Beschluss vom 21.03.2013 -
BVerwG 4 B 1.13ECLI:DE:BVerwG:2013:210313B4B1.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.03.2013 - 4 B 1.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:210313B4B1.13.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 1.13

  • VG Köln - 14.06.2010 - AZ: VG 11 K 5774/08
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 15.10.2012 - AZ: OVG 7 A 1727/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 75 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 7 B 45.10 - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.

3 Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob die Anrechnung einer faktischen Bausperre auf die Geltungsdauer einer Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB analog stets die Stellung eines Bauantrages voraussetzt oder ob unter bestimmten Voraussetzungen darauf verzichtet werden kann und ob diese Voraussetzungen in einer eindeutig ablehnenden, verbindlichen Haltung der Behörde gegenüber konkreten Nutzungsvorstellungen des Eigentümers liegen.

4 Diese Frage bedarf zunächst der Auslegung, denn streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2008, mit welchem diese die Entscheidung über die Bauvoranfrage der Klägerin vom 10. Dezember 2007 für die Dauer von 12 Monaten bis zum 10. März 2009 gemäß § 15 BauGB zurückgestellt hat und nicht die individuelle Berechnung der Geltungsdauer einer gegenüber der Klägerin wirkenden Veränderungssperre. Wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, möchte die Klägerin klären lassen, ob die Anrechnung einer faktischen Bausperre in ihrem Fall, also in Bezug auf eine Zurückstellung nach § 15 BauGB, im Rahmen der analogen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB stets die Stellung eines Bauantrages voraussetzt. Die so im wohlverstandenen Interesse der Klägerin ausgelegte Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision jedoch nicht, denn sie lässt sich auf der Grundlage der §§ 15, 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB sowie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

5 Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist auf die Zweijahresfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB der abgelaufene Zeitraum seit der Zustellung der ersten Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB anzurechnen. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei Veränderungssperren § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB entsprechend auf Fälle anwendbar ist, in denen es zu einer verzögerlichen Bearbeitung oder zu einer rechtswidrigen Ablehnung des Bauantrags gekommen und dadurch ein Zeitverlust entstanden ist (grundlegend: Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG 4 C 79.68 - Buchholz 406.11 § 17 BBauG Nr. 1 S. 2, siehe auch Beschluss vom 27. April 1992 - BVerwG 4 NB 11.92 - Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 5, zuletzt Beschluss vom 5. Mai 2011 - BVerwG 4 B 12.11 - BRS 78 Nr. 130 <juris Rn. 3>). Ferner ist geklärt, dass die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB - gerade als entsprechende Anwendung - die mit § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB getroffene Entscheidung respektieren muss. Diese setzt aber, weil es andernfalls nicht zu einer förmlichen Zurückstellung hätte kommen können, bei unmittelbarer Anwendung voraus, dass ein Baugesuch gestellt wurde. Darauf darf auch bei der entsprechenden Anwendung nicht verzichtet werden (Urteil vom 10. September 1976 - BVerwG 4 C 39.74 - Buchholz 406.11 § 14 BBauG Nr. 7 S. 17 <juris Rn. 43>). Daher kann die über § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB anrechenbare Zeit nicht vor dem Eingang des Baugesuchs beginnen; sie beginnt bei der entsprechenden Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB in dem Zeitpunkt, in dem die zuständige Behörde über das Baugesuch hätte entscheiden müssen (Urteil vom 10. September 1976 a.a.O.). Die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf sog. faktische Bausperren setzt danach immer die Stellung eines entsprechenden Baugesuchs voraus. Es kann vorliegend offen bleiben, ob die zu § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB bei Veränderungssperren entwickelte Rechtsprechung in Fällen verzögerlicher Bearbeitung eines Baugesuchs auf die Zurückstellung nach § 15 BauGB übertragen werden kann (dafür etwa Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2012, § 15 Rn. 49 m.w.N.; Hornmann, in: Spannowsky/Uechtritz, Beck’scher Online-Kommentar zum BauGB, Stand Dezember 2012, § 15 Rn. 25 m.w.N.; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 15 Rn. 13 m.w.N.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 15 Rn. 6; dagegen: Stelkens, ZfBR 1980, 119 <126 f.>). Denn es unterliegt keinem Zweifel, dass in einem solchen Fall der dann doppelten analogen Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB erst recht am Antragserfordernis festgehalten werden muss (ebenso Stock, a.a.O. Rn. 50).

6 Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Entschädigungsrecht, die gegebenenfalls zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen müsste (vgl. Beschlüsse vom 11. Mai 1966 - BVerwG 8 B 109.64 - BVerwGE 24, 91 = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 51, vom 22. Juni 1984 - BVerwG 8 B 121.83 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 225 <juris Rn. 3>, vom 21. Juli 2000 - BVerwG 2 B 22.00 - juris Rn. 5, vom 18. Januar 2006 - BVerwG 6 B 73.05 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 13 Rn. 3 und vom 4. Dezember 2006 - BVerwG 2 B 57.06 - juris Rn. 3), entsteht hierdurch nicht. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ab. Die Urteile vom 10. Februar 1972 - III ZR 188/69 - (BGHZ 58, 124), vom 3. Juli 1972 - III ZR 134/71 - (NJW 1972, 1713), vom 14. Dezember 1978 - III ZR 77/76 - (BGHZ 73, 161), vom 25. September 1980 - III ZR 18/79 - (BGHZ 78, 152) und vom 17. Dezember 1981 - III ZR 72/80 - (BauR 1982, 247) befassen sich mit den Voraussetzungen für die Gewährung einer (verschuldensunabhängigen) Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff bei Veränderungssperren, der Beschluss vom 7. Mai 1992 - III ZR 95/91 - (NVwZ 1992, 1119) behandelt allgemein die Voraussetzungen einer Entschädigung unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs. Fragen des Entschädigungsrechts, deren Beurteilung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zudem anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erfolgen hat (vgl. BGH, Urteile vom 3. Juli 1972 a.a.O. und vom 25. September 1980 a.a.O.), was der Grund für die gegebenenfalls entschädigungsrechtliche Beachtlichkeit von Verzögerungen auch ohne förmliches Baugesuch sein mag, stehen vorliegend jedoch nicht inmitten. Einen darüber hinaus gehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.