Beschluss vom 23.08.2004 -
BVerwG 3 B 3.04ECLI:DE:BVerwG:2004:230804B3B3.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.08.2004 - 3 B 3.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:230804B3B3.04.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 3.04

  • VG Greifswald - 02.10.2003 - AZ: VG 6 A 272/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und L i e b l e r
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 2. Oktober 2003 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Greifswald zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat Erfolg. Es liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Anforderungen an die von Amts wegen gebotene Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht beachtet.
Die Beschwerdeführerin macht - neben dem Zulassungsgrund der Divergenz, hinsichtlich dessen die Beschwerdebegründung den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 VwGO nicht genügt, da divergierende abstrakte Rechtssätze nicht benannt werden - als Verfahrensmangel geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Pflichten aus § 86 VwGO deshalb verletzt, weil es der Frage, ob die Zuordnung des streitgegenständlichen Flurstückes zu der Flur 18 der Gemarkung Ribnitz zutreffend erfolgt sei, trotz entsprechender Beweisangebote nicht nachgegangen sei. Zwar hat die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren hierzu keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Doch musste sich dem Verwaltungsgericht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hinsichtlich dieser Frage aufdrängen.
Nach der für die Beurteilung der Reichweite seiner Aufklärungspflicht maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hätte die Beschwerde führende Gemeinde dann einen Restitutionsanspruch nach Art. 21 Abs. 3 EV oder Art. 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3 EV auf das unentgeltlich dem Zentralstaat überlassene streitgegenständliche Grundstück, wenn es auf ihrem Gemeindegebiet belegen wäre. Diese Voraussetzung sei aber deshalb nicht gegeben, weil das Flurstück im Gemeindegebiet der Stadt Ribnitz-Damgarten liege. Hiergegen hatte die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren eingewandt, das Flurstück 1/7 sei bei seiner erstmaligen Vermessung im Jahr 1993 vom Vermessungsingenieur unzutreffend der zur Stadt Ribnitz-Damgarten gehörenden Flur 18, Flurstück 1 zugeordnet worden, tatsächlich habe es sich bei dieser Flur aber um eine Wasserfläche gehandelt. Zur Frage der Zugehörigkeit des Flurstückes 1/7 zu ihrem Gemeindegebiet statt zur Gemarkung Ribnitz und zum tatsächlichen Verlauf der Grenze der Flur 18 hatte die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 18. Mai 2001 Beweis angeboten durch Vernehmung der Leiterin der Außenstelle Ribnitz-Damgarten des Kataster- und Vermessungsamtes des Landkreises Nordvorpommern als Zeugin und die Erstellung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beschwerdeführerin hat die Richtigkeit der gebietsmäßigen Zuordnung des streitgegenständlichen Flurstückes insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 18. Mai 2001 hinreichend substanziiert bestritten, so dass nicht bereits wegen fehlender Substanziierung - wie das Verwaltungsgericht meint - eine weitere Sachaufklärung unterbleiben konnte. Das Argument des Verwaltungsgerichts, dass der Vermessungsingenieur das Grundstück lediglich in der Flur eingemessen habe, die Flurgrenzen aber anderweitig festgelegt seien, erweist sich als nicht tragfähig, wenn - wie die Beschwerdeführerin geltend gemacht hat - die Grenze der Flur 18 an der Wasserlinie endete. Die Möglichkeit einer unzutreffenden Zuordnung wird ebenso wenig dadurch in Frage gestellt, dass nach der vom Verwaltungsgericht beim Katasteramt telefonisch eingeholten Auskunft eine Umgemeindung des Teils der Stadt Ribnitz-Damgarten, in der das Grundstück liege, nicht stattgefunden habe. Bei einer vorangegangenen unzutreffenden Flurstückszuordnung bedurfte es keiner solchen Umgemeindung. Nach all dem wäre das Verwaltungsgericht gehalten gewesen die Frage der gebietsmäßigen Zuordnung des Flurstückes 1/7 zum Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin oder dem der Stadt Ribnitz-Damgarten zu klären. Eine Klärung dieser Frage musste sich dem Verwaltungsgericht auch deshalb aufdrängen, weil der unmittelbar neben dem streitigen Flurstück belegene Hafen Althagen der Beschwerdeführerin bereits mit bestandskräftigem Bescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Rostock vom 28. März 1996 zugeordnet worden und dies mit der Begründung geschehen war, dass dieser Vermögensgegenstand ausweislich der Verwaltungskarte Mecklenburg-Vorpommern (Stand April 1994) im verwaltungshoheitlichen Bereich der Beschwerdeführerin und nicht dem der Stadt Ribnitz-Damgarten liege.
Der Rechtsstreit war daher gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Greifswald zurückzuverweisen. Es wird ergänzend tatsächliche Feststellungen zu der Frage der Belegenheit des streitgegenständliche Flurstücks 1/7 auf dem Gemeindegebiet der Beschwerdeführerin oder dem der Stadt Ribnitz-Damgarten zu treffen haben.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.