Beschluss vom 20.04.2009 -
BVerwG 5 B 76.08ECLI:DE:BVerwG:2009:200409B5B76.08.0

Beschluss

BVerwG 5 B 76.08

  • VG Greifswald - 06.06.2008 - AZ: VG 5 A 605/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. April 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 6. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 1.1 Die Grundsatzrüge wird schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Eine solche Darlegung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Die Beschwerde formuliert weder ausdrücklich noch sinngemäß eine konkrete klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfrage mit einzelfallübergreifender Bedeutung. Sie beschränkt sich stattdessen auf die Behauptung, die Rechtssache sei von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Beschwerdebegründung Seite 1 und 4) und verhält sich mit ihrem weiteren Vorbringen ausschließlich zu den darüber hinaus geltend gemachten (vermeintlichen) Verfahrensmängeln.

4 1.2 Ungeachtet dessen ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf im Hinblick auf die Wahrung der Antragsfrist des § 5 Satz 1 DDR-EErfG auch nicht ansatzweise erkennbar. Die mit ihr verbundenen Fragen lassen sich, soweit sie sich hier stellen könnten, ohne Weiteres aus dem Gesetz und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung auch ohne Revisionsverfahren beantworten. Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 6 Satz 1 DDR-EErfG gelten die Verfahrensregelungen der §§ 30 ff. VermG für Anträge nach §§ 1 und 2
DDR-EErfG entsprechend. Für das Vermögensrecht hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass die Ausschlussfrist des § 30a VermG durch Eingang eines Rückgabeantrags bei einer (sachlich) unzuständigen Behörde nicht gewahrt wird. Denn § 30 Abs. 1 Satz 1 VermG schreibt ausdrücklich vor, dass Ansprüche bei der zuständigen Behörde geltend zu machen sind (vgl. Beschluss vom 25. März 1998 - BVerwG 7 B 36.98 - Buchholz 428 § 30a VermG Nr. 5). Daraus folgt, dass bei einer unzuständigen Behörde eingereichte Anträge vor Ablauf der Frist an die zuständige Behörde abgegeben werden und dort auch eingegangen sein müssen. Des Weiteren ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Versäumung der Ausschlussfrist des § 30a VermG ausnahmsweise unbeachtlich ist. Die Fristversäumung muss auf ein staatliches Fehlverhalten zurückzuführen sein und durch die Berücksichtigung der verspäteten Anmeldung darf der Zweck der Ausschlussfrist nicht verfehlt werden. Ein solcher Ausnahmefall kann bei einer Verletzung der Weiterleitungspflicht des § 35 Abs. 4 VermG zu bejahen sein, vorausgesetzt, es ist damit zu rechnen, dass der Antrag der zuständigen Behörde bei Weiterleitung im regulären Geschäftsablauf vor Fristablauf zugeht (vgl. Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - BVerwGE 101, 39 <45 f.> unter Bezugnahme auf Beschluss vom 27. November 1995 - BVerwG 7 B 290.95 -; vgl. zur Weiterleitungspflicht der unzuständigen Behörde im regulären Geschäftsablauf auch Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 8.08 -).

5 2. Auch ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, ist nicht ordnungsgemäß dargelegt und liegt auch in der Sache nicht vor.

6 2.1 Die Beschwerde macht einen Verfahrensfehler unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der richterliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend, indem sie rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht geprüft, ob dem „Landrat in W.“ ein Schreiben vom 15. Juni 2004 zugegangen sei (vgl. Beschwerdebegründung Seite 2). Ein Aufklärungsmangel ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Dies bedeutet, dass auf der Grundlage der materiellen Rechtsauffassung der Vorinstanz, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 <449>), substantiiert dargelegt wird, dass die Vorinstanz eine nach ihrer Auffassung entscheidungserhebliche Tatsache nicht hinreichend aufgeklärt hat, obwohl ein entsprechender Beweisantrag gestellt wurde oder sich dem Tatsachengericht die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung von Amts wegen aufdrängen musste. Dabei ist auch anzugeben, in welcher Weise die Vorinstanz hätte vorgehen müssen. Die Beschwerde wird diesen Anforderungen nicht gerecht, da sie ihrem diesbezüglichen Vorbringen nicht die materielle Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu Grunde legt.

