Beschluss vom 18.12.2002 -
BVerwG 1 DB 16.02ECLI:DE:BVerwG:2002:181202B1DB16.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 DB 16.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:181202B1DB16.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 DB 16.02

In dem Beschwerdeverfahren hat der 1. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Dezember 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
M a y e r und Dr. H. M ü l l e r
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des Bundesdisziplinargerichts, Kammer I – ... -, vom 10. Juli 2002 und der Feststellungsbescheid des Leiters der Dienststelle ... des Bundeseisenbahnvermögens vom 11. Juli 2001 aufgehoben.
  2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Antragsteller hierin erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Antragsgegnerin auferlegt.

I


Das Bundesdisziplinargericht hat durch Beschluss vom 10. Juli 2002 den Feststellungsbescheid des Leiters der Dienststelle ... des Bundeseisenbahnvermögens vom 11. Juli 2001, mit dem der Verlust der Dienstbezüge des Antragstellers ab dem 5. Juni 2001 festgestellt worden war, bis zum 30. Juli 2001 im Wesentlichen mit der Begründung aufrechterhalten, der Antragsteller hätte bis zu diesem Zeitpunkt eine vorgesehene Beschäftigung als Teamleiter eines Instandsetzungstrupps mit handwerklichen Tätigkeiten bei der Firma S. ausführen können. Nach der Beurteilung des Oberbahnarztes Dr. R. habe sich das Krankheitsbild des Antragstellers erst ab dem 30. Juli 2001 so verändert, dass eine die Zurruhesetzung rechtfertigende Dienstunfähigkeit - der Antragsteller befindet sich seit dem ... im Vorruhestand - eingetreten sei.
Mit seiner gegen diesen Beschluss rechtzeitig eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, das im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand vorliegende Krankheitsbild habe bereits im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegen. Dies ergebe sich auch aus einem Kostenbeschluss des VG ... vom 3. Dezember 2001, wonach der Krankheitszustand bereits im Mai 2001 bestanden habe. Allenfalls habe Dienstfähigkeit nur für eine amtsangemessene Beschäftigung bestanden. Ihm sei jedoch eine vorübergehende Aushilfstätigkeit angeboten worden, die sich darin erschöpft habe, Reinigungs- und Instandhaltungsmaßnahmen am Bahnhofsgelände ... wie Heckenschneiden usw. auszuführen. Die Erledigung qualifizierter Handwerkerarbeiten, eventuell in der Position eines Teamleiters, sei zu keinem Zeitpunkt vorgesehen gewesen.

