Beschluss vom 19.12.2007 -
BVerwG 4 BN 53.07ECLI:DE:BVerwG:2007:191207B4BN53.07.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 53.07

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 24.04.2007 - AZ: OVG 1 KN 1/06

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.

2 Die Antragstellerin rügt, das Normenkontrollgericht habe sich nicht mit ihrem Einwand auseinandergesetzt, dass die für ihr Seegrundstück im Teilgebiet 3.a. im angegriffenen Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl von 0,5 auch bei vollständiger Ausnutzung der auf ihrem Grundstück durch die seewärtige Baugrenze eingeschränkte überbaubare Grundstücksfläche nicht annähernd erreicht werden könne. Im Planaufstellungsverfahren und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Normenkontrollgericht habe sie geltend gemacht, dass die Grundflächenzahl von 0,5 auf ihrem Grundstück „durch eine willkürliche Einengung der Baugrenzen konterkariert“ werde. Sie habe sich deshalb nachdrücklich für eine seewärtige Verschiebung der (hinteren) Baugrenze eingesetzt. Ohne Einbeziehung der auf ihrem Grundstück festgesetzten privaten Grünflächen ergebe sich anhand der festgesetzten überbaubaren Fläche eine bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks von maximal 44 %. Unter Einbeziehung der privaten Grünflächen liege die bauliche Ausnutzbarkeit sogar nur bei 39 %. Die Nichterreichbarkeit der festgesetzten Grundflächenzahl sei ein für die von ihr beantragte Baugrenzenverschiebung sprechender abwägungsrelevanter Belang. Es sei nicht auszuschließen, dass das Normenkontrollgericht, hätte es diesen Belang bei seiner Entscheidung berücksichtigt, zu einem für sie günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

3 Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass das Normenkontrollgericht den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die rechtlichen Einwendungen, die die Antragstellerin vor dem Hintergrund der für ihr Grundstück festgesetzten Grundflächenzahl gegen die seewärtige Baugrenze erhoben hat, zur Kenntnis genommen. Es verweist im Tatbestand seines Urteils auf die Schreiben der Antragstellerin vom 21. April 2005 und 30. Mai 2005, auf welche die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde Bezug nimmt. Die Vorinstanz setzt sich ferner ausführlich mit dem Einwand der Antragstellerin auseinander, die Antragsgegnerin habe durch die Festsetzung der seewärtigen Baugrenze auf ihrem Grundstück den Grundsatz der Gleichbehandlung im Vergleich zu anderen am See gelegenen Flurstücken und das Gebot gerechter Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) verletzt. Das Normenkontrollurteil weist die Einwände der Antragstellerin wegen der ungünstigeren Erschließungssituation ihres Grundstücks und wegen der Gefahr des Entstehens einer „echten“ Hinterlandbebauung „in Richtung See“ zurück und kommt zu dem Ergebnis, ein Abwägungsfehler liege nicht vor. Zusammenfassend wird festgestellt: Wenn die Antragsgegnerin auch noch dem Bauwunsch der Antragstellerin entsprochen hätte, wäre die städtebauliche Konzeption, zum Schutz des Dorfsees und seiner Uferbereiche möglichst keine weitere bauliche Entwicklung zum See hin funktionslos, d.h. nicht mehr durchzuhalten gewesen.

4 Die Entscheidungsgründe machen deutlich, dass das Normenkontrollgericht das Kernanliegen der Antragstellerin, eine durch die festgesetzte Grundflächenzahl ermöglichte höhere bauliche Ausnutzbarkeit ihres Grundstücks durch die Verschiebung der seewärtigen Baugrenze zu erreichen, erfasst und eingehend erörtert hat. Der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe dabei außer Acht gelassen, dass die seewärtige Baugrenze die Antragstellerin daran hindere, die für ihr Grundstück festgesetzte Grundflächenzahl auszunutzen, wird den Entscheidungsgründen der Vorinstanz nicht gerecht. Bei verständiger Würdigung des Normenkontrollurteils liegt der Grund dafür, dass es sich so ausführlich mit dem Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe die seewärtige Verschiebung der Baugrenze abwägungsfehlerhaft abgelehnt, auseinandergesetzt hat, offensichtlich in dem Umstand, dass die festgesetzte Grundflächenzahl bei isolierter Betrachtung die von der Antragstellerin angestrebte höhere bauliche Ausnutzbarkeit ihres Grundstücks ermöglichen würde. Das Ergebnis des Normenkontrollgerichts, die seewärtige Baugrenze auf dem Grundstück der Antragstellerin sei ohne Abwägungsfehler festgesetzt worden, hat zwangsläufig zur Folge, dass die Grundflächenzahl nur in beschränktem Umfang ausgenutzt werden kann. Dem Normenkontrollgericht kann nicht unterstellt werden, es habe diesen rechtlichen Zusammenhang im Rahmen seiner Abwägungskontrolle außer Betracht gelassen.

5 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen Baugrenzen in einem Bebauungsplan nicht so festgesetzt werden, dass sie dem Grundeigentümer die volle Ausschöpfung der festgesetzten Grundflächenzahl ermöglichen. Da die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung (§ 16 Abs. 2 Nr. 1, § 19 Abs. 2 BauNVO) und die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen (§ 23 Abs. 1 BauNVO) unterschiedlichen städtebaulichen Zwecken dienen, besitzt jede dieser Festsetzungen einen eigenständigen Regelungsinhalt, der nur im Rahmen der jeweils anderen Festsetzung verwirklicht werden kann (vgl. Beschluss vom 29. Juli 1999 - BVerwG 4 BN 24.99 - Buchholz 406.12 § 23 BauNVO Nr. 3). Hiervon ist auch das Normenkontrollgericht ausgegangen. Es hat dies zwar nicht ausdrücklich klargestellt. Das rechtfertigt jedoch nicht die Schlussfolgerung, die Vorinstanz habe - wie von der Beschwerde gerügt - ihr Vorbringen zur beschränkten Ausnutzbarkeit der festgesetzten Grundflächenzahl nicht zur Kenntnis genommen und in die Abwägungskontrolle einbezogen.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.