Verfahrensinformation

Der 1969 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt seine Einbürgerung. Er kam 1996 nach Deutschland und wurde 1997 als Asylberechtigter anerkannt. Seit September 1997 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung. Im Oktober 2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. Der Antrag wurde abgelehnt, weil er im September 2001 eine "Selbsterklärung: Auch ich bin ein PKK'ler" unterzeichnet hatte, die sich gegen das Verbot der PKK in Deutschland aussprach und deren politische Ziele unterstützte. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage im Juni 2005 stattgegeben und das beklagte Land Baden-Württemberg verpflichtet, den Kläger einzubürgern. Der Beklagte macht mit der zugelassenen Sprungrevision geltend, ein Anspruch auf Einbürgerung nach mehr als achtjährigem rechtmäßigem Aufenthalt gemäß § 10 StAG sei wegen der Unterzeichnung der Erklärung ausgeschlossen. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StAG bestehe ein solcher Einbürgerungsanspruch nämlich nicht, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind ..., es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat". Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfe nicht zwischen einer singulären Unterstützungshandlung, die nicht geeignet sei, eine dauernde Identifikation des Klägers mit den inkriminierten Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG zu indizieren, und einer nachhaltigen Unterstützung, an der es hier fehle, differenziert werden.


Pressemitteilung Nr. 9/2007 vom 22.02.2007

Bekundung von Sympathie für eine "neue gewaltfreie Politik der PKK" im Jahre 2001 kein Einbürgerungshindernis

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in zwei Verfahren entschieden, dass allein die Unterzeichnung einer Erklärung im Jahre 2001 mit der Überschrift „Selbsterklärung: Auch ich bin ein PKK'ler" den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit auf Einbürgerung als Deutscher nicht ausschließt.


In beiden Fällen stand nicht im Streit, dass die übrigen Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - erfüllt waren. Umstritten war allein, ob dem Anspruch auf Einbürgerung der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entgegenstand. Danach besteht ein Anspruch auf Einbürgerung u.a. nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Ausschlussgrund entfällt, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.


Das Bundesverwaltungsgericht hat dahin erkannt, dass die bloße Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahre 2001 jedenfalls - wie in beiden Streitfällen - dann keine Unterstützung solcher die Sicherheit oder auswärtige Belange gefährdenden Bestrebungen ist, wenn sie nach den Begleitumständen nur eine zustimmende Meinungskundgabe für die in der Erklärung hervorgehobene „neue", seit zwei Jahren friedliche, gewaltfreie „Linie der PKK" gewesen ist. Die Sympathiebekundung für eine PKK, die damals - wie es in der Erklärung heißt - „in einem Zeitraum von zwei Jahren keine einzige Aktion unter Anwendung von Gewalt durchgeführt hat" und die sich „mit ausschließlich politischen Mitteln für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage" einsetzt, ist - wenn wie im Falle der Kläger keine weitergehenden Aktivitäten für die verbotenen Organisationen der PKK hinzukommen - keine Unterstützung von gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichteten oder deren auswärtige Belange gefährdenden Bestrebungen gewesen. Das ergibt sich auch nicht daraus, dass die Staatsanwaltschaft in beiden Fällen einen strafbaren Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot angenommen, die Strafverfahren aber wegen geringer Schuld der Kläger eingestellt hat. Deshalb ist in beiden Verfahren der Anspruch auf Einbürgerung nicht ausgeschlossen. Da schon keine den Einbürgerungsanspruch ausschließende Unterstützung von die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdender Bestrebungen vorlag, kommt es ferner auch nicht darauf an, ob sich die Kläger von einer Unterstützung der PKK glaubhaft abgewandt haben und wie sich die PKK weiter entwickelt hat.


Das Bundesverwaltungsgericht hat in beiden Verfahren im Ergebnis das beklagte Land Baden-Württemberg zur Einbürgerung der Kläger verpflichtet.


