Beschluss vom 20.06.2003 -
BVerwG 9 B 26.03ECLI:DE:BVerwG:2003:200603B9B26.03.0

Beschluss

BVerwG 9 B 26.03

  • Sächsisches OVG - 23.01.2003 - AZ: OVG 1 B 160/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Juni 2003
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Januar 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 268,43 € festgesetzt.

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor. Der Rechtssache kommt auch nicht die grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, die ihr von der Beschwerde beigemessen wird.
1. Eine Divergenzrüge erfordert, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26, S. 14). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.
Die Beschwerde rügt eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 1980 - 2 BvR 208/76 - BVerfGE 53, 366 ff.). In dieser Entscheidung habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Kirche als solche frei sei, wie und in welcher Rechtsform sie ihre eigenen Angelegenheiten wahrnehme. Auch privatrechtlich organisierte Vereine seien danach "Kirche" i.S. von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, wenn sie aufgrund inhaltlicher und organisatorischer Verbundenheit der Kirche so nahe stünden, dass sie den Auftrag der Kirche im Geiste christlicher Religion wahrnähmen. Zwar gestehe auch die Vorinstanz dem Kläger als privatrechtlich organisiertem diakonischen Trägerverein zu, der Kirche zuzugehören; sie meine aber, dem bei ihrer Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SächsVwKG nicht Rechnung tragen zu müssen, weil dies durch den Schutzzweck des Art. 137 Abs. 3 WRV nicht geboten sei. Damit setze sich die Vorinstanz in Widerspruch zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 1980, wonach das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen umfassend gewährleistet sei und durch Organisations- oder Definitionsentscheidungen des Staates nicht eingeengt werden dürfe.
Bei ihrem Versuch, auf diese Weise eine Divergenz aufzuzeigen, übersieht die Beschwerde, dass die von ihr angeführten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts lediglich die Frage betreffen, welche kirchlichen Einrichtungen Träger ("Objekte") des in Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts sind. Wie die Beschwerde selbst einräumt, stellt die Vorinstanz - unter Hinweis auf die vom Bundesverfassungsgericht insoweit entwickelten Maßstäbe (UA S. 9) - nicht in Abrede, dass der Kläger das kirchliche Selbstbestimmungsrecht für sich in Anspruch nehmen kann. Wenn die Vorinstanz dem Kläger die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SächsVwKG gewährte Gebührenfreiheit dennoch abspricht, beruht dies allein darauf, dass sie in der streitigen Gebührenerhebung keinen Eingriff in den durch Art. 137 Abs. 3 WRV geschützten Bereich sieht. Dies kommt in der Formulierung zum Ausdruck, die Garantie des Art. 137 Abs. 3 WRV umfasse "nicht das Recht, von allen Nachteilen einer Organisationsentscheidung verschont zu werden", und in der sich daran anschließenden Überlegung, dass möglicherweise etwas anderes gelte, "wenn die Nachteile derart gravierend wären, dass sie jeden Vorteil aufwögen und es der Kirche praktisch unmöglich gemacht würde, sich für die privatrechtliche Organisationsform einzelner Einrichtungen zu entscheiden" (UA S. 12). Ersichtlich greift die Vorinstanz damit Aussagen auf, die das Bundesverfassungsgericht zu der Frage gemacht hat, wie der durch Art. 137 Abs. 3 WRV geschützte Bereich einzugrenzen ist. In seinem Beschluss vom 25. März 1980 (a.a.O., S. 401) verweist das Bundesverfassungsgericht insoweit nämlich auf eine "Güterabwägung" zwischen der Kirchenfreiheit und dem Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Richtig ist, dass auch dabei dem Selbstverständnis der Kirchen, soweit es in dem durch Art. 4 GG geschützten Bereich wurzelt, ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Dass Fragen der Gebührenfreiheit Ausfluss des kirchlichen Selbstverständnisses mit der Folge sein könnten, dass der Staat die Kirchen insoweit ohne Verletzung des in Art. 137 Abs. 3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts nicht als Gebührenschuldner ansehen darf, ist nicht nahe liegend. So hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 4. Oktober 1965 - 1 BvR 498/62 - BVerfGE 19, 129 <135>) bereits entschieden, dass die Frage der Umsatzsteuerfreiheit nicht dem Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 WRV unterfällt. Für die Freistellung von einer Gebühr, die dem Grunde nach als Gegenleistung für eine staatliche Leistung erhoben wird, kann nichts anderes gelten.
2. Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
"ob das gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kirchen es gebietet, auch privatrechtlich organisierte diakonische Vereine als von der Zahlung von Verwaltungsgebühren ausgenommen anzusehen, wenn eine Vorschrift bestimmt, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften - soweit sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind - von der Zahlung von Verwaltungsgebühren befreit sind",
rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenso wenig. Sie ist auf der Grundlage der zuvor zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ohne weiteres zu verneinen. Das gilt zumindest dann, wenn nach den hier von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die für das Revisionsgericht bindend sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), die Gebührenerhebung sich für die betroffene Kirche nicht mittelbar als staatlicher Zwang auswirkt, die von ihr in Erfüllung ihres kirchlichen Auftrags gewählte Organisationsform zu ändern.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage gewinnt im Übrigen auch nicht unter dem Aspekt grundsätzliche Bedeutung, dass die Beschwerde möglicherweise in jeder Differenzierung, mit der eine staatliche Regelung an die seitens der Kirche gewählten Organisationsformen anknüpft, einen unzulässigen staatlichen Eingriff in das durch Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht sehen möchte. Für ein so formuliertes Diskriminierungsverbot gibt das Grundgesetz auch unter Berücksichtigung der sonstigen inkorporierten Kirchenartikel sowie des allgemein geltenden Gleichheitssatzes (vgl. Art. 3 GG) nichts her. So hat das Bundesverwaltungsgericht eine Einschränkung der Gebührenfreiheit auf die "typisch kirchlichen Bereiche im engeren Sinne" - nicht zuletzt unter dem Aspekt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts - als verfassungsrechtlich unbedenklich gewertet (vgl. Beschluss vom 10. Juni 1977 - BVerwG 7 B 153.75 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 5, S. 7). Ebenso gebilligt hat das Bundesverwaltungsgericht es, wenn eine privatrechtlichen Unternehmensträgern vorbehaltene Subvention einer Religionsgemeinschaft mit der Begründung versagt wird, sie habe die Stellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (vgl. Urteil vom 24. April 1987 - BVerwG 7 C 24.85 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 86 = NVwZ 1987, 678 f.). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander, so dass Gesichtspunkte, die einen weiteren Klärungsbedarf auslösen könnten, von ihr nicht aufgezeigt werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf
§ 13 Abs. 2, § 14 GKG.