Beschluss vom 23.03.2010 -
BVerwG 1 WB 42.09ECLI:DE:BVerwG:2010:230310B1WB42.09.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 23.03.2010 - 1 WB 42.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:230310B1WB42.09.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 42.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 23. März 2010 beschlossen:
- Die Selbstanzeige des ehrenamtlichen Richters Oberst i.G. W. vom 4. März 2010 ist nicht
- begründet.
Gründe
I
1
Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Februar 2010 wurde Oberst i.G. W. als ehrenamtlicher Richter für die Sitzung des Senats am 25. März 2010 - unter anderem - in dem Verfahren des Örtlichen Personalrats ... (BVerwG 1 WB 42.09 ) herangezogen. Mit Telefaxschreiben vom 4. März 2010 teilte Oberst i.G W. Folgendes mit:
„Das Empfangsbekenntnis für meine Heranziehung als ehrenamtlicher Richter zur Sitzung des 1. Wehrdienstsenats am 25. März 2010 habe ich Ihnen bereits mit Fax vom 02.03.2010 übermittelt.
Ergänzend mache ich rein vorsorglich darauf aufmerksam, dass ich mich als Leiter des Referats X in organisatorischer Nähe zum Referat Y als Vertreter der Beklagtenseite befinde.
Das Referat X ist zuständig für Teilbereiche der Themen Personallage und Personalstruktur, Personalorganisation, Personalbewirtschaftung und Grundsatzangelegenheiten von Reservistinnen und Reservisten. Ich bin mit den zu verhandelnden Fällen nicht persönlich befasst, kenne keine Einzelheiten der zugrundeliegenden Sachverhalte und halte mich daher persönlich auch nicht für befangen.“
2 Das Gericht hat den Beteiligten des Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die sie auch wahrgenommen haben.
II
3 Oberst i.G. W. ist weder kraft Gesetzes von der Ausübung des Amtes als ehrenamtlicher Richter ausgeschlossen noch hat er mit seinem Schreiben vom 4. März 2010 von einem Verhältnis Anzeige gemacht, das seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt.
4 Über die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen ist im Antragsverfahren vor den Wehrdienstgerichten nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des § 54 VwGO i.V.m. §§ 41 bis 49 ZPO zu entscheiden (vgl. Beschlüsse vom 6. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - und vom 11. August 2008 - BVerwG 1 WB 39.08 , 1 WB 40.08 , 1 WB 41.08 , 1 WB 44.08 , 1 WB 45.08 - jeweils m.w.N.).
5 Die durch das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher und anderer Vorschriften (Wehrrechtsänderungsgesetz 2008) vom 31. Juli 2008 (BGBl I S. 1629) in die Wehrbeschwerdeordnung eingefügte und am 1. Februar 2009 in Kraft getretene Bestimmung des § 23a WBO hat daran nichts geändert. § 23a Abs. 2 WBO ordnet für die gerichtlichen Antragsverfahren nach §§ 17, 21, 22 sowie §§ 22a und 22b WBO n.F. ausdrücklich die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (und des Gerichtsverfassungsgesetzes) an, soweit nicht die Eigenart des Beschwerdeverfahrens entgegensteht. § 23a Abs. 2 VwGO stellt hinsichtlich der Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen die speziellere Regelung dar, die der allgemeinen Verweisung auf die Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung durch § 23a Abs. 1 VwGO vorgeht; die letztgenannte Vorschrift konzentriert - gerade auch für den Bereich möglicher Befangenheit - ihren Geltungsbereich auf das vorgerichtliche Beschwerdeverfahren vor dem Disziplinarvorgesetzten (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 23a Rn. 2; ebenso: Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449 § 2 SLV 2002 Nr. 14). Soweit die Verwaltungsgerichtsordnung keine bundeswehrspezifischen Regelungen für den Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes enthält, gilt gemäß § 23a Abs. 1 WBO außerdem § 77 WDO in entsprechender Anwendung (Beschluss vom 11. August 2008 - BVerwG 1 WB 39.08 , 1 WB 40.08 , 1 WB 41.08 , 1 WB 44.08 , 1 WB 45.08 -).
6 Ein Ausschließungsgrund liegt nicht vor.
7 Nach dem Inhalt der vorgelegten Akten sind in der Person des Oberst i.G. W. keine gesetzlichen Ausschließungsgründe nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 ZPO, nach § 54 Abs. 2 VwGO oder nach § 77 WDO gegeben. Auch die vom Gericht angehörten Verfahrensbeteiligten machen Ausschließungsgründe im Sinne dieser Vorschriften nicht geltend.
8 Ferner sind keine Gründe ersichtlich oder vorgetragen, die gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 ZPO eine Ablehnung von Oberst i.G. W. wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten.
9 Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines (ehrenamtlichen) Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Ein solcher Grund kann sich - unter anderem - aus besonderen Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten oder aus seinem persönlichen Verhalten im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand ergeben; maßgeblich ist, ob der ehrenamtliche Richter bei verständiger Würdigung den Eindruck erweckt, er werde dem Antragsteller gegenüber möglicherweise eine nicht unvoreingenommene innere Haltung einnehmen (vgl. Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 18 Rn. 13 m.w.N.).
10 Die „organisatorische Nähe“ des von Oberst i.G. W. geleiteten Referats X zu dem im vorliegenden Verfahren im Auftrag des ... mitwirkenden (Prozess-)Referat Y rechtfertigt hiernach nicht die Annahme, Oberst i.G. W. sei gegenüber dem Antragsteller befangen. Ausschließlich strukturell bedingte Nähe-Aspekte begründen nach Wortlaut und Schutzzweck der im vorliegenden Verfahren zu beachtenden Normen über die Ausschließung und Befangenheit für sich allein nur dann die - unwiderlegliche - Vermutung fehlender Unparteilichkeit eines (ehrenamtlichen) Richters, wenn dieser bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat oder Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers ist, in dieser Funktion oder als Vertrauensperson im Verfahren des Antragstellers tätig war oder Angehöriger desselben Bataillons oder Truppenteils bzw. derselben Dienststelle wie der Antragsteller ist. Insoweit enthalten § 54 Abs. 2 VwGO und § 77 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und 3 WDO abschließende Ausschließungs-Regelungen, die einer erweiternden Interpretation z.B. bei anderen strukturell bedingten Nähebeziehungen nicht zugänglich sind (vgl. auch Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand Juli 2009, § 54 Rn. 17, 23 f. m.w.N.).
11 Andere strukturell bedingte Nähebeziehungen können nur dann die Ausübung des Richteramtes in Frage stellen, wenn zusätzlich individuelle Befangenheitsaspekte ersichtlich sind oder von den Verfahrensbeteiligten geltend gemacht werden. Das ist hinsichtlich der Person von Oberst i.G. W. nicht der Fall.
12 Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers im Schriftsatz vom 9. März 2010 pauschal behaupteten „erheblichen Bedenken“ gegen die Mitwirkung von Oberst i.G. W. als ehrenamtlicher Richter sind nicht geeignet, konkrete personenbezogene Indizien für dessen Befangenheit zu belegen, zumal der Bevollmächtigte in diesem Schriftsatz ausdrücklich erklärt hat, einen formellen Befangenheitsantrag nicht stellen zu wollen.