Verfahrensinformation

Die Kläger - im Schichtdienst der beklagten Städte Cottbus, Oranienburg und Potsdam beschäftigte Feuerwehrbeamte - begehren Geldausgleich für freiwillig geleistete Mehrarbeit. Sie sind damit vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 32.15 u.a. -) erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat die geleistete Mehrarbeit als rechtswidrig beurteilt, weil das Land Brandenburg die entsprechende Öffnungsklausel (Art. 22 Unterabs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie) nicht rechtmäßig in das mitgliedstaatliche Recht umgesetzt habe.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen zur Klärung der Frage zugelassen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche „Opt-out-Regelung“ für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe der EU-Arbeitszeitrichtlinie zu stellen sind.


Pressemitteilung Nr. 53/2017 vom 21.07.2017

Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit von Feuerwehrbeamten in den Städten Potsdam, Oranienburg und Cottbus

Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können hierfür von ihren Dienstherrn - den beklagten Städten - Freizeitausgleich verlangen. Kann der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so besteht ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.


Das Bundesverwaltungsgericht hatte über Ausgleichsansprüche von kommunalen Feuerwehrbeamten im Land Brandenburg im Wesentlichen im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 zu entscheiden. Während dieser Zeit verrichteten die Beamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Zuvielarbeit finanziell abzugelten. Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revisionen der beklagten Städte die auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gestützten Klagen der Feuerwehrbeamten für die Zeiträume abgewiesen, die vor der erstmaligen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit durch die Beamten lagen. Für die Zeiträume nach der Geltendmachung des Ausgleichs für die Zuvielarbeit hat das Bundesverwaltungsgericht jeweils das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.


Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: Dem Grunde nach ist ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung („Opt-Out“) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) ist zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts - hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 - ist aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit haben sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzen offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot hat der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.


Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr aber nur die unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich - anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche - nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.


Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten hat der Dienstherr, kompensiert er die rechtswidrige Zuvielarbeit nicht mit Freizeitausgleich, diese Zuvielarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen. Der finanzielle Ausgleich erfolgt dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.


BVerwG 2 C 31.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 31.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1376/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 32.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 19.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 2562/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 33.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 20.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1372/11 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 34.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 23.15 - Beschluss vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 2814/13 - Beschluss vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 35.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 22.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1956/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 36.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 32.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Cottbus, 5 K 914/11 - Urteil vom 28. Februar 2013 -

BVerwG 2 C 37.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 21.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 838/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 38.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 26.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1241/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 39.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 29.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1292/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 40.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 30.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1367/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 41.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 28.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1267/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 42.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 24.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1357/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 43.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 25.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1286/11 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 44.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 27.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1399/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -


Beschluss vom 20.11.2015 -
BVerwG 6 B 32.15ECLI:DE:BVerwG:2015:201115B6B32.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.11.2015 - 6 B 32.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:201115B6B32.15.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 32.15

  • VG Sigmaringen - 25.09.2014 - AZ: VG 8 K 1766/12
  • VGH Mannheim - 08.06.2015 - AZ: VGH 9 S 2297/14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. November 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. Tegethoff
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Die vorgetragenen Gesichtspunkte ergeben nicht, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO vorliegen. Andere als diese Gesichtspunkte kann der Senat aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht berücksichtigen.

2 Der Kläger erbrachte während seines Medizinstudiums einen sogenannten fächerübergreifenden Leistungsnachweis für die drei Studienfächer Kinderheilkunde, Frauenheilkunde/Geburtshilfe und Humangenetik. Der Leistungsnachweis war Voraussetzung für die Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung. Die Beklagte ermittelte die Gesamtnote des Leistungsnachweises, indem sie die Summe der Zahlenwerte der drei Einzelnoten durch drei teilte und den errechneten Zahlenwert von 1,566 der Note "gut" zuordnete, die nach ihrer Studienordnung für einen Zahlenwert von über 1,5 bis 2,5 Punkte vorgesehen ist. Der Kläger macht geltend, bei rechtmäßiger Berechnung habe er einen Zahlenwert von 1,5 Punkten und damit die Note "sehr gut" erreicht. Da die Studienordnung in der maßgebenden Fassung die Zuordnung des Zahlenwertes zu einer Note nicht ausdrücklich normiert habe, sei nach Art. 12 Abs. 1 GG die Anwendung der günstigsten Methode der Notenbestimmung geboten gewesen. Dies sei der Abbruch des Rechenvorgangs nach der ersten Dezimalstelle des Zahlenwerts von 1,566, sodass er die Note "sehr gut" erreicht habe.

3 Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: Die für die Notenvergabe erforderliche erste Dezimalstelle sei durch kaufmännische Rundung des Zahlenwerts zu bestimmen; dies ergebe hier 1,6 Punkte und damit die Note "gut". Es sei davon auszugehen, dass der Normgeber diese mathematische Grundregel immer dann angewandt wissen wolle, wenn er nicht ausdrücklich eine abweichende Berechnungsmethode vorgebe. Da die Studienordnung die Frage der Zuordnung des Zahlenwerts zu einer Note nicht offen gelassen habe, sei für einen Abbruch der Rundung nach dessen erster Dezimalstelle kein Raum.

