Beschluss vom 21.01.2003 -
BVerwG 8 B 128.02ECLI:DE:BVerwG:2003:210103B8B128.02.0

Beschluss

BVerwG 8 B 128.02

  • VG Magdeburg - 22.05.2002 - AZ: VG 5 A 726/01 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Die Beiladung der Wohnbau- und Immobiliengesellschaft Roßlau mbH wird aufgehoben.
  2. Auf die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. Mai 2002 wird dieses Urteil aufgehoben.
  3. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Die Beiladung der Wohnbau- und Immobiliengesellschaft Roßlau mbH war aufzuheben, weil deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung nicht mehr berührt werden (§ 65 Abs. 1 VwGO).
Die Beschwerde der Kläger ist zulässig und begründet. Zwar wird weder die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, vgl. 1.). Es liegt aber ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 133 Abs. 6 VwGO, vgl. 2.).
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist
(stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).
Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat die Rückübertragung von fünf der sechs noch streitbefangenen Grundstücke mit der Begründung abgelehnt, eine Rückübertragung sei ausgeschlossen, weil dies von der Natur der Sache her nicht möglich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG). Dabei geht es von der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus. Eine über diese Rechtsprechung hinausgehende klärungsbedürftige Rechtsfrage wird von der Beschwerde weder ausdrücklich noch sinngemäß dargelegt. Die Rückübertragung des sechsten streitbefangenen Grundstücks hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, die Rückübertragung sei ausgeschlossen, weil es dem Gemeingebrauch gewidmet worden sei (§ 5 Abs. 1 Buchst. b VermG). Materiellrechtliche Ausführungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen.
Auch daran fehlt es hier. Ein Rechtssatz, mit dem das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen haben könnte, wird von der Beschwerde weder ausdrücklich noch sinngemäß genannt.
2. Es liegt aber ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist der Verpflichtung, sein Urteil ordnungsgemäß zu begründen, nicht nachgekommen. Die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO fordert, dass das Tatsachengericht das Ergebnis seiner Abwägung in den Entscheidungsgründen in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise darlegt (vgl. Urteil vom 31. Juli 2002 - BVerwG 8 C 37.01 - amtlicher Umdruck S. 16, zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 1 Abs. 3 VermG vorgesehen - in Anschluss an BGH in NJW-RR 1992, 920 <921>).
In den Entscheidungsgründen geht das Verwaltungsgericht zunächst von der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, wonach eine Rückübertragung dann von der Natur der Sache her nicht mehr möglich ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG), wenn dadurch schwerwiegende Konfliktsituationen hervorgerufen würden. Anschließend führt es aus, für fünf der noch streitbefangenen Grundstücke der Flur 1 in R. sei deswegen die Rückübertragung ausgeschlossen. Wieso in diesen fünf Fällen eine Rückübertragung jeweils schwerwiegende Konfliktsituationen verursachen würde, wird aber nicht nachvollziehbar dargelegt:
Wieso die Rückübertragung des Grundstücks 190/52 solche Konflikte verursachen würde, nur weil dieses Grundstück teilweise mit einer Garage überbaut ist und heute eine Teilfläche davon als Zuwegung zur Garage und zu einem Nachbargrundstück dient, ist nicht ersichtlich. So wird nicht dargelegt, ob die Zuwegung zur Nutzung des Nachbargrundstücks oder der Garage notwendig ist und ob damit die Rückübertragung dazu führt, dass ein für die Nutzung dieses oder eines anderen Grundstücks ein - bisher nicht erforderliches - Notwegerecht (§ 917 BGB) in Anspruch genommen werden muss. Gleiches gilt für das Grundstück 190/57, das nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts bereits heute keine "öffentlich-rechtliche Zuwegung" hat. Hier wird nicht begründet, ob sich durch die Rückübertragung an der heutigen Situation etwas ändern würde; was nur der Fall sein kann, wenn dieses Grundstück heute dem Eigentümer des Flurstücks 190/58 gehört. Bezüglich des Grundstücks 190/69 wird vom Verwaltungsgericht nicht ausgeführt, warum eine schwerwiegende Konfliktsituation entsteht, wenn Hausgärten - in Folge einer Rückübertragung - verkleinert werden und ob beispielsweise durch die Rückübertragung einem Dritten die Zufahrt zu seiner Garage unmöglich gemacht wird. Nicht nachvollziehbar ist auch, wieso die Rückgabe eines Grundstücks (hier des Grundstücks 190/51) ausgeschlossen sein soll, weil sich darauf eine durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Transformatorenstation eines Energieversorgungsunternehmens, dem das Grundstück bereits heute nicht gehört, befindet. Soweit die Kläger die Rückübertragung einer Teilfläche des Altflurstücks 535 in R. begehren, wird in den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils zwar ausgeführt, dass zu einem Wohnblock auch Umfassungs- und Freiflächen gehören, deren Rückübertragung schwerwiegende Konflikte verursachen würde. Wo diese Flächen enden, und inwieweit deshalb das streitbefangene Grundstück hierzu ganz oder teilweise gehört, wird aber nicht dargelegt.
Schließlich meint das Verwaltungsgericht, auch die Rückübertragung des Grundstücks 190/72 sei ausgeschlossen. Insoweit greife jedenfalls der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG. Warum dieses Grundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG dem Gemeingebrauch gewidmet wurde, obwohl es an einer förmlichen Widmung fehlt, wird nicht begründet.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit, das angefochtene Urteil in dem Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO), Gebrauch.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 13 und 14 GKG.