Beschluss vom 18.03.2002 -
BVerwG 8 B 14.02ECLI:DE:BVerwG:2002:180302B8B14.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.03.2002 - 8 B 14.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:180302B8B14.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 14.02

  • VG Gera - 05.11.2001 - AZ: VG 5 K 180/99 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 5. November 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090,34 € (entspricht 8 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Zulassung der Revision scheidet schon deshalb aus, weil die Beschwerde zwar alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 1 VwGO geltend macht, aber durchweg übersieht oder zumindest unerwähnt lässt, dass es im vorliegenden Fall zunächst nicht um einen Restitutionsanspruch - zu dem sie sich ausschließlich einlässt -, sondern um einen Anspruch gemäß § 51 VwVfG auf Wiederaufgreifen des durch bestandskräftigen Ablehnungsbescheid vom 15. Januar 1997 abgeschlossenen Restitutionsverfahrens geht. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), vermeintlichen Divergenzen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) betreffen aber lediglich den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Rückübertragung von Vermögenswerten. Auf sie kommt es nicht an, wenn der Anspruch auf Wiederaufgreifen - sei es mangels Erfüllung des Tatbestandes von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, sei es wegen § 51 Abs. 2 oder Abs. 3 VwVfG nicht durchgreift. Zu den Voraussetzungen des Wiederaufgreifens des Verfahrens äußert sich die Beschwerde mit keinem Wort. Aussagen hierzu wären aber umso mehr geboten gewesen, als die Voraussetzungen des § 51 VwVfG ersichtlich in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft sind und die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG offenkundig nicht eingehalten worden ist.
2. Es ist schon fraglich, ob die mit dem Wiederaufgreifensantrag vom 16. November 1998 vorgelegten Schriftstücke "neue Beweismittel" im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sind.
a) Für die "Rehabilitierungsurkunde der Russischen Föderation betreffend ... und die entsprechende Bescheinigung der russischen Generalstaatsanwaltschaft vom 23. September 1996" - die dem Antrag vom 16. November 1998 übrigens nicht beilagen und auf die er auch nicht gestützt wurde - hat das Verwaltungsgericht dies zutreffend verneint, weil sie dem Kläger bereits vor Erlass des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 15. Januar 1997 bekannt waren.
b) Dass für die dem Antrag beigefügte Enteignungsurkunde der ... Holzwerke GmbH vom 1. Juni 1948, das Schreiben des Kreisrats vom 31. Juli 1948 an die Firma ... Tiefbau und das Protokoll über die Sitzung der Landeskommission zur Durchführung des Befehls 124/126 vom 6. Februar 1948 etwas anderes gelten sollte, ist weder in dem Wiederaufgreifensantrag noch im weiteren Verfahren bis hin zur Beschwerde dargetan worden. Angesichts des Umstandes, dass diese Urkunden in den beigezogenen Verfahrensakten enthalten sind, in die mehrfach Akteneinsicht genommen wurde bzw. hätte genommen werden können (vgl. hierzu § 51 Abs. 2 VwVfG), spricht nichts dafür, dass der Wiederaufgreifensanspruch auf diese Beweismittel mit Erfolg gestützt werden könnte. Im Übrigen geht weder das angefochtene Urteil noch die Beschwerde hierauf ein. Aus diesen Dokumenten folgt auch in der Sache nichts, was zu einer günstigeren Beurteilung des vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruchs des Klägers unmittelbar beitragen könnte.