4 1. Der Kläger hält die Fragen für rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO,
- ob der fächerübergreifende Leistungsnachweis einer Berufszulassungsprüfung im Sinne des Art. 12 GG gleichzustellen sei und
- ob das verfassungsrechtliche Bestimmtheitserfordernis für diese Prüfungen verlange, dass der Normgeber grundrechtsrelevante Fragen wie die Notenbestimmung ausdrücklich beantworte.

5 Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 - NVwZ-RR 2015, 416 Rn. 8).

6 Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die vom Kläger aufgeworfenen Fragen nicht gegeben, weil sie aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres beantwortet werden können, soweit sie revisibles Recht betreffen.

7 a) An Art. 12 Abs. 1 GG sind Prüfungen zu messen, deren Bestehen Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufstätigkeit sowie für die Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen Ausbildung ist, deren erfolgreicher Abschluss die Ausübung des Ausbildungsberufs erst ermöglicht oder erleichtert. Derartige berufsbezogene Prüfungen stellen als subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar (BVerfG, Beschlüsse vom 13. November 1979 - 1 BvR 1022/78 - BVerfGE 52, 380 <388>; vom 6. Dezember 1988 - 1 BvL 5, 6/85 - BVerfGE 79, 212 <218> und vom 17. April 1991 - 1 BvR 1529/84 und 138/87 - BVerfGE 84, 59 <72>; BVerwG, Urteile vom 23. September 1992 - 6 C 2.91 - BVerwGE 91, 24 <33 f.> und vom 21. März 2012 - 6 C 19.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 412 Rn. 21). Aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG müssen auch Regelungen über das Verfahren der Bewertung der Prüfungsleistungen, die Bestehensvoraussetzungen und die Notenvergabe rechtssatzmäßig, d.h. für Staatsprüfungen in einer Rechtsverordnung, für Hochschulprüfungen in einer Satzung der Hochschule, festgelegt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 1989 - 1 BvR 1033/82 und 174/84 - BVerfGE 80, 1 <20 ff.>).

8 Danach handelt es sich bei dem fächerübergreifenden Leistungsnachweis um eine Berufszulassungsvoraussetzung, weil er nach § 27 Abs. 1 Satz 1 der Approbationsordnung für Ärzte - ÄAppO - i.d.F. vom 27. Juni 2002 (BGBl. I S. 2405, 2413) Voraussetzung für die Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung war. Der Leistungsnachweis war erforderlich, um das Medizinstudium erfolgreich abschließen und als Arzt tätig werden zu können. Davon ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen; dementsprechend hat er unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, dass die Benotung des Leistungsnachweises den Erfordernissen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen muss (UA S. 18).

9 b) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind auch die Anforderungen geklärt, die Art. 12 Abs. 1 GG an normative Regelungen für die Bestimmung der Gesamtnote auf der Grundlage der Einzelnoten der Teilprüfungen stellt. Hat der Normgeber für die Notenbildung angeordnet, dass ein rechnerisch ermittelter Zahlenwert der Einzelnoten einer der Noten einer Notenskala zuzuordnen ist, die durch einen unteren und oberen Grenzwert konkretisiert sind, muss die nach der Notenskala erforderliche Dezimalstelle des Zahlenwerts, in der Regel die erste Dezimalstelle, ermittelt werden. Hierfür kommen drei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen kann die erforderliche Dezimalstelle durch kaufmännische Rundung der Dezimalstellen des Zahlenwerts bestimmt werden. Zum anderen können diese Stellen nur bis zu der erforderlichen Dezimalstelle berücksichtigt werden (sogenannter Abbruch der Rundung). Schließlich kann jede noch so geringfügige rechnerische Über- oder Unterschreitung eines Notengrenzwerts durch den Zahlenwert der Einzelnoten die Zuordnung zu der besseren bzw. schlechteren Gesamtnote begründen.

