Beschluss vom 21.02.2008 -
BVerwG 5 B 122.07ECLI:DE:BVerwG:2008:210208B5B122.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.02.2008 - 5 B 122.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:210208B5B122.07.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 122.07

  • OVG Berlin-Brandenburg - 23.11.2006 - AZ: OVG 5 B 18.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Februar 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke
und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. November 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 192,50 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

2 1. Der Rechtssache kommt nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Zur Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist erforderlich, dass eine konkrete, verallgemeinerungsfähige Frage des revisiblen Rechts aufgezeigt wird, die zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf.

3 1.1 Soweit die Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bedeutsam zunächst die Frage aufwirft (S. 7 der Beschwerdebegründung),
„ob von einer Anhörung nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 Alt. 2 VwVfG auch dann abgesehen werden kann, wenn zwar dem Grunde nach gleichgelagerte Verwaltungsakte vorliegen, diese jedoch einen wesentlichen Eingriff in die Rechtsposition des Empfängers bedeuten und eine Anhörung nicht bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist“,
ist diesem Gesichtspunkt im Rahmen des auch für die Anwendung der Nr. 4, 2. Alt. als notwendiges Korrektiv geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Datum und Höhe der Kürzung, einschließlich der Kappungsgrenze, bei allen etwa 3 000 betroffenen Fördernehmern übereinstimmten und nähere individuelle Feststellungen für die Ausführung nach der Anordnung des Senats von Berlin nicht erforderlich waren; das verbleibende Ermessen habe in Betracht ziehen müssen, dass allein der zeitliche Aufwand für 3 000 Anhörungen und deren Verarbeitung in den Gründen der Bescheide die zum 1. April 2004 geplante Förderungskürzung verhindert hätten. Soweit die Beschwerde demgegenüber von einer Ermessensreduzierung ausgeht, betrifft dies die einzelfallbezogene Rechtsanwendung, ohne dass damit Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung verbunden wären.

4 1.2 Soweit die Beschwerde im Hinblick auf den streitgegenständlichen Widerrufsvorbehalt die Rechtsfrage aufwirft (Beschwerdebegründung S. 7),
„ob § 44 Abs. 2 II. WoBauG eine Zweckrichtung - nämlich den Rückfluss der eingesparten Aufwendungen in die für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellten Mittel - intendiert, die auch auf den gleichlautenden hier streitgegenständlichen Widerrufsvorbehalt Anwendung findet“,
ist ersichtlich nicht die Auslegung oder Anwendung einer Norm des revisiblen Bundesrechts berührt, sondern die Auslegung der in dem Bewilligungsbescheid vom 21. Dezember 1999 in der Fassung vom 28. Juli 2000 aufgenommenen Nebenbestimmung. Diese wird nicht schon dadurch zu einer verallgemeinerungsfähigen Frage des revisiblen Bundesrechts, dass der Bewilligungsbescheid für den Widerrufsvorbehalt Formulierungen verwendet, die § 44 Abs. 2 Satz 2 II. WoBauG (in der Fassung vom 19. August 1994, BGBl I S. 2137) für eine vorbehaltene Zinserhöhung bei öffentlichen Wohnungsbaudarlehen verwendet.

5 1.3 Die weiter als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage (Beschwerdebegründung S. 8),
„wie der im Widerrufsvorbehalt enthaltene Begriff ‚Fortführung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus’ auszulegen ist, insbesondere ob hiervon nur eine reine Bautätigkeit oder die Initiierung von Neubauten zu verstehen ist oder vielmehr eine weitere Auslegung greift“,
betrifft ebenfalls nicht die Auslegung oder Anwendung einer Norm des revisiblen Bundesrechts, sondern die Richtlinien über die Anschlussförderung von Sozialwohnungen der Wohnungsbauprogramme 1982 bis 1986 vom 3. Dezember 1997 (ABl 1998, S. 926, vgl. insoweit Urteilsabdruck S. 3, 14).

