Beschluss vom 22.05.2002 -
BVerwG 9 B 27.02ECLI:DE:BVerwG:2002:220502B9B27.02.0

Leitsatz:

Auch die jederzeitige ungehinderte Zugänglichkeit eines an einer hochwassergefährdeten Erschließungsstraße liegenden Hausgrundstücks gehört zu den Umständen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung dieses Grundstücks wesentlichen Einfluss haben und deshalb gemäß § 44 Abs. 2 FlurbG bei der Landabfindung zu berücksichtigen sind.

Beschluss

BVerwG 9 B 27.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 23.01.2002 - AZ: 9 C 11687/00.OVG -
  • OVG Rheinland-Pfalz - 23.01.2002 - AZ: OVG 9 C 11687/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Mai 2002
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
H i e n und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t und K i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) vom 23. Januar 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdevortrag rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.
1. Eine die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ist von der Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet worden. Eine solche Abweichung liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.
Soweit die Beschwerde die im angefochtenen Urteil enthaltene Feststellung beanstandet, die zusätzliche Erschließung der Hausgrundstücke der Beigeladenen zu 2 bis 6 durch eine fußläufige Verbindung zu dem hangaufwärts gelegenen, als Hochwasserfluchtweg vorgesehenen Weg Flur 37 Nr. 156 sei unabhängig von der Häufigkeit und den Auswirkungen eines Hochwassers im Bereich der an der Mosel gelegenen Erschließungsstraße sinnvoll, handelt es sich nicht um einen abstrakten Rechtssatz, sondern um eine konkrete Sachverhaltswürdigung. Mit dem Vortrag, dass dieser Erschließungszweck nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht geeignet sei, eine Maßnahme im Flurbereinigungsverfahren zu rechtfertigen, dass diese Maßnahme hier unverhältnismäßig in das Eigentum der Klägerin eingreife und dass das Flurbereinigungsgericht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Wertgleichheit der Landabfindung fehlerhaft angewandt habe, wendet sich die Beschwerde nach Art einer Revisionsbegründung gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Damit wird jedoch keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dargelegt.
2. Die als Grund für die Zulassung der Revision des Weiteren geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Daran fehlt es hier.
Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,
"ob Hochwasserschutz grundsätzlich ein Ziel einer Flurbereinigungsmaßnahme sein kann",
stellte sich hier nur insoweit, als der Beklagte es bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2 und 6 an der Gestaltung ihrer Landabfindung als Vorteil für die Beigeladenen zu 2 und 6 angesehen hat, von ihrem im Überschwemmungsbereich der Mosel gelegenen Hausgrundstück aus über eigenen Grund und Boden den Hochwasserfluchtweg zu erreichen. Entscheidungserheblich könnte deshalb allenfalls die Frage sein, ob die Schaffung einer solchen zusätzlichen Erschließung grundsätzlich ein im Rahmen des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG berücksichtigungsfähiger Umstand sein kann. Diese Frage bedarf jedoch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn es ist schon im Hinblick auf § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG nicht zweifelhaft, dass auch die jederzeitige ungehinderte Zugänglichkeit eines an einer hochwassergefährdeten Erschließungsstraße liegenden Hausgrundstücks zu den Umständen gehört, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung dieses Grundstücks wesentlichen Einfluss haben und deshalb gemäß § 44 Abs. 2 FlurbG bei der Landabfindung zu berücksichtigen sind. Welche Bedeutung diesem Umstand im Verhältnis zu den sonst zu berücksichtigenden Interessen zukommt, ist eine Frage der Abwägung im Einzelfall und entzieht sich rechtsgrundsätzlicher Klärung.
Die von der Beschwerde darüber hinaus aufgeworfene Frage, ob
"eine solche Flurbereinigung auch detaillierte Regelungen zu Zwecken der Gefahrenabwehr treffen darf",
war für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht von Bedeutung. Denn in dem angefochtenen Urteil sind keine tatsächlichen Feststellungen getroffen worden, die den Schluss erlauben, dass der in Rede stehende Flurbereinigungsplan detaillierte Regelungen zu Zwecken der Gefahrenabwehr enthält. Dass die darin vorgesehene Abfindungsgestaltung den Beigeladenen zu 2 und 6 u.a. den Vorteil bietet, über eigenen Grund und Boden einen Hochwasserfluchtweg erreichen zu können, reicht dafür nicht aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1, §§ 14, 73 Abs. 1 Satz 2 GKG.