Beschluss vom 20.12.2006 -
BVerwG 7 B 42.06ECLI:DE:BVerwG:2006:201206B7B42.06.0

Beschluss

BVerwG 7 B 42.06

  • OVG Berlin-Brandenburg - 26.01.2006 - AZ: OVG 11 B 3.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Klägerin begehrt die Freistellung von ihrer Verantwortlichkeit für Schäden an dem ihr gehörenden Grundstück G.straße 32 - 34 in B.; das Grundstück ist durch eine dort früher (vor dem 1. Juli 1990) betriebene Anlage mit umweltgefährdenden Stoffen belastet. Im März 1991 beantragte die damalige Eigentümerin des Grundstücks die Freistellung bei dem Beklagten. Die Klägerin erwarb das Grundstück zum 1. Oktober 1994. Der Beklagte lehnte den Freistellungsantrag durch Bescheid vom 2. April 2002 ab. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Klägerin ab. Das Oberverwaltungsgericht wies ihre Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurück: Die Klägerin sei nicht wirksam in das von ihrer Rechtsvorgängerin eingeleitete Freistellungsverfahren eingetreten, weil sie das Verfahren weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht mit der gebotenen Kontinuität fortgesetzt habe. Jedenfalls habe der Beklagte die Freistellung auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei abgelehnt.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

3 Die Beschwerde ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil jeweils selbständig tragend darauf gestützt, einerseits könne der fristgerecht gestellte Antrag ihrer Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht zugerechnet werden und andererseits habe der Beklagte den Antrag in der Sache ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Revision kann deshalb nur zugelassen werden, wenn die Klägerin gegen beide Begründungen durchgreifende Zulassungsgründe vorbringt. Das ist nicht der Fall, soweit die Klägerin sich gegen die Annahme des Oberverwaltungsgerichts wendet, der Beklagte habe den Antrag rechtmäßig, insbesondere ermessensfehlerfrei abgelehnt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung hat, soweit das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, die Klägerin sei nicht wirksam in das von ihrer Rechtsvorgängerin eingeleitete Freistellungsverfahren eingetreten.

4 Soweit die Klägerin die Annahme des Oberverwaltungsgerichts angreift, der Beklagte habe den Freistellungsantrag in der Sache rechtmäßig abgelehnt, hat die Rechtssache nicht die von ihr allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

5 Für klärungsbedürftig hält die Klägerin die Frage,
ob bei der Freistellungsentscheidung nach Durchführung der Investition, die den Gegenstand des Freistellungsantrages bildete, und daraufhin erfolgter mehrjähriger Fortbildung des Gewerbebetriebes hinsichtlich der sachbezogenen Freistellungsvoraussetzungen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Vorliegens dieser Voraussetzungen oder gar auf den Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Antragstellers abzustellen ist.

6 Es liegt auf der Hand und bedarf deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Freistellungsantrag das ihr eingeräumte Ermessen an der Sachlage zu orientieren hat, wie sie sich im Zeitpunkt ihrer Entscheidung darstellt.

7 Nach Art. 1 § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzes der DDR (UmwRG) vom 29. Juni 1990 (GBl I S. 649) in der Fassung von Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766, 788) sind Eigentümer, Besitzer oder Erwerber von Anlagen und Grundstücken, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmen Verwendung finden, für die durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden nicht verantwortlich, soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortung freistellt. Eine Freistellung kann erfolgen, wenn dies unter Abwägung der Interessen des Eigentümers, des Besitzers oder des Erwerbers, der durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks möglicherweise Geschädigten, der Allgemeinheit und des Umweltschutzes geboten ist.

