Beschluss vom 20.06.2008 -
BVerwG 3 B 103.07ECLI:DE:BVerwG:2008:200608B3B103.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.06.2008 - 3 B 103.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:200608B3B103.07.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 103.07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in Form einer Verletzung der Aufklärungspflicht liegt nicht vor.

2 Die Klägerin möchte mit notarztbesetzten Fahrzeugen am Notarztdienst des Rettungsdienstes im Bereich des Beklagten beteiligt werden. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, die von ihr seit Langem praktizierte Zusammenarbeit mit privaten Notärzten („privater Notarztdienst“) genieße Bestandsschutz und müsse auch unter der Geltung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes - BayRDG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1998 (GVBl S. 9) nach Maßgabe der dortigen Überleitungsvorschrift (Art. 31 BayRDG) und unter Berücksichtigung ihrer Grundrechte aus Art. 12, 14 GG fortgesetzt werden dürfen. Die Vorinstanzen haben die Klage der Klägerin abgewiesen. Mit der Beschwerde wendet sie sich gegen die Nichtzulassung der Revision.

3 Die Beschwerde ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1, § 128 VwGO nicht verletzt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich auch sonst nicht aufdrängt. Der Beweisantrag ist förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen (vgl. etwa Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - juris Rn. 3 m.w.N., insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Die Aufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter unterlassen hat (Beschluss vom 5. August 1997 - BVerwG 1 B 144.97 - NJW-RR 1998, 784 <785>). Die Klägerin hat die nunmehr von ihr für notwendig erachtete Einholung einer Auskunft bzw. einer zeugenschaftlichen Vernehmung eines zuständigen Amtsträgers des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren weder in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2004 noch danach beantragt, vielmehr im Erörterungstermin am 17. April 2007, ohne Anträge zu stellen oder auch nur Anregungen zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung zu geben, auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

4 Eine weitere Sachverhaltsaufklärung musste sich dem Berufungsgericht auch nicht aufdrängen. Nach seinem insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt waren die Umstände, auf die sich die von der Klägerin vermissten weiteren Ermittlungen beziehen sollten, nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf nicht nur übergangsweise Einbeziehung privater Notärzte in den öffentlichen Rettungsdienst verneint, weil es für den Einsatz von Notarztfahrzeugen an einem genehmigten Bestand fehle, der vom Schutzbereich des Art. 31 Abs. 2 BayRDG erfasst sein könne. Die Genehmigungen seien sowohl nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz von 1990 als auch nach der Neufassung von 1998 lediglich für Krankenkraftwagen für die Notfallrettung mit einem Rettungsassistenten als Mindestbesetzung erteilt worden; dieser Genehmigungsumfang habe sich durch die eventuelle zusätzliche Besetzung mit einem Notarzt nicht geändert. Die Klägerin sei - so das Berufungsgericht weiter - nach den ihr erteilten rettungsdienstrechtlichen Genehmigungen auch nicht zum Einsatz privater Notärzte verpflichtet gewesen; vielmehr seien die Genehmigungen zunächst von der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Notarztdienst ausgegangen und hätten die Zusammenarbeit mit privaten Ärzten nur ersatzweise vorgesehen. Mangels zwingender Auflage könne nicht von der Genehmigung eines Notarztwagens ausgegangen werden.

