Beschluss vom 23.07.2002 -
BVerwG 7 B 53.02ECLI:DE:BVerwG:2002:230702B7B53.02.0

Beschluss

BVerwG 7 B 53.02

  • VG Greifswald - 15.01.2002 - AZ: VG 2 A 1587/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2002
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. F r a n ß e n und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Der Kläger wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten, mit dem sein Widerspruch gegen die Ablehnung eines Restitutionsbegehrens als unzulässig abgewiesen worden ist, und begehrt Neubescheidung. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zunächst durch Gerichtsbescheid und - nach einem Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung - anschließend durch Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für eine Klage auf bloße Bescheidung des Widerspruchs das Rechtsschutzinteresse fehle und darüber hinaus der Widerspruchsbescheid nicht isolierter Gegenstand der Klage sein könne, weil der Kläger daneben eine weitere Klage gegen den Ausgangsbescheid erhoben habe.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegt weder der gerügte Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor, noch weist die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.
1. Der Kläger sieht eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs darin, dass das Verwaltungsgericht in seinem Urteil fast wörtlich die Gründe des Gerichtsbescheides übernommen habe, ohne die Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 11. Januar 2002 oder den Inhalt der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen. Die Rüge ist nicht berechtigt. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass die Verwaltungsgerichtsordnung in § 84 Abs. 4 sogar die Bezugnahme auf die Gründe des Gerichtsbescheides erlaubt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Gericht damit der Mühe enthoben wäre, die gegen die Begründung des Gerichtsbescheides vorgetragenen Argumente in Erwägung zu ziehen und - soweit es sich um für die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung wesentlichen neuen Vortrag handelt - in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten. Der Kläger versäumt es jedoch, in seiner Beschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen, welche seiner Argumente in diesem Sinne neu waren und nicht beschieden wurden. Abgesehen davon ist seine Behauptung, das Verwaltungsgericht habe sich in seinem Urteil mit der Begründung des Einspruchs gegen den Gerichtsbescheid überhaupt nicht auseinander gesetzt, offensichtlich unzutreffend. Der Beklagte macht zu Recht darauf aufmerksam, dass diese Begründung nicht nur im Tatbestand des Urteils wiedergegeben wird, sondern auch Gegenstand der rechtlichen Würdigung in den Entscheidungsgründen ist.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob in einem aufgrund mündlicher Verhandlung ergehenden Urteil die Begründung eines zuvor erlassenen Gerichtsbescheides übernommen werden darf, sind die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllt; diese Frage bedarf mit Blick auf § 84 Abs. 4 VwGO keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.
2. Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt auch nicht im Hinblick auf die weitere vom Kläger aufgeworfene Frage in Betracht, ob eine Klage gegen einen Widerspruchsbescheid isoliert zulässig ist, wenn der Widerspruch als unzulässig verworfen worden ist; denn diese Frage ist in dem Umfang, in dem sie anhand des vorliegenden Falls in einem Revisionsverfahren zu beantworten wäre, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Das Verwaltungsgericht hat die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides sinngemäß deswegen für unzulässig gehalten, weil das im Verwaltungsverfahren verfolgte Begehren auf eine Verpflichtung, nämlich die Rückübertragung des Grundstücks gerichtet sei; im Hinblick darauf, dass der Behörde bei der angestrebten Sachentscheidung kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum eingeräumt sei, bestehe somit kein Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer bloßen Bescheidung seines Widerspruchs. Diese Auffassung des Verwaltungsgerichts steht im Einklang mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Januar 1999 - BVerwG 8 B 266.98 – (Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 33). Dort ist ausdrücklich entschieden worden, dass im Rahmen eines Verpflichtungsbegehrens auf Rückerstattung nach dem Vermögensgesetz ein schützenswertes Interesse an der isolierten Aufhebung des - verfahrensfehlerhaft ergangenen - Widerspruchsbescheides mangels eines behördlichen Ermessens- oder Beurteilungsspielraums regelmäßig nicht anzuerkennen ist.
3. Die weitere als klärungsbedürftig bezeichnete Frage des Klägers, ob das Verwaltungsgericht die Klage auch deswegen als unzulässig behandeln durfte, weil er neben dem Widerspruchsbescheid in einem weiteren Verfahren auch den Ausgangsbescheid angegriffen habe, kann der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Revision, wenn ein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt ist, nur unter der Voraussetzung zugelassen werden, dass im Hinblick auf jede dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4). Wie oben dargelegt, ist die Abweisung der Klage als unzulässig aber auch darauf gestützt worden, dass für die isolierte Anfechtungsklage gegen einen Widerspruchsbescheid im Rahmen eines auf eine gebundene Entscheidung gerichteten Verpflichtungsbegehrens das Rechtsschutzinteresse fehlt, ohne dass die dagegen erhobene Grundsatzrüge des Klägers durchgreift.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.