3. Eine Zulassung der Revision kommt schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Betracht.
Die hinsichtlich der Frage der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kläger und Beigeladenem erhobene Rüge, "der Verwaltungsgerichtshof hätte über diese von ihm aufgestellte Behauptung die notwendige Sachverhaltsaufklärung ggf. Beweisaufnahme durchführen müssen, bevor er eine 'völlige Zerrüttung' seiner Entscheidung zugrunde legt (§§ 86, 108 VwGO)", gibt schon die Beweismittel, deren sich das Tatsachengericht fehlerhaft nicht bedient haben soll, nicht an und enthält auch keine substantiierten Angaben dazu, warum sich dem Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus die Erhebung dieser Beweise hätte aufdrängen müssen und welches Ergebnis diese Beweiserhebung im Einzelnen erbracht hätte (vgl. Beschluss vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B 24.78 - <Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f.>; Urteile vom 7. Februar 1985 - BVerwG 3 C 36.84 - <Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr. 25 S. 27> und vom 13. Dezember 1988 - BVerwG 1 C 44.86 - <NVwZ 1989, 453, [454]>; Beschluss vom 11. März 1999 - BVerwG 5 B 90.98 -).
Die Beschwerde setzt sich auch nicht hinreichend damit auseinander, dass das Berufungsgericht eingehend begründet hat, aus welchen Gründen es von einer Beweiserhebung zur Frage der Verantwortlichkeit für eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses abgesehen hat und es hier der unmittelbaren Beweiserhebung durch die entscheidende Behörde besondere Bedeutung beigemessen hat; das Berufungsgericht ist hier ersichtlich davon ausgegangen, dass es nach § 15 SchwbG im Hinblick auf die nach dieser Vorschrift gebotene Ermessensentscheidung (s. dazu auch BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - BVerwG 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287 <289> = Buchholz 436.61 § 15 SchwbG Nr. 6), also aus materiellrechtlichen Gründen, notwendig ist, dass die Hauptfürsorgestelle selbst die nach Ansicht des Berufungsgerichts noch erforderlichen Sachverhaltsermittlungen nachholt und zur Grundlage einer neuen Ermessensentscheidung macht. Für die Annahme, dass das Berufungsgericht gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen habe, ist umso weniger Raum, als sich die dem Beklagten auferlegte weitere Sachverhaltsaufklärung zur Frage, wer für die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses verantwortlich ist (s.a. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1995 - BVerwG 5 C 51.90 - BVerwGE 90, 287 [294] = Buchholz 436.61 § 15 SchwbG Nr. 6), nach dem Gesamtzusammenhang des Berufungsurteils ersichtlich auch auf die Frage bezieht, ob bzw. in welchem Grade eine Zerrüttung besteht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.