c) Aber auch die "Rückgabeurkunde" des Ministers des Inneren des Landes Thüringen vom 1. Oktober 1948 trägt den Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Ausführungen der Beschwerde zu den vermögensrechtlichen Voraussetzungen des - bestandskräftig abgelehnten - Restitutionsanspruchs grundsätzlich bedeutsame Fragen zum Vermögensrecht, Divergenzen hierzu oder diesbezügliche Verfahrensmängel aufzeigen. Selbst wenn nämlich die Beschwerde zusätzlich dargetan hätte, dass ihr Vorbringen auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG nach einer durch die neuen Beweismittel bewirkte "dem Betroffenen günstigere Entscheidung" erfüllte, wäre für den Erfolg der Klage zusätzlich erforderlich, dass die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG beachtet worden ist. Hierzu sagt die Beschwerde nichts. Aus den beigezogenen Akten ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Dreimonatsfrist für die Geltendmachung dieses Wiederaufgreifensgrundes nicht eingehalten worden ist. Das angefochtene Urteil erweist sich insoweit jedenfalls zumindest im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO analog). Denn der Kläger hatte bereits mit Schriftsatz vom 29. Januar 1998 - also erheblich mehr als drei Monate vor dem hier zu beurteilenden Wiederaufgreifensantrag vom 16. November 1998 - in dem Klageverfahren 5 K 1493/97 GE (vgl. dort Bl. 18 und 31 der Akten) eine Kopie der "Rückgabeurkunde" vom 1. Oktober 1948 dem Gericht vorgelegt. Im Hinblick darauf stellt sich im Übrigen auch die Frage, ob nicht der darauf gestützte Wiederaufnahmegrund schon im früheren, bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren hätte geltend gemacht werden können (§ 51 Abs. 2 VwVfG).
3. Unter diesen Umständen ist zu dem Beschwerdevorbringen ergänzend nur zu bemerken, dass die Verfahrensrügen im Übrigen unbeachtliche Angriffe gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht darstellen. Die geltend gemachten Denkgesetzverstöße greifen schon deshalb nicht durch, weil dies denklogisch ausgeschlossene Folgerungen voraussetzen würde. Das hat die Beschwerde nicht dargetan. Die Aufklärungsrüge ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht die hilfsweise beantragte Beweiserhebung fehlerfrei abgelehnt und die unterschiedliche Handhabung bezüglich der privaten Grundstücke plausibel begründet hat (UA S. 14).
Die Divergenzrüge bleibt - unabhängig von den Ausführungen zu 2. - ebenfalls ohne Erfolg. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass der von ihr formulierte, vermeintlich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung kollidierende Rechtssatz nicht unmittelbar dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts und der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen, sondern lediglich im Wege einer Interpretation als zugrunde liegender "Grundgedanke" abzuleiten sei. Das genügt für eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht. Mit dem den weiteren zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen allgemeinen Rechtssatz steht das angefochtene Urteil ersichtlich nicht in einem abstrakten Rechtssatzwiderspruch.
Die Beschwerde verkennt im Übrigen in diesem Zusammenhang, dass es im vorliegenden Verfahren auf Rückübertragung der ... Holzwerke GmbH um die Anteile der rechtlich selbstständigen, ebenfalls auf der Liste A stehenden und daraufhin enteigneten ... Tiefbaugesellschaft mbH an dieser GmbH ging und nicht um die Anteile des Klägers und seiner Rechtsvorgänger an der ... Tiefbaugesellschaft. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts (UA S. 13), die Rückgabeurkunde vom 1. Oktober 1948 beziehe sich nur auf das nicht betriebsbezogene Privatvermögen der Mutter des Klägers, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Im Hinblick darauf ist auch die für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob die Freigabe des Privatvermögens eines Gesellschafters eines Unternehmens wegen dessen fehlender nationalsozialistischer Belastung im Zweifel auch die Freistellung seines Unternehmensvermögens bedeutet oder zumindest ein Indiz für ein auch für das Betriebsvermögen vorliegendes Enteignungsverbot ist, ohne weiteres zu verneinen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass grundsätzlich zwischen dem privaten Vermögen und dem betrieblichen Vermögen zu unterscheiden ist und die Freistellung sich im vorliegenden Fall nur auf das private, nicht betriebsbezogene Vermögen der Mutter des Klägers bezog; dies steht in Einklang mit dem sich aus den Akten ergebenden Befund, dass beide Unternehmen - also sowohl die ... Holzwerke GmbH als auch die ... Tiefbaugesellschaft mbH - jeweils auf Liste A verblieben sind, ohne dass private Anteile freigestellt worden wären (vgl. hierzu auch die offenbar rechtskräftig gewordenen Urteile des Verwaltungsgerichts Gera vom 5. November 2001 - 5 K 878/97 GE - und - 5 K 1493/97 GE -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14, 73 Abs. 1 GKG.