Beschluss vom 23.06.2005 -
BVerwG 7 B 158.04ECLI:DE:BVerwG:2005:230605B7B158.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.06.2005 - 7 B 158.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:230605B7B158.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 158.04

  • VG Dresden - 24.06.2004 - AZ: VG 7 K 3849/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

I


Die Klägerin macht vermögensrechtliche Ansprüche auf drei Grundstücke in R., B. und Bi. geltend.
Eigentümer der drei Grundstücke war früher Fritz P. Er führte als Einzelkaufmann ein Unternehmen und nutzte die Grundstücke für seinen Betrieb. Unter Gründung einer offenen Handelsgesellschaft nahm Fritz P. im Jahre 1945 seinen Sohn Willi P. in das Unternehmen auf. Anfang 1946 schied Fritz P. aus der Gesellschaft aus. Diese wurde durch Aufnahme von Susi P., der Schwester von Willi P., als Kommanditistin in eine Kommanditgesellschaft mit Willi P. als Komplementär umgewandelt. Als weitere Kommanditistin wurde im September 1947 Alma P., die Ehefrau von Fritz P., in die Gesellschaft aufgenommen. Fritz P. verstarb im Mai 1949. Er wurde von Alma P. zu einem Viertel sowie von Willi P. und Susi P. zu je drei Achteln beerbt. Willi P. floh 1949 nach West-Berlin. Susi P. verzog nach Westdeutschland. Nach der Feststellung des Verwaltungsgerichts wurde der Gesellschaftsanteil von Willi P. in Volkseigentum überführt, der Gesellschaftsanteil von Susi P. staatlich verwaltet. Susi P. verstarb 1979 und wurde von Willi P. beerbt, der seinerseits im Jahre 1986 verstarb. Seine Alleinerbin ist die Klägerin.
Über das Vermögen der Kommanditgesellschaft wurde im April 1958 das Konkursverfahren eröffnet. Die drei Grundstücke, für die nach wie vor Fritz P. im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war, wurden zu diesem Zeitpunkt von der Gesellschaft genutzt. Das Grundstück in Bi. wurde im Dezember 1958 an ein anderes Unternehmen veräußert. Die beiden Grundstücke in B. und R. wurden durch einen Vertrag vom März 1962 auf die Kommanditgesellschaft aufgelassen. Nach der Feststellung des Verwaltungsgerichts erteilten die Vertreter des Gläubigerausschusses und der Konkursverwalter im Schlusstermin des Konkursverfahrens am 30. Januar 1978 ihre Zustimmung dazu, dass die Konkursmasse auf die Forderung des Hauptgläubigers, des Rates des Kreises W., angerechnet werde. Unter Hinweis auf diesen Beschluss wurde im Jahre 1981 für beide Grundstücke im Grundbuch Eigentum des Volkes eingetragen.
Nachdem ihr Restitutionsantrag im Verwaltungsverfahren teilweise erfolglos geblieben war, hat die Klägerin mit ihrer Klage zum einen vermögensrechtliche Ansprüche als Rechtsnachfolgerin der Erben Willi P. und Susi P. geltend gemacht. Insoweit hat sie dargelegt, die drei in Rede stehenden Grundstücke hätten im Privateigentum von Fritz P. und nach dessen Tod im Privateigentum der Erbengemeinschaft nach Fritz P. gestanden. Der Gesamthandsanteil von Willi P. am Nachlass nach Fritz P. sei nach seiner Flucht entschädigungslos enteignet worden. Den Anteil von Susi P. habe der staatliche Verwalter auf Betreiben des Konkursverwalters veräußert. Die Übertragung der Grundstücke auf die Kommanditgesellschaft stelle insgesamt eine unlautere Machenschaft dar. Die Klägerin hat ferner als Erbin der ehemaligen Mehrheitsgesellschafter der Kommanditgesellschaft vermögensrechtliche Ansprüche der Kommanditgesellschaft in Liquidation geltend gemacht und insoweit unter anderem vorgetragen, die Überführung der beiden Grundstücke in Volkseigentum anknüpfend an den Beschluss, die Konkursmasse auf Forderungen des Hauptgläubigers anzurechnen, sei mangels Rechtsgrundlage willkürlich gewesen und habe deshalb eine unlautere Machenschaft dargestellt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt: Die Klägerin sei nicht Berechtigte nach den Erben von Fritz P. Die in Rede stehenden Grundstücke seien infolge der Umwandlung des Unternehmens in eine offene Handelsgesellschaft im Jahre 1945 in das Eigentum der Gesellschaft übergegangen und 1946 Eigentum der Kommanditgesellschaft geworden. Fritz P. persönlich sei seit 1945 nicht mehr Eigentümer der Grundstücke gewesen. Deshalb hätten seine Erben keine Eigentümerstellung erlangen können. Die Kommanditgesellschaft sei nicht durch eine unlautere Machenschaft geschädigt worden. Zwar seien die Grundstücke nicht gemäß § 126 KO verwertet worden. Darin liege aber allenfalls ein einfacher Rechtsverstoß, der keinen Willkürakt darstelle. Nach den Unterlagen über das Konkursverfahren habe der Konkursverwalter große Schwierigkeiten gehabt, die Grundstücke zu verwerten, weil keine Kaufinteressenten vorhanden gewesen seien. Danach habe es sich wahrscheinlich im Rahmen des Zulässigen gehalten, die Konkursmasse auf die Forderungen des Hauptgläubigers anzurechnen.
Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II


Die Beschwerde ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes des § 108 Abs. 1 VwGO.
Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn die tatrichterliche Überzeugungsbildung an inneren Mängeln leidet, weil das Gericht im Rahmen der Tatsachenwürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat oder von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das Tatsachengericht darf nicht wesentliche Umstände übergehen oder den Sachverhalt nur selektiv, also unter Ausblendung erheblicher Tatsachen, wahrnehmen.
1. Die Klägerin wendet sich zum einen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, ihr stünden als Rechtsnachfolgerin von Fritz P. und dessen Erben keine Ansprüche auf Einzelrestitution der streitigen Grundstücke zu, weil das Eigentum an diesen Grundstücken bereits 1945 von Willi P. auf die seinerzeit gegründete offene Handelsgesellschaft übergegangen sei. Insoweit rügt die Klägerin aber nur eine aus ihrer Sicht fehlerhafte rechtliche Bewertung des Sachverhalts, nicht jedoch eine verfahrensrechtlich unzulängliche Erfassung des zugrunde gelegten Sachverhalts. Ein solcher Rechtsanwendungsfehler stellt aber keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz dar. Ob die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zutrifft, ist deshalb für die allein erhobene Verfahrensrüge unerheblich.
Ausweislich des Tatbestands und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist das Verwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass Fritz P. durch Aufnahme seines Sohnes Willi P. in das Unternehmen mit diesem eine offene Handelsgesellschaft gegründet hat, in die Fritz P. das Unternehmen eingebracht hat. Das Verwaltungsgericht hat ferner angenommen, die hier in Rede stehenden Grundstücke seien von dem Unternehmen betrieblich genutzt worden. Diese tatsächlichen Annahmen des Verwaltungsgerichts zieht die Klägerin in ihrer Beschwerde nicht in Zweifel. Sie ist lediglich der Auffassung, allein aus diesen Umständen lasse sich ein Übergang des Eigentums an den Grundstücken von Fritz P. auf die gegründete offene Handelsgesellschaft noch nicht herleiten. Insoweit hat indes das Verwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, mit der Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Personenhandelsgesellschaft seien die betrieblich genutzten Grundstücke auf die offene Handelsgesellschaft übergegangen, ohne dass es einer Auflassung bedurft hätte. Das Verwaltungsgericht geht mithin rechtlich davon aus, dass die Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine offene Handelsgesellschaft zu einer Gesamtrechtsnachfolge der gegründeten Gesellschaft bezogen auf das Betriebsvermögen führe, ohne dass die einzelnen Vermögensgegenstände durch Einzelakte (Übereignung von beweglichem Vermögen, Auflassung von Grundstücken, Abtretung von Forderungen) auf die Gesellschaft übertragen werden müssten. Von dieser Rechtsauffassung ausgehend musste das Verwaltungsgericht nicht mehr tatsächliche Umstände feststellen, als es seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Wenn die Klägerin diese Umstände nicht für ausreichend hält, einen Eigentumsübergang auf die offene Handelsgesellschaft zu belegen, so liegt dem eine andere (und wohl zutreffende) Rechtsauffassung zugrunde. Die Klägerin geht davon aus, dass nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Gründung der offenen Handelsgesellschaft nicht allein die Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Personenhandelsgesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zu einem Übergang des Betriebsvermögens auf die Gesellschaft geführt habe, sondern hierzu eine Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände auf die Gesellschaft erforderlich gewesen sei, also bezogen auf die Betriebsgrundstücke eine Auflassung und Eintragung in das Grundbuch. Von dieser Rechtsauffassung ausgehend war die fortgesetzte betriebliche Nutzung der Grundstücke ambivalent. Sie konnte bedeuten, dass das Eigentum an den Grundstücken bei Gründung der Gesellschaft auf diese übertragen worden ist oder aber dass die Grundstücke der Gesellschaft nur zur Nutzung überlassen wurden, jedoch Eigentum des bisherigen Einzelkaufmanns blieben. Nur von dieser abweichenden Rechtsauffassung aus hätte das Verwaltungsgericht weitere tatsächliche Feststellungen treffen müssen. Für die Frage eines Verfahrensfehlers im Sinne einer mangelhaften Überzeugungsbildung kommt es indes auf die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an. Insoweit hat das Verwaltungsgericht sich nicht auf ambivalente und deshalb untaugliche Indizien gestützt, wie die Klägerin meint, sondern alle Tatsachen festgestellt, die auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung für die Annahme eines Eigentumsübergangs erforderlich waren.