BVerwG 5 C 20.05 - Urteil vom 22. Februar 2007

Vorinstanz:

Gericht , Aktenzeichen - Offen vom Datum. undefined undefined -

BVerwG 5 C 10.06 - Urteil vom 22. Februar 2007

Vorinstanz:

Gericht , Aktenzeichen - Offen vom Datum. undefined undefined -


Urteil vom 22.02.2007 -
BVerwG 5 C 20.05ECLI:DE:BVerwG:2007:220207U5C20.05.0

Leitsatz:

Allein die Unterzeichnung der „Selbsterklärung: ‚Auch ich bin ein PKK’ler’“ im Jahr 2001 rechtfertigt nicht die Annahme, der Unterzeichner habe eine Bestrebung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG unterstützt.

Urteil

BVerwG 5 C 20.05

  • VG Stuttgart - 06.06.2005 - AZ: VG 11 K 3780/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke,
Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten darüber, ob einem Anspruch des Klägers auf Einbürgerung entgegensteht, dass er im Jahr 2001 eine „Selbsterklärung: ‚Auch ich bin ein PKK’ler’“ unterschrieben hat.

2 Der 1969 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit und kurdischer Volkszugehörigkeit reiste 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er wurde 1997 als Asylberechtigter anerkannt, war seit dem 23. September 1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und seit dem 13. Oktober 2004 im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung.

3 Am 9. Juli 2001 unterschrieb der Kläger unter Angabe seiner Anschrift folgende Erklärung:
„Selbsterklärung: ‚Auch ich bin ein PKK’ler’
Da dem kurdischen Volk selbst das elementare Lebensrecht vorenthalten wurde, blieb ihm keine andere Wahl als der Griff zu den Waffen. Nach über zwanzig Jahren Krieg, wurde von unserer nationalen Führung, Abdullah Öcalan, ein strategischer Wechsel eingeleitet. Seit zwei Jahren kämpft unsere Partei mit ausschließlich politischen Mitteln für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage. Auf der Grundlage dieser neuen Strategie durchlebt die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine umfassende Erneuerung. Zu einer Lösung fest entschlossen, hat sie ihre politischen Aktivitäten entgegen aller Widerstände weiterentwickelt, ohne den legalen Rahmen zu verlassen.
Auch wenn in geografischer Hinsicht die kurdische Frage im Mittleren Osten entstanden ist, ist sie aufgrund ihrer historischen, politischen und internationalen Verbindung, dennoch ein Problem Europas, das auf seine Lösung wartet. So spielte Europa bei der Festlegung der Grenzen des Mittleren Ostens eine führende Rolle. Deshalb sieht sich nun Europa mit der Aufgabe konfrontiert, auch bei einer Lösung der dortigen Probleme seine Rolle zu spielen. Genau wie es mit der Entführung unseres Vorsitzenden im Rahmen eines internationalen Komplotts das Fehlen einer Lösungsperspektive zeigte, nutzt Europa auch heute nicht die Gelegenheit, die sich durch die PKK bietet.
Während die Mehrheit der europäischen Mitgliedsstaaten die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien zur Vorrausetzung für die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union macht, negieren sie gleichzeitig den nationalen und politischen Status der Kurden, die in Europa leben. So beharren insbesondere Deutschland und England gegenüber der PKK, als die legitime politische Vertretung des kurdischen Volkes, auf einer Politik der Verbote. Mit dieser destruktiven Haltung stellt sich Europa in den Kontext der gegen das kurdische Volk geführten Vernichtungs- und Verleugnungspolitik. Wie in der Vergangenheit so auch heute, setzt Europa seine negative Tradition fort. Dies stellt nichts anderes als eine Politik der Doppelmoral dar:
1. Auf dieser Grundlage erkläre ich als Angehöriger des kurdischen Volkes, dass ich die neue Linie der PKK teile, die seit zwei Jahren ihren politischen Kampf auf legaler Grundlage führt. Weiterhin erkläre ich mich der PKK zugehörig.
2. Ich rufe die europäischen Mitgliedsstaaten dazu auf, sich an den Maßstäben messen zu lassen, die sie gegenüber anderen Nicht-Mitgliedsstaaten anlegt. Ausserdem rufe ich diese Staaten dazu auf, bezüglich den in Europa lebenden Kurden, den erklärten Kriterien eines Beitrittes zu Europäischen Union selbst gerecht zu werden. Deshalb fordere ich für das kurdische Volk die juristische Anerkennung der Rechte, die auch anderen Völkern zugestanden werden.
3. Weiterhin fordere ich die offizielle Anerkennung der kulturellen und politischen Werte, welche das kurdische Volk in einem großen Kampf geschaffen hat. In diesem Zusammenhang fordere ich die Achtung der nationalen und politischen Identität meines Volkes.
4. Ich unterstütze die Linie des demokratischen Kampfes der PKK, welche auch von ihrem 7. Kongress bestätigt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass die PKK in einem Zeitraum von zwei Jahren keine einzige Aktion unter Anwendung von Gewalt durchgeführt hat, fordere ich die Aufhebung sämtlicher Verbote, die sich gegenüber der PKK in Anwendung befinden.
5. Desweiteren erkläre ich, dass die einzige Garantie für eine dauerhafte Lösung, die Freiheit unseres nationalen Führers, Abdullah Öcalan, und die Schaffung von Möglichkeiten für sein politisches Wirken sind. Deshalb fordere ich: ‚Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan’.
Hiermit erkläre ich, dass ich das gegen die PKK ausgesprochene Verbot und die strafrechtliche Verfolgung der Mitgliedschaft in der PKK sowie der strafrechtlichen Verfolgung der aktiven Sympathie für die PKK, auf das Schärfste verurteile. Weiterhin erkläre ich, dass ich dieses Verbot nicht anerkenne und sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus ergibt.“

