Beschluss vom 23.09.2002 -
BVerwG 5 B 48.02ECLI:DE:BVerwG:2002:230902B5B48.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.09.2002 - 5 B 48.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:230902B5B48.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 48.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 14.02.2002 - AZ: OVG 2 A 5271/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision unter dem geltend gemachten Gesichtspunkt eines Verfahrensfehlers i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides und der Kläger zu 2 und 3 auf Einbeziehung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 BVFG im Wesentlichen mit der Begründung verneint, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 829); es könne nicht festgestellt werden, dass ihm die deutsche Sprache als Muttersprache im Elternhaus prägend vermittelt worden sei bzw. dass er sie als bevorzugte Umgangssprache im persönlich-familiären Bereich gesprochen habe und spreche. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung auf Zeugenaussagen des Stiefbruders und der Mutter des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung zu seiner Sprachfähigkeit sowie auf die dahin gehenden Angaben des Klägers zu 1 im Verwaltungsverfahren gestützt.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Ansprüche der Kläger auf der Grundlage der inzwischen geltenden Gesetzesfassung durch das Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266) mit der Begründung verneint, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger zu 1 in der Lage sei, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG F. 2001). Nach seinen eigenen Angaben im Aufnahmeverfahren und bei verständiger Würdigung der Zeugenaussage seines Bruders sei der Kläger zu 1 zwar wohl in der Lage, einfache Dinge und Sachverhalte in Deutsch zu verstehen, könne aber nicht richtig sprechen und ein einfaches Gespräch auf Deutsch nicht führen. Weiter gehende Feststellungen hätten weder im Aufnahmeverfahren noch im Klageverfahren getroffen werden können. Einem Sprachtest in einer deutschen Auslandsvertretung habe der Kläger zu 1 sich trotz entsprechender Einladung nicht unterzogen und dem Senat auch nicht die Möglichkeit geboten, seine Sprachkenntnisse in der mündlichen Verhandlung bei einer persönlichen Anhörung kennen zu lernen. An dem Termin zur mündlichen Verhandlung habe er ohne zureichenden Grund nicht teilgenommen, obwohl er in der seinen Prozessbevollmächtigten zugestellten Ladung ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass der Senat von seiner persönlichen Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ausgehe. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten für das Fernbleiben des Klägers überzeuge nicht. Es entspreche der allgemeinen Erfahrung des Senats, dass Klägern in vertriebenenrechtlichen Verfahren das zur Einreise notwendige Visum regelmäßig erteilt werde, wenn sie rechtzeitig unter Vorlage einer Ladung mit dem Zusatz, die persönliche Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sei ratsam bzw. der Senat gehe von der persönlichen Teilnahme aus, bei einer deutschen Auslandsvertretung vorsprächen. Aus welchen Gründen es vorliegend nicht zur Erteilung eines Visums gekommen sei, sei weder vom Kläger zu 1 noch von seinen Prozessbevollmächtigten nachvollziehbar dargetan worden. Die Ladung sei den Prozessbevollmächtigten am 21. November 2001, fast drei Monate vor dem Termin, zugestellt worden. Es sei schon nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass der Kläger zu 1 überhaupt bei einer deutschen Auslandsvertretung zum Zwecke der Visaerteilung vorgesprochen habe, und nicht ersichtlich, welche Unterlagen er dabei vorgelegt habe. Es gebe auch keine Bestätigung, dass und ggf. aus welchen Gründen eine Visaerteilung abgelehnt worden sei. Die im Termin zu den Akten gereichten Schreiben der Mutter des Klägers zu 1 seien mangels aussagekräftiger Angaben nicht ausreichend. Sollte der Kläger tatsächlich erst wenige Tage vor dem Termin, nämlich am 7. Februar 2002 bei einer Botschaft vorgesprochen haben und ihm schon wegen der Kurzfristigkeit kein Visum mehr erteilt worden sein, ginge dies zu seinen Lasten; denn von einem Kläger könne im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht erwartet werden, dass er ein zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung erforderliches Visum rechtzeitig beantrage. Die fehlende Mitwirkung gehe zu Lasten des Klägers, soweit dadurch eine weitere Aufklärung seiner aktuellen deutschen Sprachkenntnisse nicht möglich gewesen sei. Zu einer Vertagung des Rechtsstreits habe danach kein Anlass bestanden, zumal in der Ladung ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass es rechtlich zu seinem Nachteil gewertet werden könne, wenn der Kläger ohne genügende Entschuldigung dem Termin fernbleibe. Für die hilfsweise beantragte nochmalige Anhörung der bereits vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen habe kein Anlass bestanden; es sei nicht konkret dargetan oder sonst ersichtlich, welche weiter gehenden Angaben die genannten Zeugen bei einer erneuten Vernehmung noch hätten machen können. Aus den genannten Gründen sei auch die hilfsweise beantragte persönliche Anhörung des Klägers zu 1 nicht geboten gewesen. Da der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides habe, bestehe auch kein Anspruch der Kläger zu 2 und 3 auf Einbeziehung.