8 Der Zweck dieser Vorschrift liegt - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - darin, Investitionshemmnisse zu beseitigen. Wie die Befristung der Vorschrift zeigt - Anträge auf Freistellung konnten nur bis zum 29. März 1992 gestellt werden (Art. 1 § 4 Abs. 3 Satz 4 UmwRG) - sollte ein Anreiz für Investoren geschaffen werden, gerade im Anlaufzeitraum nach der Wende Kapital in die neuen Bundesländer einzubringen und damit dort Arbeitsplätze zu schaffen. Die Freistellung war ein Instrument für einen raschen wirtschaftlichen Anschub in den neuen Bundesländern. Von daher liegt auf der Hand, dass nur auf der Grundlage des innerhalb der Frist bezeichneten Investitionsvorhabens entschieden werden kann, ob es mit Blick auf die anderen berührten Interessen eine Freistellung von der Sanierungsverantwortlichkeit rechtfertigt. Ist dieses Vorhaben im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bereits aufgegeben - wie dies hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der Fall war - ist es nicht ermessensfehlerhaft, den Freistellungsantrag abzulehnen.

9 Aus demselben Grund bedarf in einem Revisionsverfahren keiner Klärung die weiter aufgeworfene Frage,
ob die von dem ursprünglichen Antragsteller getätigten Investitionen, die für einen Zeitraum von mehreren Jahren nach Ablauf der Antragsfrist der Fortführung des Betriebes gedient haben, bei der Prüfung des Freistellungsinteresses eines Beitretenden ganz unberücksichtigt bleiben dürfen.

10 Diese Frage ist aus den genannten Gründen ohne weiteres für den hier festgestellten Fall zu bejahen, dass das Vorhaben vor der Entscheidung der Behörde über die Freistellung endgültig aufgegeben worden ist. Die Freistellung könnte nicht mehr ihren Zweck erfüllen, einen Anreiz für eine (Anschub-)Investition in den neuen Bundesländern zu schaffen.

11 Letztlich aus demselben Grund ist die weitere Frage ohne weiteres zu verneinen,
ob durch die Kaufpreiszahlung bei Erwerb eines Grundstücks, für das durch den Veräußerer ein Freistellungsantrag gestellt wurde, dem Erwerber und Rechtsnachfolger im Freistellungsverfahren Investitionen, die durch den ursprünglichen Antragsteller getätigt worden sind, bei der Beurteilung seines Freistellungsinteresses zugerechnet werden können.

12 Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht insoweit in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin getätigten Investitionen in Höhe von (behaupteten) ca. 35 Mio. DM in dem Kaufpreis von 5 175 000 DM sich nicht erkennbar niedergeschlagen haben.

13 Keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf schließlich die Frage,
ob sich ein Antragsteller im Freistellungsverfahren auf die Möglichkeit einer Rücklagenbildung für die Beseitigung der Schäden auf dem Grundstück verweisen lassen muss und dieser Umstand bei der Ermessensentscheidung über die Freistellung zu seinen Ungunsten berücksichtigt werden darf.

14 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision jedenfalls deshalb nicht, weil in einem Revisionsverfahren keine Antwort zu erwarten ist, die über den Einzelfall hinaus weist und die der Sache deshalb grundsätzliche Bedeutung verleihen könnte. Die Klägerin wirft diese Frage im Zusammenhang mit der langjährigen Dauer des Freistellungsverfahrens auf. In diesem Zusammenhang hat sie auch das Oberverwaltungsgericht behandelt und in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, die lange Verfahrensdauer sei zum großen Teil durch die Klägerin selbst zu vertreten, mit der Folge, dass es als Einzelfall bezogene Erwägung nicht zu beanstanden sei, wenn sie auf die Möglichkeit einer Bildung von Rücklagen verwiesen werde. Im Übrigen beziehen sich diese Erwägungen auf eine Freistellung der Klägerin von Sanierungspflichten mit Blick auf das von ihr nunmehr unter Aufgabe des früheren Vorhabens ihrer Rechtsvorgängerin beabsichtigte Vorhaben. Insoweit folgt indes schon aus den früheren Erwägungen, dass für dieses Vorhaben eine Freistellung nicht erlangt werden kann.

15 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.