10 Alle Zuordnungsmethoden sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar; das Grundrecht gibt keine Rangfolge vor. Aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ist es jedoch erforderlich, dass die anzuwendende Methode rechtssatzmäßig, d.h. durch Rechtsverordnung oder Satzung, festgelegt wird. Lässt sich nicht im Wege der Normauslegung ermitteln, welche Methode zur Anwendung kommen soll, muss die vorteilhafteste angewandt werden. Die Wahl der Methode darf auch bei Fehlen einer normativen Regelung nicht in das Ermessen der Verwaltung gestellt werden (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1975 - 7 C 38.74 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 64 S. 13 ff.; Beschluss vom 20. November 1979 - 7 B 236.79 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 122). Nach dieser Rechtsprechung verlangt Art. 12 Abs. 1 GG weder eine normative Beschreibung der Methode, die für die Zuordnung eines Zahlenwerts zu einer Note angewandt werden soll, noch enthält er Vorgaben für die Normauslegung. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass dem normativen Regelwerk durch Auslegung entnommen werden kann, welche Methode für die Bestimmung der Note aufgrund eines Zahlenwerts gelten soll.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Grundsätze dem Berufungsurteil zugrunde gelegt. Er hat nicht der Beklagten überlassen, welche Methode für die Bestimmung der ersten Dezimalstelle des rechnerisch ermittelten Zahlenwerts der Einzelnoten anzuwenden ist. Vielmehr hat er die im Jahr 2010 erlassene Studienordnung der Beklagten, deren Anwendbarkeit der Kläger im Beschwerdeverfahren nicht in Zweifel gezogen hat, dahingehend ausgelegt, dass die erste Dezimalstelle des Zahlenwerts und damit die Note des fächerübergreifenden Leistungsnachweises durch kaufmännische Rundung zu bestimmen ist. Dieses Auslegungsergebnis hat der Verwaltungsgerichtshof entsprechend seiner Rechtsprechung auf den allgemeinen Grundsatz gestützt, in Zweifelsfällen sei kaufmännisch zu runden, weil es sich hierbei um eine mathematische Grundregel handele.

12 Dieses Normverständnis der Studienordnung 2010 kann in einem Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt werden. Sie bindet das Bundesverwaltungsgericht, weil es sich bei der Studienordnung wie bei dem gesamten Satzungsrecht der Hochschulen nicht um Bundesrecht, sondern um irrevisibles Landesrecht handelt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO; § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Bundesrecht ist dasjenige Recht, das aufgrund des Rechtsetzungsbefehls eines Rechtsetzungsorgans des Bundes gilt. Das von Rechtsetzungsorganen eines Landes gesetzte Recht ist auch dann Landesrecht, wenn sein Erlass auf einer Ermächtigung des Bundesrechts beruht. Dem Landesrecht gehören auch Rechtsgrundsätze an, die herangezogen werden, um eine Regelungslücke des geschriebenen Landesrechts zu schließen. Landesrecht ist auch dann irrevisibel, wenn die Länder einen Gegenstand wortgleich geregelt haben (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. März 1997 - 1 B 66.97 - NVwZ-RR 1997, 568 <569>; Urteil vom 27. April 2005 - 8 C 5.04 - BVerwGE 123, 303 <306 f.>).

13 Zwar stellt die Approbationsordnung für Ärzte - ÄAppO - Bundesrecht dar. Der Verordnungsgeber hat jedoch darauf verzichtet, die Anforderungen und das Verfahren der Leistungsnachweise für die Zulassung zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zu regeln. Er hat insoweit ausdrücklich auf die Studienordnungen der Hochschulen verwiesen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 ÄAppO i.d.F. vom 27. Juni 2002, BGBl. I S. 2405, 2413). Das Satzungsrecht der Hochschulen ist irrevisibles Landesrecht, weil die Hochschulen Teil der Staatsorganisation der Länder sind (vgl. § 1 Abs. 2 des Landeshochschulgesetzes Baden-Württemberg vom 1. Januar 2005, GBl. S. 1; BVerwG, Urteil vom 30. September 2015 - 6 C 45.14 - Rn. 11 und 12).

14 Nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht fest, dass das Ergebnis der Auslegung der Studienordnung 2010 durch den Verwaltungsgerichtshof nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Die verschiedenen Methoden der Ermittlung der für die Notengebung maßgebenden Dezimalstelle eines Zahlenwerts sind gleichermaßen verfassungskonform. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass in Anbetracht der normativen Festlegung der oberen Grenzwerte der Noten durch die Dezimalstelle 5 ("bis zu 1,5/2,5/3,5") auch ein Verständnis der Studienordnung 2010 nahe liegt, dass die jeweils schlechtere Gesamtnote erzielt ist, wenn der mathematisch ermittelte Zahlenwert der Einzelnoten den Grenzwert der besseren Note überschreitet. Danach führt jeder Zahlenwert über 1,500 zur Vergabe der Note "gut".

15 2. Nach alledem beruht das Berufungsurteil auch nicht auf einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Berufungsurteil nicht auf einen abstrakten Rechtssatz gestützt, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. Juni 1975 - 7 C 38.74 - (Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 64) widerspricht (vgl. zur Divergenz: BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Wie dargestellt hat es das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil vom 27. Juni 1975 als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, dass die anzuwendende Methode der Zuordnung eines rechnerisch ermittelten Zahlenwerts zu einer Note in das Verwaltungsermessen gestellt wird. Die maßgebende Methode muss normativ festgelegt sein, was durch Normauslegung zu ermitteln ist. Nach dieser Rechtsprechung verlangt Art. 12 Abs. 1 GG keine normative Beschreibung der für die Notenbildung maßgebenden Zuordnungsmethode. Eine detaillierte Beschreibung, wie sie nunmehr die im Jahr 2013 erlassene Studienordnung der Beklagten enthält, ist bereits nach ihrem Wortlaut eindeutig und macht eine Normauslegung überflüssig.

16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.