4 In einem von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz äußerte sich der Kläger schriftlich zum Tatvorwurf im Wesentlichen dahin, er habe das Formular unterschrieben, weil er Kurde sei. Er unterstütze die friedliche Phase, die die PKK in den letzten zwei Jahren in die Wege geleitet habe; das kurdische Volk sollte mit kurdischer Sprache, kurdischer Kultur und kurdischer Identität von anderen Völkern anerkannt werden. Falls innerhalb des von ihm unterschriebenen Formulars etwas vorhanden sein sollte, das strafbar ist, ziehe er seine Unterschrift zurück. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO ein.

5 Am 11. Oktober 2001 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt L. mit Bescheid vom 13. April 2004 mit der Begründung ab, der Kläger erfülle den Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG. Mit seiner Unterschrift unter die Selbsterklärung habe er die Unterstützung für die Tätigkeit der PKK erklärt, obwohl diese Partei seit November 1993 mit einem Betätigungsverbot belegt sei. Dies stelle einen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür dar, dass er Bestrebungen i.S.d. § 86 Nr. 2 AuslG unterstütze, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet seien.

6 Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 1. September 2004) hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass er mit seiner Unterschrift unter die Selbsterklärung eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konfliktes habe unterstützen wollen, dass er aber weitere unterstützende Aktivitäten niemals entfaltet habe. Auf seinen Klageantrag hat das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet, den Kläger einzubürgern. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

7 Es gebe zwar tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger Bestrebungen der PKK unterstützt habe. Schon durch sein abschließendes Bekenntnis in der Selbsterklärung, dass er sämtliche Verantwortung übernehme, die sich aus der Nichtanerkennung des Verbots ergebe, habe der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er bereit sei, das Verbot, ungeachtet von dessen geforderter Aufhebung, zu missachten, und die der Zuwiderhandlung nachfolgende strafrechtliche Verfolgung in Kauf zu nehmen. Diese vom Kläger abgegebene Selbsterklärung sei eine Unterstützung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG gewesen, weil sie für Bestrebungen im Sinne dieser Bestimmung objektiv vorteilhaft gewesen sei. Auch seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich der Kläger nach Abgabe der Selbsterklärung von der Unterstützung der PKK abgewandt habe. Er habe sich mit seiner Unterstützungshandlung weder kritisch auseinander gesetzt noch ein Umdenken vorgetragen. Gleichwohl sei im Streitfall der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erfüllt. Denn bei der PKK sei mit Blick auf deren hohen Mobilisierungsgrad eine Differenzierung geboten, um einerseits bloße - im Grunde eher unpolitische - Mitläufer von der Anwendung des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG auszunehmen, andererseits aber auch Betätigungen unterhalb der Funktionärsebene zu erfassen, wenn sie auf eine nachhaltige Unterstützung auch nach dem Wirksamwerden des Verbots der PKK schließen ließen. Der Kläger sei zum ersten Kreis der Unterstützer zu rechnen. Denn im Hinblick auf seinen mehrjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet handele es sich bei der von ihm abgegebenen PKK-Selbsterklärung nur um eine singuläre Unterstützungsaktion, die nicht geeignet sei, eine dauernde Identifikation des Klägers mit den inkriminierten Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG zu indizieren.

