Beschluss vom 23.05.2012 -
BVerwG 1 WB 9.12ECLI:DE:BVerwG:2012:230512B1WB9.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.05.2012 - 1 WB 9.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:230512B1WB9.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 9.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 23. Mai 2012 beschlossen:

  1. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
  2. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht S. verwiesen.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin wendet sich gegen die Modalitäten ihrer Versetzung zum Bundeswehrkrankenhaus U.

2 Die 1989 geborene Antragstellerin trat am 1. Juli 2009 zunächst für zwei Jahre als Soldatin auf Zeit in die Bundeswehr ein. Mit Bescheid vom 14. Juni 2011 teilte das Personalamt der Bundeswehr - Offizierbewerberprüfzentrale - der Antragstellerin mit, dass sie das Annahmeverfahren für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes erfolgreich abgeschlossen habe; mit Personalverfügung vom 15. Juni 2011 erfolgte ihre Übernahme als Anwärterin für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes. Die Antragstellerin ist verheiratet und hat gemeinsam mit ihrem Ehemann, der ebenfalls Soldat ist, einen anerkannten Wohnsitz in M.

3 Bei der Einplanung für den Studiengang Humanmedizin wurde die Antragstellerin nicht mit dem von ihr bevorzugten Studienort M. berücksichtigt, sondern zum Wintersemester 2011/2012 dem Studienort U. zugewiesen. Gegen diese Einplanung wandte sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 26. Juli 2011. Sie rügte dabei umfassend ihre Behandlung im Auswahlverfahren und machte geltend, dass ihren persönlichen und familiären Belangen nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Außerdem trug sie mehrere Alternativvorschläge für ihre Einplanung vor.

4 Mit Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 26. Juli 2011 wurde die Antragstellerin zum 1. Oktober 2011 aus dienstlichen Gründen (Beurlaubung zum Studium gemäß § 11 SUV) unter Zusage der Umzugskostenvergütung an das Bundeswehrkrankenhaus U. versetzt. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 31. August 2011 ebenfalls Beschwerde.

5 Mit Bescheid vom 30. September 2011 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerden vom 26. Juli 2011 und vom 31. August 2011 zurück. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2011 beantragte die Antragstellerin daraufhin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen mit seiner Stellungnahme vom 14. Februar 2012 dem Senat vor.

6 Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. Oktober 2011 erklärte die Antragstellerin, sie wende sich insofern gegen den Bescheid vom 30. September 2011, als dort ihre Beschwerde gegen die Versetzungsverfügung vom 26. Juli 2011 zurückgewiesen worden sei. In der Sache werde beantragt, die Versetzungsverfügung vom 26. Juli 2011 und den diesbezüglichen Teil des Beschwerdebescheids vom 30. September 2011 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, eine Versetzungsverfügung zum Bundeswehrkrankenhaus U. ohne Zusage der Umzugskostenvergütung zu erlassen. Einen gleichartigen Antrag stellte die Antragstellerin nochmals mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. März 2012. Zur Begründung führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass der Rahmenerlass für die Einstellung, rechtliche Stellung, Ausbildung, Betreuung und Fürsorge der Sanitätsoffizieranwärterinnen und Sanitätsoffizieranwärter unrichtig angewandt worden sei. Nach den vorrangigen Vorschriften des Bundesumzugskostengesetzes hätte sie ohne Zusage der Umzugskostenvergütung nach U. versetzt werden müssen.

7 Das Gericht hat mit Schreiben vom 2. April 2012 die Beteiligten darüber unterrichtet, dass für die Frage der Umzugskostenvergütung möglicherweise der Verwaltungsrechtsweg und nicht der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten eröffnet sei, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das für den Dienstort der Antragstellerin zuständige Verwaltungsgericht gegeben. Die Antragstellerin hat sich hierzu mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 5. April 2012 geäußert.

8 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: .../11, .../11, .../11, .../11, .../11 und .../11 - und die Personalgrundakte der Antragstellerin haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

9 Für das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb an das zuständige Verwaltungsgericht S. zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. Beschluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 Rn. 26 = NVwZ-RR 2009, 541).