5 Für das Berufungsgericht war hiernach entscheidend, dass der Einsatz privater Notärzte nicht vom Umfang der rettungsdienstrechtlichen Genehmigungen umfasst war, und zwar auch nicht in der - vom Berufungsgericht als ein Fall der Genehmigung verstandenen - Weise, dass die der Klägerin erteilten Genehmigungen den Einsatz privater Notärzte als zwingende Auflage vorgesehen hätten. Von diesem Rechtsstandpunkt aus kam es auf die mit der Aufklärungsrüge bezeichneten Aspekte nicht an. Dies gilt ohne Weiteres für die von der Klägerin vermisste Auskunft oder Zeugenvernehmung dazu, ob sich aus dem Rettungsdienstgesetz 1990 eine Verpflichtung zur Vorhaltung eigener Notärzte ergab oder eine solche Verpflichtung vom Bayerischen Staatsministerium des Inneren jedenfalls angenommen worden ist (Ziff. 1 Buchst. a und b der Beschwerdebegründung). Es versteht sich von selbst, dass Rechtsfragen wie die Auslegung des Rettungsdienstgesetzes 1990 keiner Ermittlung durch amtliche Auskünfte oder Zeugenvernehmungen zugänglich sind und ihre Beantwortung nicht davon abhängt, welche Rechtsansicht eine Behörde insoweit einnimmt. Die weiteren von der Klägerin bezeichneten Aspekte betreffen zwar Tatsachenfragen, nämlich das behauptete Vorliegen einer bestimmten Vollzugspraxis oder behördeninterner Vorgaben, aus denen sich eine Verpflichtung zur Vorhaltung eines eigenen Notarztdienstes ergeben soll (Ziff. 1 Buchst. c und d der Beschwerdebegründung). Sie waren jedoch nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat für die Annahme eines Bestandsschutzes darauf abgestellt, ob sich aus den Genehmigungsurkunden eine rechtliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines eigenen Rettungsdienstes ergab. Dies hat es verneint, weil die der Klägerin erteilten rettungsdienstrechtlichen Genehmigungen nach Ansicht des Berufungsgerichts keine dahingehende zwingende Auflage enthielten. Auf die mit der Beschwerde angesprochenen außerhalb der Genehmigungen liegenden Umstände, etwa eine bestimmte Verwaltungspraxis oder Verwaltungsvorschriften, kam es hiernach nicht an. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie sich aus einer von der Klägerin vermuteten Verwaltungspraxis oder aus Verwaltungsvorschriften, die in den konkreten Genehmigungen und Auflagen keinen Niederschlag gefunden haben, eine rechtliche Verpflichtung hätte ergeben können. Die Klägerin rügt lediglich, dass das Berufungsgericht sich auf eine Prüfung der Genehmigungen und Auflagen beschränkt und nicht die Verwaltungspraxis etc. in den Blick genommen habe, ohne auch nur ansatzweise aufzuzeigen, wie ihr gegenüber ohne entsprechenden Verwaltungsakt eine rechtliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines eigenen Notarztdienstes begründet worden sein könnte.

6 Soweit die Klägerin ferner geltend macht, das Berufungsgericht habe „völlig überraschend“ ohne weitere Aufklärung oder Hinweise das Berufungsurteil erlassen, ist damit weder der allein bezeichnete Aufklärungsmangel noch sonst ein Verfahrensfehler, etwa eine Gehörsverletzung, dargetan. Das Berufungsgericht hatte bereits in dem nach dem Scheitern einer vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits erlassenen Auflagenbeschluss vom 2. September 2004 deutlich gemacht, dass es seiner Ansicht nach auf den genauen Wortlaut der Genehmigungen ankommt. Nachdem die Genehmigungen dem Gericht vorlagen, hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem der Berichterstatter die vorläufige Rechtsmeinung des Senats erläutert und ausgeführt hat, dass danach eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich sei. Daraufhin haben die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet. Bei diesem Gang der Dinge kann es die Klägerin nicht ernsthaft überrascht haben, dass das Berufungsgericht sodann ohne weitere Ermittlungen zur Sache entschieden hat. Es durfte sie auch nicht überraschen, dass das Berufungsgericht, wie die Klägerin außerdem rügt, nicht ihrer Ansicht gefolgt ist, wonach sich aus einer von ihr vorgelegten Genehmigung nebst Auflagen „in umfassender Weise“ die Verpflichtung zur Vorhaltung eigener Notärzte ergebe. Die Klägerin hatte mit Schriftsatz vom 16. August 2005 einen Auflagenbescheid zu einer 1987 an sie ergangenen Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz vorgelegt und dazu ausgeführt, dass ihr nach den dortigen Anforderungen an die Zusammenarbeit mit privaten Ärzten rein faktisch nichts anderes übrig geblieben sei, als einen eigenen Notarztdienst zu organisieren. Auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis musste die Klägerin für möglich halten, dass das Berufungsgericht für die Frage der Reichweite des Bestandsschutzes aus Art. 31 BayRDG nicht auf faktische Zwänge abstellen würde und zudem nicht auf solche, die bereits aufgrund der nach dem Rettungsdienstgesetz 1990 ergangenen weiteren Genehmigungen nicht mehr bestanden haben.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.