6 1.4 Auch die weiter aufgeworfene Rechtsfrage (Beschwerdebegründung S. 9),
„ob der Begriff ‚erforderlich’ im Rahmen des Widerrufsvorbehalts des Beklagten einer engen gerichtlichen Kontrolle unterliegt oder dem Beklagten vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist“,
betrifft nicht die Anwendung von revisiblem Bundesrecht, sondern die Auslegung der Förderrichtlinien. Über die von dem Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinaus besteht zudem kein Klärungsbedarf in Bezug auf die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte bei wohnungsbaupolitischen Gestaltungsentscheidungen.

7 1.5 Die weiter aufgeworfene Frage (Beschwerdebegründung S. 10),
„ob der Begriff ‚vertretbar’ im Rahmen des Widerrufsvorbehalts (‚fehlende Vertretbarkeit im Hinblick auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung’) einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnet, der allein an der Entwicklung von Wirtschaft und Einkommen in Berlin auszulegen ist und letztendlich jede Entwicklung genügen lässt, die nicht so ungünstig war, dass eine Förderungskürzung unvertretbar wäre, oder ob es sich vielmehr um einen gerichtlich vollständig überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff handelt“,
betrifft ebenfalls die einzelfallbezogene Auslegung und Anwendung der Voraussetzungen des in dem Bewilligungsbescheid wirksam vorbehaltenen Widerrufs; auch diese Frage wird nicht dadurch zu einer Frage revisiblen Bundesrechts, dass § 44 Abs. 2 Satz 2 II. WoBauG eine vergleichbare Formulierung verwendet.

8 2. Die Revision ist auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

9 Mit ihren Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht die Beschwerde zunächst geltend (Beschwerdebegründung S. 11 f.), das Berufungsgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass „etwa 100 000 vergleichbare Wohnungen leer (stünden)“, denn die Klägerin habe einen entsprechenden Leerstand substanziiert bestritten und der vom Beklagten behauptete Wohnungsleerstand betreffe fast durchgehend nicht vergleichbare Wohnungen; ein entsprechendes Gutachten hätte ergeben, „dass die leerstehenden Wohnungen gerade keinen vergleichbaren Wohnraum für die breiten Schichten der Bevölkerung darstellen“.

10 Damit ist schon den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Wer, wie die Klägerin, die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht erhebt, obwohl er - durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person vertreten - in der Vorinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substanziiert darlegen, warum sich dem Tatsachengericht aus seiner für den Umfang der verfahrensrechtlichen Sachaufklärung maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeichneten Richtung hätte aufdrängen müssen (vgl. nur Beschluss vom 13. März 2003 - BVerwG 5 B 267.02 - juris). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 10. Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - NVwZ-RR 2002, 140).

11 Nach diesen Grundsätzen musste sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachaufklärung zum Leerstand vergleichbarer Wohnungen nicht aufdrängen.

12 Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerde als weiteren Aufklärungsmangel rügt (Beschwerdebegründung S. 12), „dass das Gericht von einem Mietpreisvorteil der Sozialwohnungen ausging“, ohne insoweit ein abschließendes Gutachten einzuholen. Das Berufungsgericht hat sich im Hinblick auf den Mietpreisvorteil der Sozialwohnungen auf den Bericht einer Expertenkommission zur Anschlussförderung im öffentlich geförderten Wohnungsbau im Land Berlin (vom Januar 2003) bezogen und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass - jeweils bezogen auf den Baujahrgang - Sozialwohnungen demnach rund 2 €/m² billiger als frei finanzierte Wohnungen seien, so dass auch bei einer Verteuerung der Sozialmieten um 0,30 €/m² den Sozialwohnungen ein Mietpreisvorteil verbleibe (UA S. 20, 23). Bei dieser Sachlage musste sich dem Berufungsgericht nicht die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens aufdrängen. Auch hat die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt.

13 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

14 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und übernimmt die von den Beteiligten nicht beanstandete Wertfestsetzung des Berufungsgerichts.