Beschluss vom 19.03.2003 -
BVerwG 1 B 134.02ECLI:DE:BVerwG:2003:190303B1B134.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.03.2003 - 1 B 134.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:190303B1B134.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 134.02

  • Hamburgisches OVG - 18.01.2002 - AZ: OVG 1 Bf 21/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2003
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M a l l m a n n , die Richterin am Bundesverwaltungs-
gericht B e c k und den Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2002 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Der Kläger rügt im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zurück.
Das Berufungsgericht hätte, wie die Beschwerde der Sache nach zu Recht beanstandet, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen hinsichtlich des Iran nach § 53 AuslG nicht verneinen dürfen, ohne zuvor den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufgeklärt zu haben. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass es im Iran kein Verbot der Doppelbestrafung gibt und für den Besitz von mehr als 30 g Heroin - eine Menge, die der Kläger bei seiner Straftat weit übertroffen hat - die Todesstrafe verhängt werden kann (UA S. 10 f.). Es ist weiter davon ausgegangen, dass das gegen den Kläger durchgeführte Strafverfahren und die Tatsache seiner Verurteilung wegen Rauschgiftdelikten (Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten) dem iranischen Generalkonsulat bekannt geworden sein dürfte (UA S. 12) und dass der Kläger bei einer der ihm vorgeworfenen Taten Heroin aus dem Iran in die Bundesrepublik eingeschmuggelt hat (UA S. 13). Nach dem vom Berufungsgericht herangezogenen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18. April 2001 (S. 26) sind zwar konkrete Fälle der Doppelbestrafung von in den Iran abgeschobenen Personen bisher nicht bekannt geworden. Anders könnte sich nach den Ausführungen des Auswärtigen Amtes die Sachlage indes darstellen, wenn die iranischen Behörden Kenntnis von der Straftat erlangten. Auch dann sei eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der erneuten Verfolgung nach bisheriger Erfahrung allenfalls bei Fällen gegeben, die aus iranischer Sicht von besonderer Bedeutung seien, so z.B. wenn der Iran als Transitland bei Drogenschmuggel benutzt worden sei. Angesichts dieser Auskunftslage hätte sich dem Berufungsgericht - zusätzlich auch im Hinblick auf den Umstand dass es sich bei dem Kläger nach seinen nicht in Zweifel gezogenen Angaben um einen früher im Iran bekannten Spitzensportler handelt - aufdrängen müssen, die nach seinem Standpunkt erhebliche Frage, ob der Kläger im Iran aufgrund der besonderen Umstände seines Falles eine erneute Bestrafung wegen seiner Rauschgiftdelikte - und damit möglicherweise die Todesstrafe zu befürchten hat, durch die Einholung einer ergänzenden, einzelfallbezogenen Auskunft des Auswärtigen Amtes und/oder einer sonstigen sachverständigen Stellungnahme näher aufzuklären.
Erst auf der Grundlage einer abschließenden Ermittlung und tatrichterlichen Einschätzung des Risikos einer Doppelbestrafung und Verhängung der Todesstrafe im Iran lässt sich die vom Berufungsgericht auf zu schmaler Tatsachengrundlage geprüfte Frage beantworten, ob dem Kläger Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG zusteht.