Beschluss vom 18.05.2007 -
BVerwG 5 B 83.07ECLI:DE:BVerwG:2007:180507B5B83.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.05.2007 - 5 B 83.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:180507B5B83.07.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 83.07

  • Hessischer VGH - 12.12.2006 - AZ: VGH 10 UE 2000/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist erfolglos. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Revisionszulassung nicht. Das Beschwerdevorbringen verkennt sowohl im Hinblick auf den geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) als auch im Hinblick auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), dass der entscheidungstragende rechtliche Ansatz der Berufungsentscheidung im Einklang steht mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 2006 - BVerwG 5 C 13.05 - (BVerwGE 126, 295), auf das sich der Verwaltungsgerichtshof bezogen hat und mit dem sich die Beschwerdebegründung nicht auseinandersetzt.

2 1. Im Urteil vom 4. August 2006 hat der Senat zu einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage dargelegt:
„Aus § 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BSHG F. 1994 und § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG F. 1999 folgt nicht nur, dass das Gesetz den Fall der Sozialhilfegewährung in einer Einrichtung, mit der i.S.v. § 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BSHG F. 1994 und § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG F. 1999 keine Vereinbarung abgeschlossen ist, als Ausnahme versteht, sondern auch, dass ein sog. ‚anderer Fall’ i.S.d. § 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BSHG F. 1994 und ein Nichtabschluss einer Vereinbarung i.S.v. § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG F. 1999 vorbehaltlich der Folgen einer Vereinbarungskündigung (§ 93c BSHG F. 1999) nur gegeben sind, wenn in Bezug auf eine Einrichtung entweder der Abschluss einer Vereinbarung von vornherein gar nicht angestrebt war oder eine Vereinbarung - sei es in direkten Verhandlungen, sei es mit Hilfe einer Schiedsstellenentscheidung - endgültig nicht mehr zustande kommen kann. Der Vorrang der Sozialhilfegewährung auf der Grundlage von Vereinbarungen kommt nur dann effektiv zur Geltung, wenn er für die gesamte Zeit gilt, in der eine angestrebte Vereinbarung, ggf. in der Modifikation durch eine Schiedsstellenfestsetzung, wirksam werden kann. Damit tritt bereits vor dem Abschluss einer Vereinbarung mit dem Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung eine Sperrwirkung für eine Sozialhilfegewährung ohne Bezug zu einer Vereinbarung (sog. ‚anderer Fall’ i.S.v. § 93 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BSHG F. 1994) ein; die Sperrwirkung dauert an, solange der angestrebte Abschluss einer Vereinbarung bzw. eine vereinbarunggestaltende Schiedsstellenentscheidung rechtlich und tatsächlich möglich ist.“(a.a.O. S. 299 f.)

3 Vor dem Hintergrund des Umstands, dass nach den von der Beschwerde nicht begründet angegriffenen Feststellungen der Berufungsentscheidung „gegenwärtig noch die Möglichkeit besteht, dass der Träger der Einrichtung und der niedersächsische Träger der Sozialhilfe auch für den im vorliegenden Verfahren streitigen Zeitraum endgültige Vereinbarung treffen oder eine neue Entscheidung der Schiedsstelle ergeht“ (UA S. 5), ergibt sich hieraus, dass auch im Streitfall eine Sperrwirkung im vorbezeichneten Sinne entstanden ist. Folglich war das Berufungsgericht weder gehalten, den Sachverhalt in Bezug auf Einzelfallgesichtspunkte, die das Gebotensein von Hilfe nach hier gerade nicht festgestelltem (endgültigen) Nichtabschluss einer Vereinbarung betreffen, weiter aufzuklären, wie die Beschwerde rügt, noch Maßstäbe dazu zu entwickeln, wie sich das Merkmal der „Besonderheiten des Einzelfalles“ i.S.v. § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG in ein Regel-Ausnahme-Verhältnis einfügen lässt, wie die Beschwerde zur Begründung der Grundsatzrüge vorbringt. Insbesondere ist das Berufungsgericht hier nicht „Ersatzgesetzgeber“, wie die Beschwerde rügt, sondern wendet gesetzliche Bestimmungen in einer Weise an, wie sie nach der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts, mit der sich die Beschwerde nicht inhaltlich auseinandersetzt und die die sinngemäß von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen der Verhältnisse von Leistungsrecht und hier insbesondere den §§ 3, 4 BSHG zum Leistungserbringungsrecht der §§ 93 ff. BSHG klärt, anzuwenden sind.

4 Soweit die Beschwerde rügt, dass das Berufungsgericht das Prinzip des Bedarfsdeckungsgrundsatzes zum Nachteil des Klägers grundsätzlich in Frage gestellt habe, verkennt sie, dass es sich insoweit um Fragen handelt, die dem Vereinbarungsverfahren vorbehalten sind, welches sich auch im streitigen Fall noch tatsächlich und rechtlich durchsetzen kann; denn die Sperrwirkung im vorbezeichneten Verständnis führt, wie der angefochtene Beschluss zutreffend ausführt, lediglich dazu, dass der Beklagte gegenwärtig nicht verpflichtet ist, dem Kläger höhere Leistungen zu gewähren, als er sie als Folge einer vorläufigen Vereinbarung aus dem Jahr 2001 bisher bewilligt und erbracht hat.

5 2. Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

6 3. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

7 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.