Beschluss vom 21.02.2006 -
BVerwG 7 B 77.05ECLI:DE:BVerwG:2006:210206B7B77.05.0

Beschluss

BVerwG 7 B 77.05

  • VG Dresden - 18.05.2005 - AZ: VG 5 K 835/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und G u t t e n b e r g e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4./18. Mai 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 350 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger beansprucht die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass hinsichtlich der auf das Grundstück T. Straße 31 - 33 in D. entfallenden Geldleistungen aus dem investiven Kaufvertrag vom 9. Dezember 1992 der B. & F. OHG ein Geldbetrag in Höhe von 2189/3150 Anteilen, hilfsweise dem Kläger ein Geldbetrag in Höhe von weiteren 1274/3150 Anteilen zusteht. Das Grundstück gehörte am 1. Januar 1937 der I. & W. AG (IWAG), die 1948 auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 64 enteignet wurde. An der IWAG war der jüdische Bankier Dr. F., Großvater und Rechtsvorgänger des Klägers, unmittelbar in Höhe von 165/3150 Anteilen sowie mittelbar - in einer zwischen den Beteiligten umstrittenen Höhe - über seine Beteiligung an der B. & F. OHG als Trägerin des Bankhauses B. & F. beteiligt, deren Gesellschafter Dr. F. und Alfred R. waren. Durch Auseinandersetzungsvertrag der beiden Gesellschafter vom 29. April 1937 wurde die OHG aufgelöst und das Bankhaus mit Aktiven und Passiven zum 1. Januar 1937 von der Einzelfirma Alfred R. übernommen. Laut Handelsregistereintragung vom 5. Mai 1937 war Dr. F. aus der Gesellschaft ausgeschieden und die Gesellschaft aufgelöst. Die von Dr. F. unmittelbar gehaltenen und auf seine Alleinerbin, die Mutter und Rechtsvorgängerin des Klägers, übergegangenen IWAG-Aktien wurden im Jahr 1943 eingezogen. Das Grundstück wurde durch investiven Kaufvertrag vom 9. Dezember 1992 von der Verfügungsberechtigten veräußert. Mit Bescheid vom 11. September 2001 stellte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass der Kläger wegen des Verlusts der unmittelbaren Beteiligung von Dr. F. an der IWAG in Höhe von 165/3150 Anteilen und wegen des Verlusts der mittelbaren Beteiligung Dr. F. über die OHG in Höhe von 750/3150 Anteilen von der Verfügungsberechtigten die Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 915/3150 der auf das Grundstück aus dem Kaufvertrag vom 9. Dezember 1992 entfallenden Geldleistungen verlangen kann, und lehnte weitere vermögensrechtliche Ansprüche des Klägers ab.

2 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verpflichtet, dem Kläger einen weiteren Geldbetrag in Höhe von 647/6300 der auf das Grundstück entfallenden Geldleistungen aus dem Kaufvertrag vom 9. Dezember 1992 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dr. F. habe mit seinem Ausscheiden aus der OHG im Wege der sog. Arisierung seine mittelbare Beteiligung an der IWAG, die Alleinerbin Dr. F. und Rechtsvorgängerin des Klägers habe die unmittelbare Beteiligung durch Einziehung der IWAG-Aktien Dr. F. nach dessen Tod verfolgungsbedingt verloren. Dem Kläger stehe deshalb ein Anspruch auf Geldleistungen aus dem investiven Kaufvertrag zu, der sich nach der seiner Rechtsvorgängerin entzogenen unmittelbaren Beteiligung von 165/3150 IWAG-Vorzugsaktien sowie nach der seinem Rechtsvorgänger entzogenen mittelbaren Beteiligung in Höhe von 750/3150 Anteilen an den IWAG-Vorzugsaktien zuzüglich - im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigter - 647/6300 Anteilen an den IWAG-Stammaktien bemesse. Dabei sei die Beteiligung Dr. F. an der OHG mit 50 % anzunehmen, weil sie in dieser Höhe durch Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. März 1994 - 3 K 1913/93 - rechtskräftig festgestellt worden sei. Da nach jenem Urteil die OHG aufgrund der Anmeldung der Rechtsvorgängerin des Klägers nicht habe wiederaufleben können, weil das Quorum von mehr als 50 % nicht erreicht worden sei, ständen ihr keine eigenen Ansprüche zu. Nach der Schädigung Dr. F. vom Bankhaus B. & F. erworbene weitere IWAG-Stammaktien seien nicht berücksichtigungsfähig, weil Aktien keine Vermögensgegenstände i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG seien. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichteten Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

3 Soweit die Beschwerde die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und kausaler Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht angenommene Bindung an das rechtskräftige Urteil vom 8. März 1994 - 3 K 1913/93 - geltend macht, ist die Revision aus den Gründen nicht zuzulassen, die der Senat in seinem Beschluss vom 21. Februar 2006 - BVerwG 7 B 68.05 - dargelegt hat. Auf diese Gründe kann hier verwiesen werden, da in jenem Verfahren Beschwerdeführer der Kläger und Beschwerdegegnerin die Beklagte des vorliegenden Verfahrens waren.

4 Die Revision ist auch nicht wegen der im vorliegenden Verfahren von der Beschwerde geltend gemachten weiteren Verfahrensfehler zuzulassen. Soweit die Beschwerde einen Verfahrensfehler darin sieht, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht dem Antrag des Klägers entsprechend bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 2 K 2802/99 vor dem Verwaltungsgericht Dresden ausgesetzt hat, hat ihre Rüge schon deshalb keinen Erfolg, weil sie keinen Verfahrensmangel bezeichnet, der in einem Revisionsverfahren überprüft werden könnte. Das hat der Senat in den Gründen seines Beschlusses vom 13. September 2005 - BVerwG 7 B 14.05 -, der im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers unter Beteiligung der Beklagten ergangen ist, im Einzelnen dargelegt; darauf wird Bezug genommen.

