Verfahrensinformation

Die vier Verfahren betreffen Flüchtlinge aus dem Irak, denen der Flüchtlingsstatus nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein rechtskräftig aberkannt worden ist. Die Kläger erstreben die Feststellung, dass sie wegen der Unruhen im Irak nicht dorthin abgeschoben werden dürfen. Im Mittelpunkt steht die höchstrichterlich bisher nur zum Teil geklärte Frage, unter welchen Voraussetzungen Angehörige der Zivil-bevölkerung einer - wie das Aufenthaltsgesetz formuliert - erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt sind.


Beschluss vom 16.04.2008 -
BVerwG 10 B 134.07ECLI:DE:BVerwG:2008:160408B10B134.07.0

Beschluss

BVerwG 10 B 134.07

  • VGH Baden-Württemberg - 30.05.2007 - AZ: VGH A 2 S 50/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. April 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über die Nichtzulassung der Revision gegen seinen Beschluss vom 30. Mai 2007 insoweit aufgehoben, als sie das Begehren des Klägers auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG betrifft.
  2. Insoweit wird die Revision zugelassen.
  3. Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers verworfen.
  4. Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Entscheidung über die restlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Dem Kläger, der die Frist zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde versäumt hat, ist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Begründungsfrist einzuhalten.

2 Die Beschwerde ist nur insoweit begründet, als der Verwaltungsgerichtshof die Klage des Klägers hinsichtlich des (Hilfs-)Antrags auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG abgewiesen hat (1.). Im Übrigen (bezüglich des Hauptbegehrens des Klägers auf Aufhebung des Widerrufs seiner Flüchtlingsanerkennung) ist die Beschwerde dagegen unzulässig (2.).

3 1. Die Beschwerde des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zulässig und begründet. Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, unter welchen Voraussetzungen ein Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. Art. 15 Buchst. c der sog. „Qualifikationsrichtlinie“ 2004/83/EG).

4 Auf die weiteren in diesem Zusammenhang von der Beschwerde erhobenen Revisionszulassungsgründe kommt es demnach nicht mehr an.

5 2. Im Übrigen - bezüglich des Hauptbegehrens des Klägers auf Aufhebung des Widerrufs seiner Flüchtlingsanerkennung - ist die Beschwerde unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den gesetzlichen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

6 Zur Begründung bezieht sich die Beschwerde insoweit im Wesentlichen auf die Beschwerdebegründung, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Beschwerdeverfahren - BVerwG 10 B 129.07 - wegen Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht vorgelegt hat. In diesem Verfahren hat der Senat die Beschwerde durch Beschluss vom 18. Februar 2008 verworfen, weil die Verfahrensrügen nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem Beschluss nimmt der Senat Bezug. Hieran ist der Senat nicht gehindert, obgleich das Berufungsgericht den Kläger, anders als im dortigen Verfahren, nicht auf eine inländische Fluchtalternative im Nordirak verwiesen hat. Die Ausführungen des Senats haben auch unabhängig von diesem Aspekt Bestand. Soweit die Beschwerde zusätzlich auf die Volkszugehörigkeit und die Herkunftsregion des Klägers hinweist, ist damit ein Revisionszulassungsgrund nicht substanziiert dargetan. Der Hinweis geht im Übrigen auch nicht über die Beschwerdebegründung im Verfahren - BVerwG 10 B 129.07 - hinaus.

7 3. Soweit die Beschwerde verworfen wird, trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Im Übrigen - hinsichtlich der noch offenen Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG - folgt die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Rechtsmittelbelehrung
Soweit die Revision zugelassen worden ist, wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 10 C 16.08 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Beschluss vom 22.07.2009 -
BVerwG 10 C 16.08ECLI:DE:BVerwG:2009:220709B10C16.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.07.2009 - 10 C 16.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:220709B10C16.08.0]

Beschluss

BVerwG 10 C 16.08

  • VGH Baden-Württemberg - 30.05.2007 - AZ: VGH A 2 S 50/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Mai 2007 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 9. Januar 2006 sind unwirksam, soweit sie die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG betreffen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, soweit es den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung betrifft. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

Gründe

1 Die Beteiligten haben den Rechtsstreit, soweit er noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war, übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Verfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. den §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO einzustellen, die teilweise Unwirksamkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen festzustellen und hinsichtlich des noch anhängig gewesenen Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten insoweit gegeneinander aufzuheben (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da die Erfolgsaussichten der Revision offen gewesen sind und die dem Kläger erteilte Niederlassungserlaubnis, die letztlich zur Erledigung des Rechtsstreits geführt hat, der Sphäre des Klägers zuzurechnen ist.

2 Soweit das Verfahren - bezüglich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung - bereits rechtskräftig abgeschlossen war, ist der Kläger unterlegen und hat dementsprechend gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3 Dies bedeutet, dass auf den Kläger die Kosten des Verfahrens in den ersten beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte entfallen. Außerdem hat der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens BVerwG 10 B 134.07 zur Hälfte zu tragen (vgl. Beschluss des Senats vom 16. April 2008).

4 Die verbleibenden Kosten werden, wie ausgeführt, gegeneinander aufgehoben.

5 Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.