Beschluss vom 19.04.2005 -
BVerwG 8 B 19.05ECLI:DE:BVerwG:2005:190405B8B19.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.04.2005 - 8 B 19.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:190405B8B19.05.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 19.05

  • VG Potsdam - 17.11.2004 - AZ: VG 6 K 2301/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. April 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 17. November 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 260 758,86 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Sache kommt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu, noch weicht die angefochtene Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Auch die gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Die von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gehaltene Frage,
ob bei der Klärung des Vorliegens einer drohenden Überschuldung der Einheitswert berücksichtigt werden kann, wenn durch eine Partei ein Sachverständigengutachten vorgelegt wird, in welchem der Zeit- und Beleihungswert konkret ermittelt wurde,
ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach wird, wenn nicht v o r dem Eigentumsverzicht die konkrete Beleihungsgrenze des Grundstücks in Erfahrung gebracht worden ist, die Prüfung der Überschuldung erleichtert, wenn der notwendige Reparaturaufwand schon bei überschlägiger Betrachtung deutlich vom Betrag des Einheitswerts abzüglich schon bestehender Verbindlichkeiten abweicht (stRspr seit Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - BVerwGE 98, 87 <98>). Auf die konkrete Grundstückswertberechnung nach dem Mittelwertverfahren muss nur zurückgegriffen werden, wenn der Einheitswert nicht angegeben ist (Beschluss vom 19. Januar 2000 - BVerwG 8 B 349.99 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 5 S. 13). Auf diese Rechtsprechung hat sich das Verwaltungsgericht gestützt und ergänzend ausgeführt, dass Gutachten aus den Jahren 1993 oder 1997 nicht geeignet seien, glaubwürdige Aussagen über den Zustand eines Hauses im Jahr 1974 zu treffen, zumal wenn der Gutachter den Zustand des Gebäudes im maßgeblichen Zeitpunkt nicht aus eigener Anschauung kennt. Anhaltspunkte dafür, dass der bauliche Zustand des streitgegenständlichen Grundstücks derart schlecht war, dass der Zeitwert wesentlich unter dem Einheitswert lag (vgl. dazu Urteil vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - a.a.O. S. 99), hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Durchgreifende Verfahrensrügen dagegen trägt die Beschwerde nicht vor.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, denn die Beschwerde zeigt keinen abstrakten Rechtssatz auf, mit dem das Verwaltungsgericht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 1995 - BVerwG 7 C 39.93 - abgewichen wäre. Vielmehr rügt sie nur, dass das Verwaltungsgericht die Grundsätze dieser Entscheidung nicht angewendet habe. In einer vermeintlich fehlerhaften Rechtsanwendung liegt aber keine Divergenz.
3. Auch ein Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wird nicht dargetan. Die Verfahrensrüge einer mangelhaften Aufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) setzt voraus, dass von der Beschwerde dargelegt wird, welche Beweise angetreten worden sind, oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Ausweislich der Niederschriften über die beiden mündlichen Verhandlungen sind seitens der bereits in der ersten Instanz anwaltlich vertretenen Kläger keine Beweisanträge gestellt worden. Dies hätten sie aber tun müssen, wenn nach ihrer Rechtsauffassung die unter Beweis gestellten Tatsachen entscheidungserheblich waren. Das Verwaltungsgericht brauchte die schriftsätzlich angebotenen Beweise nicht von Amts wegen zu erheben, weil es nach seiner - für seine Aufklärungspflicht allein maßgeblichen - Rechtsauffassung auf die Fragen nicht ankam. Denn es hat das klägerische Vorbringen, dass eine umfängliche Dachreparatur notwendig gewesen sei, zugrunde gelegt und diese aufgrund der Aussage des vernommenen Zeugen K. mit Kosten in Höhe von ca. 5. 000 bis 6. 000 M berücksichtigt.
Warum die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass es auf die TGL-gerechte Ausführung der Leistungen nicht ankomme, weil die TGL-Richtlinien nur bei einem Neubau oder bei einer vollständigen Beseitigung des betreffenden Gewerkes zur Anwendung gekommen seien, nach Ansicht der Beschwerde ein aus Gründen der Logik unmöglicher Schluss sein sollen, der gegen die Denkgesetze verstoße, ist nicht nachvollziehbar. Eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs ist darin nicht zu sehen, denn das Verwaltungsgericht hat den Vortrag der Kläger zu der TGL-gerechten Ausführung der Maßnahmen zur Kenntnis genommen, aber nicht für entscheidungserheblich gehalten.
Wenn die Kläger die vom Zeugen benannte Höhe der notwendigen Dachinstandsetzungskosten für fehlerhaft hielten, hätten sie diese in Zweifel ziehen und einen entsprechenden Beweisantrag stellen müssen. Es stellt keinen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht dar, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung die Aussage eines in Gegenwart aller Beteiligten vernommenen Zeugen zugrundelegt, die von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wurde.
Der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen § 108 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17. November 2004 wurden die Richtlinien für die Regulierung von Schäden an Gebäuden und baulichen Anlagen der Staatlichen Versicherung der Deutschen Demokratischen Republik, Ausgabe 1980, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten erörtert und sie erhielten Gelegenheit, ihre Anträge abschließend zu begründen. Dabei konnten sie sich auch zu den Richtlinien äußern. § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht nicht, die von ihm aus den vorgelegten Tatsachen zu ziehenden Schlussfolgerungen darzulegen, um sie von den Beteiligten erörtern zu lassen.
Auch die Ausführungen des angefochtenen Urteils, dass nach dem klägerischen Schreiben vom 24. Juli 1994 der sich aus den Problemen mit der Verwaltung des Hauses ergebende psychische Druck sowie die Angst, eines Tages mit dem eigenen Arbeitseinkommen haften zu müssen, vornehmlicher Grund für den Verzicht auf das Eigentum waren und nicht die drohende Überschuldung, verstoßen nicht gegen die Denkgesetze. Ein Tatsachengericht hat nämlich nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung der Beschwerdeführer unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 147.86 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>, Beschlüsse vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 <32 f.> und vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 S. 3 <4 f.>). Nach dem Sachverhalt darf denkgesetzlich ausschließlich eine einzige Folgerung möglich sein, die das Gericht aber nicht gezogen hat. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus dem klägerischen Schreiben gerade, dass vornehmlicher Grund für den Eigentumsverzicht praktische Probleme der Verwaltung des Hauses waren.
Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge des Verstoßes gegen die Begründungspflicht. Das Verwaltungsgericht hat unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt, dass als Beleihungswert 80 % des Einheitswertes zuzüglich eines Hauszinssteuerabgeltungsbetrages zugrunde zu legen ist. Auf die von den Klägern angestellten Berechnungen kam es für seine Entscheidung deshalb nicht an, so dass es sich auch nicht im Einzelnen mit ihnen auseinander setzen musste.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.