Ausgehend von der für einen Verfahrensfehler maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sind auch die weiteren in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Klägerin unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat nicht wesentlichen Akteninhalt unberücksichtigt gelassen. Für das Verwaltungsgericht war unerheblich, dass Fritz P. als Eigentümer im Grundbuch eingetragen blieb. Das Verwaltungsgericht ist von einem Rechtserwerb der offenen Handelsgesellschaft außerhalb des Grundbuchs durch Gesamtrechtsnachfolge ausgegangen, durch die das Grundbuch unrichtig wurde. Auf die Vermutungsregel des § 891 Abs. 1 BGB kam es danach für das Verwaltungsgericht nicht an. Das Verwaltungsgericht hat sich auch mit dem Umstand auseinander gesetzt, dass die Beteiligten bei Abschluss des Vertrages zur Übertragung des Eigentums an den Grundstücken auf die Kommanditgesellschaft davon ausgingen, diese Grundstücke stünden noch im Privateigentum der Erben nach Fritz P. Es hat von seiner Rechtsauffassung aus folgerichtig angenommen, die Beteiligten hätten über die wahre Eigentumslage geirrt.
2. Die Klägerin wendet sich zum anderen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Überführung der beiden Grundstücke in R. und B. in Volkseigentum im Jahre 1981 stelle keine unlautere Machenschaft dar. Insoweit wirft die Klägerin dem Verwaltungsgericht aber ebenfalls zu Unrecht vor, es habe seine
Überzeugung auf einer unvollständig ermittelten tatsächlichen Grundlage gebildet.
Die Klägerin knüpft dabei an die Auffassung des Verwaltungsgerichts an, die Grundstücke seien aufgrund des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 30. Januar 1978 in Volkseigentum umgeschrieben worden; die dort beschlossene Anrechnung der Konkursmasse auf die Forderungen des Hauptgläubigers, des Rates des Kreises W., habe sich wahrscheinlich im Rahmen des Zulässigen gehalten. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, für eine solche "Anrechnung" habe eine Rechtsgrundlage gefehlt; das Verwaltungsgericht hätte sich zunächst die notwendige Kenntnis über die seinerzeit geltende Rechtslage verschaffen müssen und erst hiervon ausgehend beurteilen können, ob der Vorgang willkürlich gewesen sei oder nicht.
Das Verwaltungsgericht hat ersichtlich an § 162 der seinerzeit in der DDR noch geltenden Konkursordnung angeknüpft. Nach dieser Vorschrift können die Gläubiger im Schlusstermin über die nicht verwertbaren Vermögensstücke beschließen. In tatsächlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht den vorliegenden Unterlagen entnommen, dass die in Rede stehenden Grundstücke mangels Interessenten nicht durch Verkauf verwertbar waren. Nach § 162 KO konnten die Gläubiger beschließen, dass in dieser Weise nicht verwertbare Gegenstände durch einen Gläubiger übernommen werden, indem der Gegenstand dem Übernehmer auf seinen Antrag zu einem bestimmten Preis unter Anrechnung dieses Preises auf die ihm gebührende Konkursdividende überlassen wird (vgl. Jäger, Konkursordnung, 8. Auflage, 1973, § 162 Anmerkung 6). Von dieser rechtlichen Möglichkeit der Gläubigerversammlung ausgehend konnte sich das Verwaltungsgericht im Weiteren mit der Feststellung begnügen, dass der konkret gefasste Beschluss wohl zulässig und damit jedenfalls nicht willkürlich im Sinne einer unlauteren Machenschaft nach § 1 Abs. 3 VermG war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.