Beschluss vom 20.04.2004 -
BVerwG 9 B 109.03ECLI:DE:BVerwG:2004:200404B9B109.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 20.04.2004 - 9 B 109.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:200404B9B109.03.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 109.03

  • Niedersächsisches OVG - 18.09.2003 - AZ: OVG 9 LB 92/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. April 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t ,
Prof. Dr. R u b e l und Dr. N o l t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 500,91 € (entspricht 6 847,19 DM) festgesetzt.

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift wirft die Beschwerde folgende Fragen auf:
"1. Berührt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 1 VwGO die Fälligkeit der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Forderung?
2. Sofern die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs die Fälligkeit der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachten Forderung berührt, kann diese Forderung dann verjähren?
3. Falls Fragen 1 und 2 zu verneinen sein sollten:
Ist § 231 AO (analog) auf Fälle anzuwenden, bei denen dem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukommt? Wenn ja, in welcher Form?"
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nämlich nur dann zu, wenn sich eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende, in verallgemeinerungsfähiger Weise klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage stellt. Daran fehlt es hier.
Die erste Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits in dem Sinne geklärt, dass die Fälligkeit einer durch Verwaltungsakt geltend gemachten Forderung durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen diesen Bescheid nicht wieder beseitigt wird (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1982 - BVerwG 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 <221>). Die Beschwerde verkennt dies nicht, sieht aber aufgrund jüngerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 31. August 1995 - VII R 58/94 - BFHE 178, 306) erneuten Klärungsbedarf. Das trifft jedoch nicht zu. Die angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs befasst sich nicht mit der Frage der Fälligkeit, sondern im Rahmen von § 69 FGO mit dem Vollziehungsbegriff, den er in der Weise (weit) auslegt, dass auch die Aufrechnung als Vollziehung eines Verwaltungsakts anzusehen ist. Insoweit unterscheidet sich dieses Urteil im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zwar von der bereits zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, in der die Aufrechnung nicht als Vollziehung eines Verwaltungsakts gewertet wurde. Diesem Umstand kommt für die Frage der Fälligkeit und mithin auch im vorliegenden Zusammenhang aber keine Entscheidungserheblichkeit zu. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof auch keine Veranlassung zu einer Anrufung des Gemeinsamen Senats nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes gesehen, zumal es dort um einen Fall der Aussetzung der Vollziehung ging, während in der erwähnten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und im vorliegenden Fall die Folgen der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO in Rede stehen.
Einen dennoch bestehenden Klärungsbedarf aufgrund der dargelegten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zeigt die Beschwerde nicht auf. Er ist auch nicht erkennbar. Denn mit dem weiten Vollzugsbegriff, wie er der erwähnten jüngeren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zugrunde liegt, soll der Adressat eines Verwaltungsakts in umfassender Weise davor geschützt werden, dass die Behörde von den Wirkungen des Verwaltungsakts Gebrauch macht. Dem widerspräche es, wenn - wie die Beschwerde meint - der Rechtsbehelf des Adressaten dazu führte, dass er sich nicht auf den für ihn vorteilhaften Eintritt der Verjährung berufen könnte. Eine besondere Schutzbedürftigkeit der Beklagten, die es rechtfertigen könnte, sie trotz ihrer mehrjährigen Untätigkeit im Widerspruchsverfahren vor dem Eintritt der Verjährung zu bewahren, und der sie gegebenenfalls durch eigenes verwaltungsverfahrensrechtliches Handeln nicht hinreichend Rechnung tragen könnte, legt die Beschwerde nicht dar.
Auf dieser Grundlage stellt sich die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage nicht.
Die dritte Frage betrifft eine Norm des irrevisiblen Landesrechts, dessen Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann. § 231 AO findet im vorliegenden Zusammenhang allein deswegen Anwendung, weil der Landesgesetzgeber zur Regelung der Verjährung in § 11 Abs. 1 Nr. 5 a NKAG u.a. auf diese Bestimmung der Abgabenordnung verwiesen hat. Aufgrund dieses Willensakts des Landesgesetzgebers und entgegen der Auffassung der Beschwerde unabhängig davon, ob es sich insoweit um eine "statische" oder "dynamische" Verweisung handelt, ist diese Regelung nicht als Bundesrecht, sondern als Landesrecht in den landesrechtlichen Bereich übernommen worden und somit irrevisibel (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2001 - BVerwG 11 C 9.00 - Buchholz 406.11 § 134 BauGB Nr. 8 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.