8 Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten; er rügt die Verletzung des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG.

9 Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts.

10 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision des Beklagten.

II

11 Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) als zutreffend.

12 Im Revisionsverfahren wird allein darum gestritten, ob dem Anspruch des Klägers auf Einbürgerung nach § 10 StAG der Hinderungsgrund des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat.

13 Der Unterzeichnung der „Selbsterklärung: ‚Auch ich bin ein PKK’ler’“ (künftig: Selbsterklärung) am 9. Juli 2001 - etwas anderes wird dem Kläger nicht vorgehalten - lassen sich auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen keine tatsächlichen Anhaltspunkte entnehmen, die die Annahme rechtfertigen, der Kläger habe eine Bestrebung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG unterstützt.

14 Nach dem Sinn und Zweck des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG sollen diejenigen keinen Anspruch auf Einbürgerung haben, bei denen zumindest der begründete Verdacht besteht, dass sie Bestrebungen gegen Schutzgüter unterstützen, die für den deutschen Staat, in den sie eingebürgert werden wollen, wesentlich sind.

15 Für § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG sind nur die in dieser Bestimmung genannten Schutzgüter von Bedeutung. Einerseits wird nicht bereits jedes unter Strafrechtsschutz stehende Rechtsgut von § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG erfasst, andererseits setzt § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG aber auch keine strafgerichtliche Verurteilung voraus. Ob die Verurteilung wegen einer Straftat dem Anspruch auf Einbürgerung entgegensteht, beurteilt sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 12a StAG.

16 § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG schließt einen Anspruch auf Einbürgerung nicht erst dann aus, wenn der Ausländer Handlungen unterstützt hat, die die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen. Für den Anspruchsausschluss nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG genügt es vielmehr, wenn der Ausländer ungeachtet späterer möglicher tatsächlicher Beeinträchtigungen bereits vorgelagert Bestrebungen unterstützt hat, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind. Nach § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB sind im Sinne des Strafgesetzbuches Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Für § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ist nicht erforderlich, dass die Bestrebungen auch objektiv geeignet sind, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen. Es genügt, wenn der Träger der Bestrebungen mit ihnen das Ziel verfolgt, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen.

17 Bezogen auf solche Bestrebungen setzt § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG jedenfalls voraus, dass der Ausländer eine solche unterstützt hat. Wenn das Gesetz von Bestrebungen im Plural spricht, bedeutet das nicht, dass nur das Unterstützen von mehr als einer solchen Bestrebung relevant wäre. Vielmehr steht der Plural nur für die Vielzahl möglicher Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.

18 Zum Begriff des Unterstützens i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG kann von der Definition in der Rechtsprechung (vgl. VGH München, Urteil vom 27. Mai 2003 - 5 B 01.18 05 - juris Rn. 32 zu § 86 Nr. 2 AuslG; VGH Mannheim, Urteil vom 10. November 2005 - 12 S 1696/05 - juris, zu § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG) und Literatur (vgl. Berlit, GK-StAR § 11 Rn. 96) ausgegangen werden, wonach Unterstützen jede Handlung des Ausländers sei, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG objektiv vorteilhaft ist. Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG (s. jetzt § 54 Nr. 5 AufenthG) als Unterstützen jede Tätigkeit angesehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 28.03 - BVerwGE 123, 114). Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen solcher Bestrebungen verstanden werden. Bereits aus der Wortbedeutung des Unterstützens ergibt sich, dass nur solche Handlungen ein Unterstützen sind, die eine Person für sie erkennbar und von ihrem Willen getragen zum Vorteil der genannten Bestrebungen vornimmt. Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15. März 2005 (a.a.O. S. 125) zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG ausgeführt, dass die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein müsse.

19 Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ist ein Anspruch auf Einbürgerung bereits dann ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer solche Bestrebungen unterstützt hat. Zum Ausschluss eines Einbürgerungsanspruchs genügt also der begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Andererseits ist ein Anspruch nach § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nur dann ausgeschlossen, wenn das Handeln oder der Verdacht sich gerade auf ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG richtet, also die Tat, deren der Ausländer verdächtig ist, für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG darstellt.