7 Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die fristwahrende Stellung eines Antrags nach §§ 1 und 2 DDR-EErfG nur bei der für die Entscheidung über diesen Antrag örtlich und sachlich zuständigen Behörde möglich, wobei die Oberbürgermeisterin der Hansestadt W. keine zuständige Behörde in diesem Sinne ist. Ohne dass das Verwaltungsgericht dies ausdrücklich und klar formuliert, geht es bei verständiger Würdigung seiner weiteren Ausführungen davon aus, dass die Antragsfrist des § 5 Satz 1 DDR-EErfG im Falle einer Antragstellung bei einer unzuständigen Behörde nur gewahrt wird, wenn dieser Antrag bei Weiterleitung im regulären Geschäftsgang vor Ablauf der Frist bei der zuständigen Behörde eingeht oder gegebenenfalls dort (neu) gestellt wird. Des Weiteren geht es davon aus, dass bei einem - zu Gunsten der Klägerin anzunehmenden - Eingang des unter dem 15. Juni 2004 abgefassten Schreibens am 16. Juni 2004 nicht damit zu rechnen gewesen ist, dass dieser Antrag durch Weiterleitung im regulären Geschäftsgang noch bis zum Ablauf desselben Tages bei der zuständigen Behörde eingegangen wäre. Die Beschwerde legt - was nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts aber notwendig gewesen wäre - nicht dar, dass und inwiefern ein bei einer unzuständigen Stelle am letzten Tag der Antragsfrist eingegangener Antrag bei Weiterleitung im regulärem Geschäftsablauf noch am selben Tag bis 24:00 Uhr dem zuständigen Amt zur Regelung offener Vermögensfragen hätte zugehen sollen. Sie beschränkt sich stattdessen darauf auszuführen, dass der „Landrat in W.“ das Schreiben vom 15. Juni 2004 - wenn es ihm zugegangen wäre, wovon die Klägerin ausgehe - an das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen hätte weiterleiten müssen. Die unterbliebene Weiterleitung des Schreibens stelle sich daher als höhere Gewalt dar und sei ein gravierendes Versäumnis des „Landrats in W.“, sodass der Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist des § 5 Satz 1 DDR-EErfG zu gewähren sei. Diesen Ausführungen liegt die irrige und im Widerspruch zur Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts stehende Annahme zu Grunde, dass auch die Antragsstellung bei einer unzuständigen Behörde fristwahrend ist. Ein Aufklärungsmangel lässt sich damit nicht darlegen.

8 Ein solcher liegt auch in der Sache nicht vor. Denn nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts war die von der Beschwerde vermisste Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich.

9 2.2 Soweit die Beschwerde einen Verfahrensmangel daraus herleitet, dass der „Landrat in W.“ das an ihn gerichtete Schreiben vom 15. Juni 2004, welches spätestens am letzten Tag der Ausschlussfrist des § 5 Satz 1 DDR-EErfG bei ihm eingegangen sei, nach Eingang nicht (unverzüglich) an die zuständige Behörde weitergeleitet habe (vgl. Beschwerdebegründung Seite 2), wird kein Verstoß gegen das Prozessrecht, sondern ein Mangel des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht. Ein solcher Mangel kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensmangel grundsätzlich nicht gerügt werden. Eine Ausnahme ist jedoch zulässig, wenn sich ein Fehler des Verwaltungsverfahrens auf das gerichtliche Verfahren unmittelbar auswirkt (vgl. z.B. Beschlüsse vom 17. März 1994 - BVerwG 3 B 12.94 - Buchholz 316 § 26 VwVfG Nr. 1 S. 3 und vom 27. Juni 1994 - BVerwG 6 B 17.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 3 S. 2). Das ist weder dargetan noch ersichtlich.

10 2.3 Soweit die Beschwerde auch dahingehend verstanden werden sollte, dass das Verwaltungsgericht eine Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist des § 5 Satz 1 DDR-EErfG sowie eine Nachsichtgewährung verfahrensfehlerhaft abgelehnt habe, wird lediglich die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall beanstandet. Ein Verfahrensfehler ist damit nicht dargelegt.

11 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

12 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur Streitwertbemessung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.