Die hiergegen vorgetragenen Rügen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels.
Es begründet keinen Verfahrensverstoß unter Gesichtspunkten des Gebots effektiver Rechtsschutzgewährung, des Prinzips der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO), des Anspruchs auf Gewährung von rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO) oder des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers zu 1 auf Erteilung eines Aufnahmebescheides aufgrund der im Verwaltungsverfahren gemachten eigenen Angaben des Klägers und der Angaben seines in erster Instanz als Zeugen vernommenen Stiefbruders zu seiner Sprachfähigkeit abgelehnt hat, weil es dem Kläger an der Fähigkeit mangle, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Es war nicht gehalten, zur Meidung eines Verfahrensverstoßes die beantragte weitere Beweiserhebung durch erneute Befragung der beiden erstinstanzlich vernommenen Zeugen sowie die persönliche Anhörung des Klägers durchzuführen.
Was die persönliche Anhörung des Klägers zu 1 betrifft, hat die Vorinstanz zutreffend darauf hingewiesen, dass die Amtsermittlungspflicht durch die Mitwirkungslast der Prozessbeteiligten begrenzt wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Dezember 1963 - BVerwG 8 B 29.63 - <NJW 1964, 786>). Werden die gerichtlichen Aufklärungsbemühungen infolge von Umständen, die ausschließlich oder überwiegend in der Sphäre eines Prozessbeteiligten liegen, verzögert, kann er sich nicht darauf berufen, dass das Gericht ihm günstige Umstände nicht von Amts wegen ermittelt habe (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. November 1986 - BVerwG 8 C 27.85 - <DÖV 1987, 744 m.w.N.>). Auch der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs findet seine Grenzen dort, wo der Betroffene die ihm gebotene Gelegenheit, sich zu äußern, nicht wahrnimmt (vgl. BVerfGE 5, 9 <10>; 79, 80 <83>). Insoweit hat die Vorinstanz rechtsfehlerfrei dargelegt, dass der Kläger von der ihm mit der Ladung gebotenen Möglichkeit, das Gericht durch sein persönliches Erscheinen von seinen Sprachfähigkeiten zu überzeugen, keinen Gebrauch gemacht und auch nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht hat, dass er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen wäre, der unter Hinweis auf die möglichen Folgen eines Ausbleibens vorgenommenen Ladung zur mündlichen Verhandlung nachzukommen.
Soweit die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte schon wegen der Reisekosten und mit der Visaerteilung verbundener Lasten das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen müssen, ist ein solcher Hinderungsgrund in der Vorinstanz nicht geltend gemacht worden; auch dient die gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Ermessen des Gerichts liegende Entscheidung über eine Anordnung des persönlichen Erscheinens der Unterstützung der Amtsermittlung, nicht aber der Erleichterung nicht geltend gemachter finanzieller Probleme der Beteiligten im Zusammenhang mit der Anreise.
Was die als Verfahrensverstoß gerügte Ablehnung des Antrages auf erneute Vernehmung der bereits erstinstanzlich vernommenen Zeugen betrifft, ist schon nicht vorgetragen, was diese über ihre bereits erfolgte Aussagen zur Sprachfähigkeit des Klägers hinaus noch vorgebracht hätten. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Ermittlungen der 1. Instanz zur (mangelnden) deutschen Sprachfähigkeit des Klägers wegen der zwischenzeitlichen Änderung der insoweit geltenden gesetzlichen Maßstäbe (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG F. 2001) nicht geeignet wären, als Grundlage einer Feststellung mangelnder Sprachfähigkeit im Sinne des
§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG zu dienen.
Den Klägern kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil ihre Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.