Beschluss vom 23.06.2016 -
BVerwG 1 B 77.16ECLI:DE:BVerwG:2016:230616B1B77.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.06.2016 - 1 B 77.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:230616B1B77.16.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 77.16

  • VG Augsburg - 27.03.2013 - AZ: VG Au 6 K 12.1457
  • VGH München - 07.03.2016 - AZ: VGH 10 B 15.180

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juni 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. März 2016 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 1.1 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine von der Beschwerde zu bezeichnende konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Fragen des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung im Revisionsverfahren bedarf. Eine solche Frage lässt sich der Beschwerde nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 VwGO entnehmen.

4 1.2 Die Beschwerde formuliert schon keine ausdrückliche, aus ihrer Sicht klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts. Sie macht geltend, das Berufungsgericht sei rechtsfehlerhaft zu der Überzeugung gelangt, dass auch in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt im Hinblick auf den Kläger eine hinreichende konkrete Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen werde, obwohl er im Zeitpunkt der Entscheidung durch einen Bewährungsbeschluss der Strafvollstreckungskammer unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung aus der Haft entlassen gewesen sei, er seit der Haftentlassung einen festen Wohnsitz und eine feste Freundin habe, selbständig tätig sei, die Bewährung gut laufe und er auch seine in der JVA begonnene Therapie fortgesetzt habe. Dieses Vorbringen macht allenfalls eine rechtsfehlerhafte Anwendung des heranzuziehenden Rechts im Einzelfall, aber noch keine revisionsgerichtlich klärungsfähige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, zumal der Kläger zutreffend darauf verweist, dass jedenfalls nach einer früheren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 16. November 2000 - 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185) eine Aussetzung nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB keine Bindungswirkung entfaltet. Der bloße Hinweis auf eine hiervon abweichende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, nach der eine rechtskräftige strafgerichtliche Aussetzung eines Strafrestes nach assoziationsrechtlichen Maßstäben einer Ausweisung regelmäßig zu Grunde zu legen sei, sodass regelmäßig keine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, angenommen werden könne, ersetzt nicht die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als der Senat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2012 (- 1 C 20.11 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 15) im Falle einer spezialpräventiven Ausweisung eines nach dem Assoziationsrecht geschützten türkischen Staatsangehörigen bekräftigt hat, dass Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei ihrer aufenthaltsrechtlichen Gefahrenprognose anlässlich des Erlasses bzw. der Überprüfung einer spezialpräventiven Ausweisung nicht an die Entscheidungen der Strafgerichte über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gebunden seien, und dies unter Aufhebung des von dem Kläger herangezogenen Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 7. März 2012 - 11 S 3269/11) in seinem Urteil vom 15. Januar 2013 (- 1 C 10.12 - Buchholz 402.242 § 55 AufenthG Nr. 16) bestätigt hat.

5 1.3 Soweit der Kläger geltend macht, der Rechtssache sei auch im Hinblick auf "die §§ 53 ff. Ausländergesetz neu" (gemeint ist offenkundig die zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene Fassung der §§ 53 ff. AufenthG) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wird nicht einmal ansatzweise eine klärungsfähige Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung formuliert.

6 2. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht eine Abweichung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

7 2.1 Die ausreichende Bezeichnung einer Divergenz setzt gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt und diesem einen ebensolchen Rechtssatz gegenüberstellt, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Die Rüge einer lediglich fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes genügt hierfür nicht.

8 2.2 Soweit eine Abweichung von einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg geltend gemacht wird, genügt dies bereits im Ansatz nicht den Darlegungsanforderungen. Denn die Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe anderer Bundesländer gehören nicht zu den in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten divergenzfähigen Gerichten; eine etwaige Abweichung könnte nur unter dem - hier nicht durchgreifenden - Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung berücksichtigt werden. Ohnehin stellt die Beschwerdeschrift nicht - vermeintlich oder tatsächlich - voneinander abweichende abstrakte Rechtssätze gegenüber. Für eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ebenfalls nichts dargelegt.

9 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.