II


Die gemäß § 85 Abs. 5 BDG, § 121 Abs. 5 BDO zulässige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des zugrunde liegenden Feststellungsbescheids.
Nach § 9 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) verliert ein Beamter, der ohne Genehmigung dem Dienst schuldhaft fernbleibt, für die Zeit des Fernbleibens seine Dienstbezüge. Der Verlust der Dienstbezüge ist nach § 9 Satz 3 BBesG festzustellen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Antragsteller ab dem 5. Juni 2001 für die vorgesehene Tätigkeit in der Bahnunterhaltung dienstfähig war. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der vom Oberbahnarzt Dr. R. zur Beurteilung der Dienstfähigkeit des Antragstellers hinzugezogene Neurologe und Psychiater Dr. Ra. hat mit Schreiben vom 4. August 2001 an den Oberbahnarzt ausgeführt, die Dienstunfähigkeit des Antragstellers resultiere aus der unbefriedigenden beruflichen Situation, insbesondere aus der Tatsache, dass kein geeigneter Arbeitsplatz habe zugewiesen werden können. Falls ein solcher vorhanden sei, sollte ein Arbeitsversuch unternommen werden. Sollte kein ausbildungsgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, empfehle er aufgrund der sich darstellenden Persönlichkeitsstörung mit deutlichen Zeichen der Psychopathie eine Versetzung in den Ruhestand.
Demgegenüber hat Oberbahnarzt Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 6. November 2001 an das Bundesdisziplinargericht ausgeführt, der zuständige Vermittler bei der DB Arbeit GmbH ... habe ihm gegenüber geäußert, dass es sich bei dem vorgesehenen Arbeitsplatz des Antragstellers nicht um Putz- oder Aufräumarbeiten, sondern um qualifizierte Handwerkertätigkeiten für einen elektrotechnisch vorgebildeten Handwerker handele. Die vorgesehene Tätigkeit als Handwerker bzw. sogar als Teamleiter eines damit befassten Instandhaltungstrupps hätte dem angestrebten qualifizierten Arbeitsplatz entsprochen. Erst am 30. Juli 2001 sei deutlich geworden, dass sich die innere Abwehrhaltung des Antragstellers soweit verfestigt gehabt habe, dass er keine Umstellungsfähigkeit mehr aufgebracht habe, um wieder ins Berufsleben integriert werden zu können. Zuvor, in seinem Zurruhesetzungsgutachten vom 13. August 2001 hatte der Oberbahnarzt Dr. R. bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit des Antragstellers dagegen nicht auf die Geeignetheit des angebotenen Arbeitsplatzes abgestellt. Unter Bezugnahme auf das Gutachten Dr. Ra. vom 4. August 2001 führt er lediglich aus, bei dem Antragsteller handele es sich um eine sensitive, paranoide Persönlichkeit mit depressiver Störung. Die Behandlungsaussichten müssten als ungünstig eingeschätzt werden, da derartige Persönlichkeitsstörungen therapeutisch nur schwer anzugehen seien. Auch von einem stationären Rehabilitationsverfahren könne insoweit keine Besserung erwartet werden. Der nervenärztliche Gutachter gehe davon aus, dass der Antragsteller die an ihn gerichteten Ansprüche nicht mehr erfüllen könne. Durch Fehlinterpretation von Zusammenhängen sei er nicht mehr in der Lage, äußere Fakten objektiv zu beurteilen, wobei er sich in einem vergeblichen inneren Kampf gegen vorgesetzte Instanzen aufzureiben scheine. Unterstützt werde dieses Verhalten durch eine allgemeine Rigidität und Unflexibilität. Dies alles stellt die Ausführungen in der Stellungnahme vom 6. November 2001 in Frage.
Der Senat kann auch unter Berücksichtigung weiter zurückliegender Vorgänge nicht ausschließen, dass diese zur Zurruhesetzung führenden Symptome bereits am 5. Juni 2001, also nur zwei Monate vor der Begutachtung durch Dr. Ra. vorgelegen haben. Der Antragsteller befand sich in einer ständigen Auseinandersetzung mit seinem Dienstherrn um einen dauerhaften ausbildungsgerechten Arbeitsplatz. Dieser "aufreibende Kampf" hatte bereits zu diesem früheren Zeitpunkt vorgelegen. Zudem ist der Senat, anders als der Oberbahnarzt bei dessen Beurteilung vom 6. November 2001 nicht davon überzeugt, dass dem Antragsteller in einer für ihn erkennbaren Weise eine dauerhafte qualifizierte Handwerkertätigkeit, sogar als Teamleiter eines derartige Tätigkeiten ausübenden Instandsetzungstrupps, angeboten worden ist. Dass ein derartiges Angebot dem Beamten gegenüber ausdrücklich gemacht worden wäre, ist aus den vorgelegten Verfahrensakten nicht ersichtlich. Sie enthalten dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Mit Schreiben vom 28. Mai 2001 teilte die DB Arbeit GmbH dem Antragsteller lediglich mit, bei der ... Service Gesellschaft sei im Raum ... befristet eine Beschäftigungsstelle in der Bahnhofsunterhaltung frei, die mit ihm besetzt werden solle. Was unter "Bahnhofsunterhaltung" näher zu verstehen ist, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Mit weiterem Schreiben vom 6. Juni 2001 wurde dem Antragsteller vorgehalten, er habe die vorgesehene Beschäftigung am 5. Juni 2001 in einem der Bahnhofsinstandhaltungsteams bei der ... Service Gesellschaft im Raum ... nicht aufgenommen. Welche Tätigkeiten diesen "Bahnhofsinstandhaltungsteams" regelmäßig oblagen und innerhalb eines solchen Teams dem Antragsteller zugefallen wären, lässt sich auch diesem Schreiben nicht entnehmen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2001 teilte die DB Arbeit GmbH dem Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle ..., schließlich auch nur mit, der Antragsteller sei mit Schreiben vom 28. Mai 2001 aufgefordert worden, eine handwerkliche Tätigkeit in der Bahnhofsunterhaltung aufzunehmen. Diese Tätigkeit sei als amtsangemessen zu betrachten. Dabei handelt es sich um eine rein wertende Äußerung. Die nähere Art der Tätigkeit des Antragstellers wird auch in diesem Schreiben nicht erläutert.
In einem Schreiben an das Bundesdisziplinargericht vom 20. November 2001 behauptete das Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle ..., zwar, und zwar dies offensichtlich unter Übernahme der Angaben des Oberbahnarztes Dr. R. in dessen Schreiben vom 6. November 2001, dem Antragsteller sei die Funktion als Teamleiter eines Instandsetzungstrupps mit handwerklichen Tätigkeiten angeboten worden. Noch im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 11. Juni 2001 an die unmittelbar mit der Vergabe der Arbeiten befasste DB Arbeit GmbH wurde aber ausgeführt, nach deren Auskunft handele es sich bei der angebotenen Stelle um die Ausübung von Maler-Verputzerarbeiten, Rasen- und Heckenschneiden, also nicht um eine amtsangemessene Beschäftigung. Im zeitnahen und ausführlichen Antwortschreiben der DB Arbeit GmbH vom 18. Juni 2001 wurde dieser so dargetane Sachverhalt seinerzeit auch noch nicht bestritten. Nach allem ist dem Antragsteller gegenüber bis zu diesem Zeitpunkt nicht in konkretisierter Weise eine qualifizierte Arbeit angeboten worden. Das Gegenteil wird nur in den zitierten Schreiben der Behörden untereinander behauptet, die dem Antragsteller nicht zugänglich waren. Nach Lage der Dinge, insbesondere nach der Art der Erkrankung kommt es hier aber allein auf die für den Antrag erkennbaren Umstände an. Nur sie konnten auf seine psychische Verfassung positiv oder negativ einwirken. Zwar berechtigt das Angebot einer unterwertigen Beschäftigung grundsätzlich nicht zum Fernbleiben vom Dienst (vgl. Beschluss vom 11. Dezember 2001 - BVerwG 1 DB 27.01 -); hiergegen muss sich ein Beamter vielmehr mit Rechtsmitteln wehren (Urteil vom 10. Juni 1998 - BVerwG 1 D 39.96 - Buchholz 235 § 80 BDO Nr. 1). Vorliegend führte jedoch das Angebot einer unterwertigen Beschäftigung, wie durch Dr. Ra. ärztlich bestätigt, aufgrund zusätzlicher Symptome zur Dienstunfähigkeit. Auch Dr. Ra. kommt zu dem Ergebnis, die Dienstunfähigkeit des Antragstellers resultiere insbesondere daraus, dass ihm kein geeigneter Arbeitsplatz habe zugewiesen werden können. So stellte es sich während des in Rede stehenden Zeitraums jedenfalls aus der Sicht des Beamten durchgehend dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 f. BDO.