20 Im vorliegenden Verfahren ist unstreitig, dass der Kläger die ihm ausschließlich vorgehaltene Selbsterklärung tatsächlich unterzeichnet hat. Ihm wurde und wird daher nicht ein Unterstützungsverdacht vorgeworfen, sondern eine Unterstützungshandlung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG. Fraglich ist jedoch, ob die feststehende Unterzeichnung den Verdacht einer Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG rechtfertigt. Das ist im Ergebnis hier nicht der Fall. Dabei ist hier der Wortlaut der von dem Kläger unterzeichneten Erklärung zugrunde zu legen. Unerheblich ist, ob die Beschreibung der „neuen Linie“ der PKK in der Rückschau den Tatsachen entsprochen hat oder die Initiatoren der Kampagne mit ihr tatsächlich weitergehende Ziele verfolgt haben. Denn es sind - auch nach den tatrichterlich festgestellten Begleitumständen der Unterzeichnung - keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger den Wortlaut übersteigende Ziele und Absichten erkennen konnte oder musste bzw. er nach seinem Kenntnis- und Wissensstand Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Erklärung der PKK hegen musste, dass sie ihre Ziele künftig legal und gewaltfrei verfolgen werde. Auch liegen keine Handlungen oder Erklärungen des Klägers in der Vergangenheit vor, die bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts, welcher der Auslegung und Bewertung der Unterzeichnung der Erklärung beizumessen ist, heranzuziehen wären.

21 Der vom Kläger am 9. Juli 2001 unterzeichneten Selbsterklärung lassen sich weder im Hinblick auf einzelne Teile der Erklärung noch bei einer Gesamtbetrachtung Anhaltspunkte entnehmen, die die Annahme rechtfertigen, der Kläger habe eine Bestrebung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG unterstützt.

22 Die Selbsterklärung des Klägers vom 9. Juli 2001 ist eine politische Meinungsäußerung zugunsten der - damals seit zwei Jahren - „neuen Linie“ der PKK im Sinne einer neuen, gewaltfreien Politik, die auf eine friedliche Lösung der kurdischen Frage in der Türkei setzt. Die Überschrift der Selbsterklärung „Auch ich bin ein PKK’ler“ ist ebenso wie der Satz unter 1. „Weiterhin erkläre ich mich der PKK zugehörig.“ nicht als Erklärung zu verstehen, Mitglied der - weiterhin mit einem Betätigungsverbot belegten - PKK zu sein. Die Selbsterklärung ist keine Mitgliedererhebung, sondern eine politische Sympathiebekundung, mit den in der Selbsterklärung formulierten neuen politischen Zielen und den darin formulierten neuen Wegen ihrer Durchsetzung einverstanden zu sein.

23 Der erste Absatz der Selbsterklärung enthält keine Anhaltspunkte für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG. Vielmehr heißt es dort:
„Seit zwei Jahren kämpft unsere Partei mit ausschließlich politischen Mitteln für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage. Auf der Grundlage dieser neuen Strategie durchlebt die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine umfassende Erneuerung. Zu einer Lösung fest entschlossen, hat sie ihre politischen Aktivitäten entgegen aller Widerstände weiterentwickelt, ohne den legalen Rahmen zu verlassen.“

24 Der zweite und der dritte Absatz weisen ebenfalls nicht auf Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG.

25 Unter 1. erklärt der Kläger, dass er auf dieser Grundlage (also auf der Grundlage der Absätze 1 bis 3) als Angehöriger des kurdischen Volkes die neue Linie der PKK teile, die seit zwei Jahren ihren politischen Kampf auf legaler Grundlage führe. Dieser Erklärung kann nicht entnommen werden, dass er die Strategie bzw. Linie der PKK, die diese zur Zeit des Betätigungsverbotes 1993 verfolgt hat, früher oder zur Zeit der Unterzeichnung im Jahre 2001 geteilt hat. Da er in der Selbsterklärung 2001 nur erklärt, er teile die neue Linie der PKK, die ihren politischen Kampf nunmehr auf legaler Grundlage weiterführe, kann diese Erklärung nicht als Unterstützen von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG verstanden werden.

