Beschluss vom 18.06.2004 -
BVerwG 1 B 287.03ECLI:DE:BVerwG:2004:180604B1B287.03.0

Beschluss

BVerwG 1 B 287.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 23.09.2003 - AZ: OVG 8 A 2055/00.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juni 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. September 2003 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde ist unzulässig. In der Beschwerdebegründung wird keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt.
Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen R e c h t s frage voraus. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie sieht die Frage als grundsätzlich bedeutsam an, ob in einem Asylfolgeverfahren, in dem eine neue, nach negativem Abschluss des Erstverfahrens erlittene politische Verfolgung geltend gemacht wird, auch die "im Erstverfahren vorgetragenen Gründe trotz Rechtskraft des ablehnenden Erstbescheides nochmals zu überprüfen und vom Asylsuchenden glaubhaft zu machen" sind, "wenn zwischen den im Erst- und im Zweitverfahren vorgetragenen Gründen ein Zusammenhang besteht" (Beschwerdebegründung Seite 1, Ziffer I). Die Beschwerde zeigt schon nicht schlüssig auf, dass sich die aufgeworfene Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen würde. Sie legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil das Erfordernis einer solchen erneuten Überprüfung und Glaubhaftmachung der im Erstverfahren vorgetragenen Gründe aufstellt. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem von der Beschwerde herangezogenen Umstand, dass das Berufungsgericht seiner Tatsachen- und Beweiswürdigung eine Gesamtsicht der Angaben des Klägers zugrunde gelegt hat und in diesem Rahmen auch Vorbringen des Klägers im Erstverfahren in die Gesamtwürdigung einbezogen hat (Beschwerdebegründung S. 4 f.). Die Beschwerde missversteht die einleitenden Erwägungen des Berufungsgerichts (UA S. 23), die sich lediglich - wie die weiteren, hierauf nicht zurückkommenden Ausführungen im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung ergeben (UA S. 26 ff.) - auf die tatrichterliche Feststellung und Würdigung des mit dem Folgeantrag geltend gemachten Verfolgungssachverhalts beziehen. Inwieweit hierzu ein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf zu welchen materiellrechtlichen oder prozessualen Vorschriften bestehen soll, zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit sie aus der Rechtskraft der ersten ablehnenden Asylentscheidung ein Verbot der tatrichterlichen Würdigung des Asylfolgevorbringens unter Einbeziehung der Erkenntnisse des Erstverfahrens ableiten will, verkennt sie Art und Umfang der Rechtskraftwirkungen; auch insoweit ist eine nur in einem Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage nicht dargelegt oder ersichtlich.
Auch die erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend bezeichnet. Dazu ist erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte - aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Zur Darlegung ihrer Abweichungsrüge bezieht sich die Beschwerde (vgl. Beschwerdebegründung S. 5, Ziffer II) wiederum auf folgende Passage in den Gründen der angefochtenen Entscheidung (UA S. 23):
"Besteht zwischen dem neuen Vortrag des Asylbewerbers im Folgeantragsverfahren und dem früheren, welcher im Erstverfahren als unglaubhaft gewertet wurde, ein sachlogischer Zusammenhang, kann allerdings von einer glaubhaften und substantiierten Schilderung erneuter Verfolgung nur die Rede sein, wenn detailliert dargelegt wird, dass und weshalb der Vortrag im Erstverfahren doch zutreffend war."
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich schon nicht, dass mit der in Bezug genommenen Urteilspassage ein Rechtssatz aufgestellt worden ist. Vielmehr spricht viel dafür, dass das Berufungsgericht hiermit nur den Rahmen für seine folgende Tatsachen- und Beweiswürdigung abgesteckt hat. Jedenfalls fehlt es an einer schlüssigen Darlegung, dass die in Bezug genommene Urteilspassage in Widerspruch zu einem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz steht. Die Beschwerde bezieht sich insoweit zunächst auf einen vom Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 5. August 1987 (BVerwG 9 B 318.86 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 6) aufgestellten Rechtssatz, dass ein Asylfolgeantrag nur hinsichtlich derjenigen Verfolgungsgründe einer erneuten Sachprüfung zugänglich ist, für die in zulässiger Weise ein Grund zum Wiederaufgreifen des Verfahrens geltend gemacht worden ist. Es wird aus dem Beschwerdevorbringen aber nicht ersichtlich, worin insoweit ein Widerspruch bestehen soll. Die Ausführungen des Berufungsgerichts beziehen sich nicht auf eine erneute Sachprüfung der Verfolgungsgründe des Erstverfahrens. Vielmehr äußern sie sich nur zur Heranziehung des Vortrags des Asylbewerbers im Erstverfahren und der tatrichterlichen Bewertung eines damit in Zusammenhang stehenden Vorbringens im Folgeverfahren. Eine erneute Überprüfung der geltend gemachten Verfolgungsgründe im rechtskräftig abgeschlossenen Erstverfahren ist nicht Inhalt der in Bezug genommenen Ausführungen im Berufungsurteil. Entsprechendes gilt für den behaupteten Widerspruch zu dem vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 30. August 1988 (BVerwG 9 C 47.87 - Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG Nr. 8) aufgestellten Rechtssatz, dass die Gerichte nicht befugt sind, andere als vom Antragsteller geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrages zugrunde zu legen. Ein ausdrücklicher Widerspruch scheidet hier schon deshalb aus, weil - wie die Beschwerde selbst vorträgt (S. 5) - das Berufungsgericht das herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts selbst seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (UA S. 23). Aber auch der Sache nach zeigt die Beschwerde einen Widerspruch nicht auf. Die in Bezug genommene Urteilspassage des Berufungsgerichts befasst sich gar nicht mit der Heranziehung von Gründen des Erstverfahrens zur Begründung für ein Wiederaufgreifen in einem Folgeverfahren, sondern bezieht sich auf die Tatsachen- und Beweiswürdigung im Folgeverfahren ohne jedweden Bezug zu den Wiederaufgreifensgründen.
Soweit die Beschwerde die Revisionszulassung "zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes und des Asylrechts" (Beschwerdebegründung S. 1, Grund Nr. 3) anstrebt, fehlt es an der Darlegung eines gesetzlichen Revisionsgrundes im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO. Auf Einwände gegen die Urteilsgründe "zur Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens" und deren Vereinbarkeit mit der "herausragenden Bedeutung des Asylgrundrechtes" (Beschwerdebegründung S. 6 ff.), die als Einwände gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung dem materiellen Recht zuzurechnen sind, lässt sich eine Revisionszulassung nicht stützen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.