10 1. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - <insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2005, 212> m.w.N.). Für Rechtsstreitigkeiten, die das Statusverhältnis eines Soldaten betreffen, ist hingegen allein die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte gegeben (stRspr, vgl. Beschluss vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N.).

11 2. Die Antragstellerin beantragt mit den Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 27. Oktober 2011 und vom 22. März 2012, die Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 26. Juli 2011, mit der sie zum 1. Oktober 2011 unter gleichzeitiger Zusage der Umzugskostenvergütung an das Bundeswehrkrankenhaus U. versetzt wurde, aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, eine inhaltlich unveränderte Versetzungsverfügung zum Bundeswehrkrankenhaus U., lediglich ohne Zusage der Umzugskostenvergütung, zu erlassen. In der Sache wendet sich die Antragstellerin damit nicht gegen die ihr Studium der Humanmedizin in U. begleitende Versetzung an das Bundeswehrkrankenhaus U., also nicht gegen die truppendienstliche Verwendungsentscheidung; es geht ihr vielmehr ausschließlich und unmittelbar darum, die ihr erteilte Zusage der Umzugskostenvergütung, wohl im Hinblick auf deren nachteilige Auswirkungen auf die Möglichkeit der Gewährung von Trennungsgeld, zu beseitigen. Ihr Rechtsschutzbegehren unterscheidet sich insofern von dem Fall, dass sich ein Soldat gegen die in einer Versetzungsverfügung vorgesehene voraussichtliche Verwendungsdauer wendet, um durch deren Verkürzung mittelbar die Zusage der Umzugskostenvergütung zu Fall zu bringen (vgl. zu dieser Konstellation Beschluss vom 20. Juli 1997 - BVerwG 1 WB 118.94 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 11 = NZWehrr 1996, 65).

12 Um das von der Antragstellerin verfolgte Rechtsschutzziel zu erreichen, bedarf es nicht der Anfechtung und Aufhebung der Versetzung und der Verpflichtung zur erneuten Anordnung einer Versetzung auf denselben Dienstposten; im Gegenteil würde die Anfechtung der Versetzung zum Bundeswehrkrankenhaus U., worauf der Beschwerdebescheid zutreffend hinweist (unter I.2. am Ende), unter Umständen sogar die auf ein Studium in U. zielende Verwendungsplanung gefährden und damit dem Interesse der Antragstellerin zuwiderlaufen. Die Zusage der Umzugskostenvergütung kann vielmehr ohne Weiteres isoliert angefochten werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Zusage als eine eigenständige, mit der Versetzungsverfügung nur äußerlich verbundene Regelung oder aber um eine Nebenbestimmung zur Versetzung zu qualifizieren ist; denn auch im letzteren Falle kann die Zusage der Umzugskostenvergütung isoliert angefochten und zum alleinigen Antragsgegenstand gemacht werden (vgl. zur isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 36 Rn. 54 ff. m.w.N.).

13 Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin ist deshalb bei sach- und interessengerechter Auslegung so zu verstehen, dass sie die Aufhebung der Zusage der Umzugskostenvergütung in der Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 26. Juli 2011 beantragt.

14 3. Mit diesem Verfahrensgegenstand liegt keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstliche Angelegenheit vor. Der Anspruch des Soldaten auf Umzugskostenvergütung nach Maßgabe besonderer Gesetze ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 SG; die Bestimmung des § 30 SG ist ausdrücklich von der Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO ausgenommen. Für Streitigkeiten über die Zusage von Umzugskostenvergütung verbleibt es damit bei der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte gemäß § 82 Abs. 1 SG.

15 4. Ist demnach der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet, war das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das zuständige Gericht des Verwaltungsrechtswegs zu verweisen.

16 Nach § 45 und § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO i.V.m. § 1 Abs. 2 des (baden-württembergischen) Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14. Oktober 2008 (GBl S. 343, zuletzt geändert durch Art. 3 des Änderungsgesetzes vom 13. Dezember 2011 <GBl S. 545>) ist sachlich und für den Stadtkreis U. örtlich zuständig das Verwaltungsgericht S. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sein Standort; die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (vgl. Beschlüsse vom 15. Mai 2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).