26 Die Aussagen unter 2. und 3. lassen Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ebenfalls nicht erkennen.

27 Unter 4. erklärt der Kläger, wie auch unter 1., dass er die Linie des demokratischen Kampfes der PKK unterstütze, welche auch von ihrem 7. Kongress bestätigt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass die PKK in einem Zeitraum von zwei Jahren keine einzige Aktion unter Anwendung von Gewalt durchgeführt habe, fordere er die Aufhebung sämtlicher Verbote, die sich gegenüber der PKK in Anwendung befinden. Auch dieser Forderung, sämtliche Verbote gegenüber der PKK und damit auch das vereinsrechtliche Verbot in Deutschland aufzuheben, weist, da sie auf der Grundlage gewaltfreier und legaler politischer Aktivitäten der PKK erhoben ist, nicht auf Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG.

28 Den Ausführungen unter 5. sind Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht zu entnehmen.

29 Das gilt auch für die Erklärung im letzten Absatz der Selbsterklärung, die den Unterzeichnern der Selbsterklärung und damit auch dem Kläger besonders vorgehalten wird. Sie lautet:
„Hiermit erkläre ich, dass ich das gegen die PKK ausgesprochene Verbot und die strafrechtliche Verfolgung der Mitgliedschaft in der PKK sowie der strafrechtlichen Verfolgung der aktiven Sympathie für die PKK, auf das Schärfste verurteile. Weiterhin erkläre ich, dass ich dieses Verbot nicht anerkenne und sämtliche Verantwortung übernehme, die sich daraus ergibt.“

30 Auch wenn man mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 27. März 2003 - 3 StR 377/02 - NJW 2003, 2621 = juris Rn. 29) aus diesem Erklärungsteil schließt, der Erklärende - in jenem Fall allerdings eine über die Hintergründe und Ziele der Kampagne der PKK im Einzelnen informierte Aktivistin - sei bereit, das Verbot zu missachten und ihm zuwiderzuhandeln, würde darin zwar ein strafbarer Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot liegen. Das hat in Bezug auf den Kläger auch die Staatsanwaltschaft bei der Einstellung des Strafverfahrens zum Ausdruck gebracht. Unterstellt man einen Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot, so rechtfertigt dessen Strafbarkeit nicht die Annahme, darin liege eine Unterstützung einer Bestrebung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG. Denn der Kläger hat mit der Unterzeichnung der Selbsterklärung ausschließlich seine politische Meinung zu einer neuen, gewaltfreien Politik zum Ausdruck gebracht. Auch eine allenfalls etwa angekündigte Bereitschaft, das Eintreten für eine solche Politik notfalls entgegen einem fortbestehenden vereinsrechtlichen Betätigungsverbot fortzusetzen, könnte den Tatbestand des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erfüllen. Es ist nämlich weder festgestellt noch geltend gemacht, dass die PKK im Juli 2001 für den Kläger erkennbar die damals proklamierte „neue Linie“ der Gewaltfreiheit wieder verlassen oder nur vorgetäuscht hätte.

31 In der Gesamtbetrachtung kann die Selbsterklärung des Klägers mithin nur als eine Sympathiebekundung bewertet werden zugunsten einer PKK im Jahre 2001, die nach seiner Überzeugung in Abkehr von ihren früheren Bestrebungen seit zwei Jahren ihre politischen Ziele gewaltfrei und legal verfolgt und erklärt hatte, dies auch in Zukunft weiter tun zu wollen. Wer eine solche Politik öffentlich unterstützt - und nur dies wird dem Kläger letztlich vorgeworfen -, unterstützt damit weder objektiv noch subjektiv Bestrebungen, die gegen die Sicherheit des Bundes gerichtet sind oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (§ 11 Satz 1 Nr. 2 StAG).

32 Da der Kläger mit der Selbsterklärung keine gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichteten Bestrebungen unterstützt hat, ist unerheblich, ob sich der Kläger von seiner Unterstützung der PKK im Jahre 2001 später abgewandt und wie sich die PKK später weiter entwickelt hat.

33 Dem Kläger ist ferner, wie der Senat in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, auch nicht der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 3 StAG entgegenzuhalten.

34 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.