Beschluss vom 23.01.2003 -
BVerwG 4 B 2.03ECLI:DE:BVerwG:2003:230103B4B2.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.01.2003 - 4 B 2.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:230103B4B2.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 2.03

  • VGH Baden-Württemberg - 16.10.2002 - AZ: VGH 8 S 710/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Januar 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. L e m m e l , H a l a m a und
Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Klägerin trägt vor, eine Baulinie nach altem württembergischem Recht habe auch ihr Grundstück erfasst. Ein Plandokument, aus dem sich dies ergeben würde, existiert nicht. Der Verwaltungsgerichtshof gelangt in seinem ausführlich begründeten Urteil zu dem Ergebnis, die Klägerin könne aus der 1892 bzw. 1903 festgesetzten Baulinie nichts für sich herleiten, da es keinen Beweis dafür gebe, dass diese Baulinie das ihr gehörende Grundstück erfasse. Auch die verschiedenen von der Klägerin angeführten "Indizien" ließen einen solchen Schluss nicht zu. Hiergegen wendet sich die Beschwerde mit mehreren Verfahrensrügen. Diese bleiben ohne Erfolg.
1.1 Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen Denkgesetze in der Beweiswürdigung bemängelt und hieraus einen Verfahrensmangel ableitet, ist zunächst hervorzuheben, dass regelmäßig Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind; soweit hiervon Ausnahmen zuzulassen sind, verlangt auch die Behauptung eines Verstoßes gegen Denkgesetze im Tatsachenbereich die Darlegung, dass das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328 = Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 m.w.N.). Hierfür fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte. Das Berufungsgericht ist auf Seite 14 seines Urteils zu dem Ergebnis gelangt, der von der Klägerin aus der "zeitgenössischen Wegesituation" gezogene Schluss übergehe den Wortlaut eines von ihm wiedergegebenen Protokolls einer Sitzung des Ortsgemeinderats aus dem Jahre 1903. Am Ende dieses Absatzes bringt der Gerichtshof zum Ausdruck, nach der Logik der Klägerin müsse eine näher genannte Kreuzung das Ende der Baulinie markieren. Damit soll ersichtlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die "Logik der Klägerin" nicht mit dem genannten Ausschussprotokoll im Einklang stehe und ihr daher nicht gefolgt werden könne. Diesen Zusammenhang verkennt die Beschwerde, die offenbar dem Berufungsgericht unterstellt, zu seiner Schlussfolgerung nicht auf der Grundlage einer Würdigung des genannten Ausschussprotokolls, sondern lediglich im Umkehrschluss zu der Logik der Klägerin gelangt zu sein.
1.2 Im Übrigen trägt die Beschwerde eingehend Gründe vor, aus denen sie ableitet, dass das Berufungsgericht aus den zahlreichen von ihr vorgelegten "Indizien" einen anderen Schluss hätte ziehen sollen, als es das getan hat. Das Beweisergebnis des Verwaltungsgerichtshofs hält sie für "verfahrensfehlerhaft und nicht nachvollziehbar". Damit kann sie ihrem Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg verhelfen. Denn es war Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs als Tatsachengericht, aus dem vorhandenen Tatsachenmaterial und seinem Erfahrungswissen diejenigen Schlussfolgerungen zu ziehen, die in ihrer Gesamtheit das Ergebnis rechtfertigen oder nicht erlauben, die Baulinie müsse im Verlauf ihres Bestehens bis zum Grundstück der Klägerin gezogen worden sein und dieses damit erfasst haben.
1.3 Die Beschwerde rügt ferner, dass der Verwaltungsgerichtshof dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag nicht nachgekommen ist, das beklagte Land und die Beigeladene zu verpflichten, die in einem Schriftsatz vom 7. Mai 2002 aufgeführten Unterlagen vorzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Urteil mit diesem Antrag eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, warum er für weitere Nachforschungen keine Möglichkeit sehe. Er führt aus, alle in Betracht kommenden Erkenntnismittel seien ausgeschöpft. Die ihm vorliegenden Bauakten enthielten eine fast lückenlose Dokumentation des Baugeschehens an der betroffenen Straße, so dass es keinen Anlass gebe, das Landratsamt oder die Beigeladene um die Vorlage weiterer Akten zu ersuchen. Diese Behörden hätten erklärt, über keine weiteren einschlägigen Akten zu verfügen, und es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Erklärung nicht den Tatsachen entspreche. Soweit Lücken bestünden, sei nichts dafür ersichtlich, dass sich aus den Akten, die zum Teil weiter entfernt liegende Grundstücke beträfen, zusätzliche Erkenntnisse über den Verlauf der Baulinie im Bereich des Grundstücks der Klägerin gewinnen ließen.
Soweit die Beschwerde hierzu im Falle eines Gebäudes anmerkt (Beschwerde S. 13 f.), es seien dem Gericht mehr Unterlagen - Baugenehmigungsakten - vorgelegt worden, als dieses in seinem Urteil erwähne, kann damit die Notwendigkeit, weitere Akten beizuziehen, von vornherein nicht begründet werden.
Im Übrigen vermag die Beschwerde nicht substantiiert darzulegen, dass und aus welchen Gründen weitere beizuziehende Unterlagen in Zusammenschau mit den vom Berufungsgericht nach Würdigung aller vorhandenen Materialien gewonnenen Ergebnissen geeignet gewesen sein sollen, den Beweis dafür zu erbringen, dass die Baulinie bis in die Höhe des Grundstücks der Klägerin gereicht und dieses mit erfasst hat.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr). Die Beschwerde wirft zwei Fragen auf, die die Verpflichtung einer Gemeinde betreffen, die von ihr beschlossenen Bebauungspläne bereitzuhalten. Sie hält für klärungsbedürftig, ob eine derartige Verpflichtung auf § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB oder auf anderen Vorschriften beruht. Auch eine grundsätzliche Klärung dieser Frage in dem von der Klägerin angestrebten Sinn würde ihr jedoch in einem Revisionsverfahren nicht zum Erfolg verhelfen, denn der Verwaltungsgerichtshof stellt eine derartige Verpflichtung nicht in Frage und führt aus, übergeleitete Pläne seien wie anderes geltendes Ortsrecht sorgfältig aufzubewahren. Seine Entscheidung ist vielmehr darauf gestützt, dass diese Pflicht nicht dazu führen könne, der Beigeladenen (einer Gemeinde) die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass in einem nicht mehr vorhandenen Plan eine bestimmte Festsetzung nicht enthalten gewesen sei. Daraus ergibt sich zugleich, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auf den von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen beruht. Daher bedarf keiner weiteren Untersuchung, ob und inwieweit es sich insoweit bei übergeleiteten Plänen um eine Frage des Bundesrechts handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Absatz 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.