Beschluss vom 18.05.2016 -
BVerwG 4 BN 7.16ECLI:DE:BVerwG:2016:180516B4BN7.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.05.2016 - 4 BN 7.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:180516B4BN7.16.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 7.16

  • VGH München - 26.11.2015 - AZ: VGH 9 N 12.2592

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. November 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Ob die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen genügt, mag offen bleiben. Die Beschwerde bleibt jedenfalls in der Sache erfolglos.

3 Nach dem Verständnis des Senats möchte die Beschwerde der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung beimessen,
ob § 1 Abs. 7 i.V.m. Abs. 8 BauGB es gebietet, bei der teilweisen Aufhebung eines Bebauungsplans, in deren Folge ein Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, aber nicht in einem faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB liegt, die unterschiedlichen dogmatischen Voraussetzungen und die Reichweite eines verlustig gehenden allgemeinen und besonderen Gebietsbewahrungsanspruchs einerseits, des gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verbleibenden Rücksichtnahmegebots andererseits in die Abwägung einzustellen und zu bewerten.

4 Die Frage ist, soweit sie rechtsgrundsätzlicher Klärung zugänglich ist, bereits geklärt. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 <308 f.>, vom 5. Juli 1974 - 4 C 50.72 - BVerwGE 45, 309 <314 f.> und vom 5. Mai 2015 - 4 CN 4.14 - ZfBR 2015, 689 Rn. 14). Bei einer Änderungsplanung darf die Gemeinde die durch die Erstplanung vorgegebene rechtliche Situation der überplanten Grundstücke nicht ignorieren und muss deshalb das Interesse des Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes in die Abwägung einstellen (BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 4 BN 20.06 - BRS 70 Nr. 18 = juris Rn. 10). Diese Anforderungen gelten nach § 1 Abs. 8 BauGB auch für die teilweise Aufhebung eines Bebauungsplans. Hiervon ausgehend hat der Verwaltungsgerichtshof die Abwägungsentscheidung gebilligt, in die der Antragsgegner auch den Gebietsbewahrungsanspruch der Antragsteller eingestellt hat (UA Rn. 37).

5 Weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Die „unterschiedlichen dogmatischen Voraussetzungen“ einzelner Ansprüche sind ersichtlich nicht in die Abwägung einzustellen, weil § 1 Abs. 7 BauGB die Abwägung von öffentlichen und privaten Belangen verlangt. Soweit die Beschwerde der Sache nach eine detailliertere Betrachtung der betroffenen Rechtspositionen fordert, führt auch dies nicht auf einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf. Das Abwägungsgebot bestimmt weder, welche der in § 1 Abs. 6 BauGB aufgeführten oder sonstigen Belange bei der Planung zu berücksichtigen sind, noch mit welchem Gewicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <331>). Welches Gewicht dem Bewahrungsinteresse an der bisherigen Situation zukommt, hängt daher maßgeblich von der konkreten Planungssituation ab und entzieht sich ebenso einer rechtsgrundsätzlichen Klärung wie die Frage, welche Anforderungen insoweit an die Abwägungsentscheidung sowie die Ermittlung der einzelnen Belange zu stellen sind.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.