Beschluss vom 21.12.2005 -
BVerwG 1 B 43.05ECLI:DE:BVerwG:2005:211205B1B43.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.12.2005 - 1 B 43.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:211205B1B43.05.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 43.05

  • Thüringer OVG - 13.01.2005 - AZ: OVG 3 KO 1047/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Dezember 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 13. Januar 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Beschwerde rügt, das Berufungsurteil verletze § 138 Nr. 6 VwGO. Diese Vorschrift beziehe sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Im Urteil müssten die Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, welche für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen seien (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Dies sei vorliegend nicht der Fall. Dem Berufungsgericht habe die Aussage des Klägers vorgelegen, dass er nicht nur in der Türkei die TKP/ML und Kämpfer der TIKKO unterstützt habe, sondern sich auch im Bundesgebiet für die TKP/ML betätigt habe. Damit habe sich dem Berufungsgericht die Prüfung des § 51 Abs. 3 AuslG bzw. jetzt des § 60 Abs. 8 AufenthG aufdrängen müssen, der "bejahendenfalls die Feststellungen zu § 51 Abs. 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen hätte, da der Kläger als schwerwiegende Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland anzusehen gewesen wäre". Insoweit habe es sich aufgedrängt, den so genannten Terrorismusvorbehalt des § 51 Abs. 3 AuslG bzw. § 60 Abs. 8 AufenthG zu prüfen. Denn bei der TKP/ML-TIKKO handele es sich um eine Organisation, die ihre politischen Ziele mit terroristischer Gewalt voranzutreiben versuche und die der Kläger sowohl im Heimatland als auch im Bundesgebiet unterstütze bzw. unterstützt habe.

3 Die Rüge, das Berufungsurteil verletzte § 138 Nr. 6 VwGO, greift nicht durch. Im Sinne dieser Bestimmung nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung nur, wenn sie so mangelhaft begründet ist, dass die Entscheidungsgründe ihre doppelte Funktion - die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu ermöglichen - nicht mehr erfüllen können. Das wiederum ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst derart unbrauchbar sind, dass sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl. den Beschluss vom 5. Juni 1998 - BVerwG 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 Nr. 32 = NJW 1998, 3290 m.w.N.). Hingegen ist ein Verstoß gegen § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann gegeben, wenn die Entscheidungsgründe lediglich unklar, unvollständig, oberflächlich oder unrichtig sind (a.a.O.).

4 Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Die Beschwerde wendet sich nämlich im Kern nur dagegen, dass die Begründung des Berufungsgerichts zum Anspruch des Klägers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) inhaltlich unvollständig ist, weil sie sich nicht mit dem Ausschlussgrund des § 51 Abs. 3 AuslG (jetzt § 60 Abs. 8 AufenthG) auseinander setzt. Sie rügt damit letztlich die mögliche sachliche Fehlerhaftigkeit der ergangenen Entscheidung, weil eine entscheidungserhebliche Rechtsvorschrift nicht oder jedenfalls nicht erkennbar in die Prüfung einbezogen worden sei. Damit ließe sich ein Verfahrensmangel allenfalls dann begründen, wenn die Beschwerdeführerin im gerichtlichen Verfahren hierzu erhebliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht hätte, welche das Berufungsgericht zu einer Auseinandersetzung hiermit gezwungen hätten. Das ist indessen weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich. Die Beklagte hat namentlich weder zu dem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 10. November 2004 (Bl. 324 ff. der Akten), in dem dessen (behauptete) exilpolitische Aktivitäten aufgelistet werden, Stellung genommen noch war sie in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts vom 14. Dezember 2004 vertreten. Im Übrigen hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass Umstände, aufgrund derer die drohenden Drangsalierungen ausnahmsweise nicht als politische Verfolgung anzusehen seien, weder von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen noch sonst ersichtlich seien, und insoweit - bezogen auf die Frage der Vorverfolgung des Klägers - auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bewertung staatlicher Aufklärungsmaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung (vgl. Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 28.99 - BVerwGE 111, 334) Bezug genommen (UA S. 28). Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.