Beschluss vom 24.04.2008 -
BVerwG 10 B 107.07ECLI:DE:BVerwG:2008:240408B10B107.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.04.2008 - 10 B 107.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:240408B10B107.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 107.07

  • Bayerischer VGH München - 25.04.2007 - AZ: VGH 13a B 06.31110

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. April 2008
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sich die unbeschränkt eingelegte Beschwerde auch auf den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung bezieht, den das Berufungsgericht als rechtmäßig bestätigt hat, ist sie bereits unzulässig, weil es insoweit an der erforderlichen Begründung des Zulassungsbegehrens (§ 133 Abs. 3 VwGO) fehlt. Die Beschwerdebegründung geht lediglich auf das hilfsweise Klagebegehren auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) ein. Auch hinsichtlich dieses Teils des Klagebegehrens hat die Beschwerde indes im Ergebnis keinen Erfolg, da sie keine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufwirft.

2 In der Beschwerdebegründung wird als grundsätzlich bedeutsam die Frage bezeichnet,
ob ein irakischer Staatsangehöriger aus dem Gebiet des Zentraliraks ohne familiäre Bindungen in die kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak sich auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bzw. subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) berufen kann und ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Seite steht.

3 Mit dieser allgemeinen Frage nach dem Bestehen eines Anspruchs auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie (vgl. jetzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) für die umschriebene Gruppe irakischer Staatsangehöriger wird nicht - wie nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erforderlich - eine konkrete klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage zur Auslegung der genannten Bestimmungen aufgeworfen, die unabhängig von den Umständen des Einzelfalles und damit verallgemeinerungsfähig beantwortet werden könnte. Im Übrigen legt die Beschwerde auch nicht dar, dass sich die Frage auf der Grundlage der für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen im Berufungsurteil (§ 137 Abs. 2 VwGO) in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Denn, dass das Berufungsgericht das in der Frage vorausgesetzte Fehlen familiärer Bindungen des Klägers in den kurdisch verwalteten Nordirak festgestellt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die weiteren Ausführungen der Beschwerde führen nicht auf eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage.

4 Soweit die Beschwerde geltend macht, dass eine Konfliktsituation, die eine Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie eröffne, im Irak vorliege (Beschwerdebegründung S. 2 bis 6), zielt sie mit ihren Ausführungen und Beweisanträgen zur Lage im Irak auf die den Tatsacheninstanzen vorbehaltene Feststellung und Würdigung der dortigen tatsächlichen Verhältnisse, ohne eine Rechtsfrage zum Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne der genannten Bestimmung aufzuwerfen. Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht dar, dass und inwiefern das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung eines subsidiären Schutzes nach der Richtlinie entscheidungserheblich sein soll. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie auch deshalb verneint, weil dem Kläger bei (unterstelltem) Vorliegen einer derartigen Konfliktsituation in Teilen des Irak ein Ausweichen auf andere Landesteile möglich sei und ihm damit interner Schutz im Sinne von Art. 8 der Richtlinie zur Verfügung stehe. Gegen diese selbstständig tragende Begründung der Berufungsentscheidung hat die Beschwerde aber keine durchgreifenden Zulassungsrügen erhoben. Sie macht lediglich geltend, dass dem Kläger entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ein Ausweichen in andere Landesteile, insbesondere in die drei kurdischen Provinzen, nicht möglich sei, beruft sich aber insoweit weder auf einen Verfahrensmangel noch wirft sie eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zur Auslegung von Art. 8 der Richtlinie auf.

5 Der Vortrag der Beschwerde, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Erlasslage im Sinne des § 60a AufenthG vorliege, die dem Kläger derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittele (Beschwerdebegründung S. 6 bis 8), führt ebenfalls nicht auf eine im Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage. Unter welchen Voraussetzungen eine ausländerrechtliche Erlasslage dem Ausländer einen vergleichbar wirksamen Schutz vor Abschiebung im Sinne der Rechtsprechung zur verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vermittelt, ist bereits rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. Beschluss vom 27. November 2007 - BVerwG 10 B 119.07 - juris; Beschluss vom 28. August 2003 - BVerwG 1 B 192.03 - Buchholz 402.240 § 54 AuslG Nr. 7 jeweils m.w.N.). Einen weitergehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar. Sie greift vielmehr die tatrichterlichen Feststellungen und die Würdigung des Berufungsgerichts zum Vorliegen einer solchen Erlasslage an. Diese sind aber einer revisionsgerichtlichen Überprüfung grundsätzlich entzogen (vgl. Beschluss vom 28. August 2003 a.a.O. m.w.N.).

6 Soweit die Beschwerde schließlich sinngemäß noch die Frage aufwirft, ob der Erwägungsgrund Nr. 26 der Qualifikationsrichtlinie der Anwendung von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie entgegensteht oder nicht (Beschwerdebegründung S. 8 f.), kann dieses Vorbringen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Das Berufungsgericht hat, wie die Beschwerde selbst vorträgt, einen Schutzanspruch nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie insbesondere wegen des Bestehens eines internen Schutzes im Sinne von Art. 8 der Richtlinie verneint. Es hat ergänzend lediglich in einer Art Hilfsbegründung unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 26 der Richtlinie ausgeführt, dass „wohl“ auch bei allgemeinen Gefahren, die mit einem bewaffneten Konflikt im Zusammenhang stünden, die dargestellte Erlasslage nach § 60a AufenthG der Gewährung subsidiären Flüchtlingsschutzes entgegenstünde (UA S. 17). Die lediglich auf eine Hilfsbegründung bezogene Grundsatzfrage rechtfertigt aber nicht die Zulassung der Revision, wenn - wie hier - hinsichtlich der Hauptbegründung keine durchgreifenden Zulassungsgründe geltend gemacht werden.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.