5 Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler eine fehlende oder unzureichende Urteilsbegründung hinsichtlich der Beteiligung Dr. F. am Bankhaus B. & F. oder an dessen Trägerin B. & F. OHG geltend macht, ist die Revision nicht zuzulassen, weil der Kläger durch die angeblich mangelhafte Begründung nicht beschwert ist. Die Beschwerde beanstandet, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der von ihm angenommenen Bindung an das Urteil vom 8. März 1994 die Beteiligung Dr. F. mit "exakt 50 %" annehme; das widerspreche dem einschlägigen Entscheidungssatz jenes Urteils, durch den die Beteiligung Dr. F. mit "nie mehr als 50 %" angenommen worden sei. Auf diesem vermeintlichen Verfahrensfehler kann das angegriffene Urteil nicht beruhen, weil ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht ohne die hier als verfahrensfehlerhaft unterstellte Annahme einer Beteiligung Dr. F. von 50 % zu einem für den Kläger sachlich günstigeren Ergebnis, nämlich zu einer Beteiligung Dr. F. in Höhe von mehr als 50 % gelangt wäre. An einer solchen Annahme wäre es durch die Bindungswirkung des Urteils vom 8. März 1994 gehindert gewesen.

6 Soweit die Beschwerde nicht näher bezeichnete Verfahrensfehler darin erblickt, dass das Verwaltungsgericht die Eigenschaft von Aktien als Vermögensgegenstände i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG verneint hat, ist die entsprechende Rüge unzulässig. Die Beschwerde macht mit diesem Vorbringen keinen Verfahrensmangel geltend, sondern greift in Wahrheit die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an. Mit derartigen Angriffen lässt sich die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers nicht erreichen.

7 Die Revision ist hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Eigenschaft von Aktien als Vermögensgegenständen auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung und grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die behauptete Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Oktober 1998 (BVerfGE 99, 129 <143 f.>) liegt schon deswegen nicht vor, weil das Bundesverfassungsgericht darin keinen Rechtssatz des Inhalts aufgestellt hat, dass Aktien als Vermögensgegenstände i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG anzusehen sind. Gleiches gilt für die angebliche Abweichung von dem Urteil vom 22. Oktober 1998 - BVerwG 7 C 1.98 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 58 S. 130 <132>). Der Senat hat in jenem Urteil den Rechtssatz aufgestellt, dass bei einem rechtsstaatswidrigen Zugriff auf Bargeld Gegenstand der Schädigung die konkreten Banknoten in ihrer Eigenschaft als bewegliche Sachen sind, bei deren Vermengung oder Vermischung mit einem Kassenbestand das Alleineigentum gemäß dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz untergeht. Mit ihrem Hinweis auf die Rechtsprechung der alliierten Rückerstattungsgerichte, die Kontoguthaben als feststellbare Vermögensgegenstände anerkannten, möchte die Beschwerde offenbar zum Ausdruck bringen, dass hinterlegte Aktien ebenso wie Kontoguthaben individualisierbar seien. Dabei verkennt sie, dass das Verwaltungsgericht die Rückübertragung weiteren Bruchteilseigentums an dem in Rede stehenden Grundstück in Höhe der Stammaktien der IWAG, die das Bankhaus B. am 15. Juli 1938 hielt, nicht mangels Individualisierbarkeit der Aktien, sondern deshalb abgelehnt hat, weil Aktien keine Vermögensgegenstände i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG seien. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass das angegriffene Urteil von der bezeichneten Entscheidung abweicht.

8 Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob "es sich bei später erworbenen Aktien an Aktiengesellschaften um später angeschaffte Vermögenswerte gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG" handelt, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, da über sie in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden wäre. Wird nämlich unterstellt, dass später erworbene Aktien später angeschaffte Vermögensgegenstände i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG sind, könnte der Berechtigte nur verlangen, dass ihm im Wege der ergänzenden Einzelrestitution Bruchteilseigentum an den später angeschafften Aktien in Höhe der ihm entzogenen Beteiligung eingeräumt wird. Die Rückgabe entzogener Anteile an einem Unternehmen, dessen Träger untergegangen und nicht nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 a VermG wieder aufgelebt ist, ist jedoch offensichtlich nicht möglich, weil es an dem hierfür erforderlichen Rechtssubjekt fehlt. Ebenso unmöglich und geradezu widersinnig wäre es, an Anteilen eines nicht mehr existenten Unternehmens Bruchteilseigentum einzuräumen. Demgegenüber möchte die Beschwerde die ergänzende Einzelrestitution i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG offenbar dahin verstanden wissen, dass der Berechtigte mit Blick auf von dem Unternehmen später angeschaffte Aktien eine entsprechende Erhöhung seines Bruchteilseigentums an den noch vorhandenen Vermögensgegenständen, also in der Regel an Grundstücken, verlangen kann. Abgesehen davon, dass ein derartiges Verständnis mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar wäre, ist für eine Berücksichtigung der von dem Bankhaus B. & F. später angeschafften Aktien bei der Einräumung von Bruchteilseigentum an dem in Rede stehenden Grundstück deshalb kein Raum, weil § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG für die Bemessung der Höhe des einzuräumenden Bruchteilseigentums auf den Schädigungszeitpunkt abstellt. Bruchteilseigentum ist also nur in der Höhe einzuräumen, in der dem Berechtigten Anteile entzogen worden sind. Nach dem Schädigungszeitpunkt von dem Unternehmen angeschaffte Aktien sind hiernach für die ergänzende Einzelrestitution ohne Belang.

9 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.